Der Atheismus ist (*nach meiner Meinung*) keine Weltanschauung, sondern ein dialektischer Reizzustand, was man allenthalben nur zu leicht beobachten kann, er ist eine gewissermaßen infantile Phase, in der ein ernsthafter Mensch nicht Zeit seines Lebens verharren kann, ohne Schaden zu nehmen. Es hindert ihn, das zu erhalten, wonach er eigentlich strebt, nämlich ein Ende der Auseinandersetzung mit einem als bedrängend empfundenen Phänomen. Anstelle daß er sich zurücklehnt und sagen kann: das habe ich hinter mir, dringen die unerwünschten Stimulationen stets neu auf ihn ein, weil er den Nomos auch in der Verleugnung weiter bei sich trägt, was nach außen wie nach innen stets neue Reize setzt, neue Auseinandersetzungen erzwingt. Es ist schwer zu sehen, wie so das eigentliche Ziel erreicht sein soll, das Ende der Nervosität.
@Dino
Hallo Kurt.
Sommergras
Hi Dino,
Hi Kurt,
Es ist ja eine ganz naive und metaphysische Konstruktion, wenn man davon ausgehen wollte, daß die Religionen dieser Welt sich eines Tages überholt haben würden. Mag´s glauben, wer will. Vom Glauben habe ich genug genossen und kann auf solche Konstrukte verzichten. Insbesondere gerät die Dynamik des Vorgangs ganz aus dem Blick, daß nämlich keinesfalls die Menschheit in Atheisten und Gläubige zerfällt, wie das Bild ja vermitteln mag, vielmehr sind die Zustände und Übergänge ungewiß und eben keine statische Verteilung, sondern ein Ameisenhaufen, ein ewiger Prozeß.
Der aus der Negation defininierte Standort, und mehr ist er nicht, kann nicht erklären. Wie entsteht die Religion, was sind ihre Wurzeln, und warum entsteht sie immer wieder aufs neue? Wie verhält es sich mit den Begleiterscheinungen, der Meditation, der Exstase? Was wird sein, wenn die Religion gegenstandslos ist? Der Atheist wird es nicht beantworten können, denn am Tage seines Triumphes wird er sich bestimmungsgemäß in Luft auflösen. Welche Aussagen lassen sich für die Religionen der Zukunft machen? Sind solche Aussagen mit der Empirik vereinbar, und selbst wenn man soweit gehen wollte, was besagt das? Oder wenn man sagt: alles ist möglich, was wiederum ist damit erklärt?
Ich bestreite, also bin ich. Was soll der andere, dessen Weltanschauung bestritten wird, davon halten, oder ein dritter, der sich fragt: ja, wenn der das bestreitet, was soll denn dann nun gelten?
Nichts, sagt der Atheist. Nichts außer der Negation.
Und der Agnostiker tritt hinzu und vermittelt: alles ist möglich, wir lassen das aber unentschieden. Womit er nicht einmal ausschließt, daß in einer fernen Zukunft die Agnostiker in Scharen in die Kirchen strömen mögen.
So bleibt nichts als Ratlosigkeit und der Zwang zur ewigen Auseinandersetzung, der die Gemüter in einer beständigen Gereiztheit hält, und doch wird nichts dadurch entschieden, bleibt alles ungewiß.
Die aus der Negation geschaffene Struktur hat keine Initiative, bleibt unlösbar und reaktiv an sein Objekt gebunden, für das sich nun die Strategie anbieten würde, durch die ständige Veränderung der Gestalt die Arbeit nicht ausgehen zu lassen. Man dreht und wendet es hin und her, dies und das, und jenes noch mal, und so bleibt dem armen Sysiphos nichts, als in der ständigen Verneinung die Kirchenliteratur zu vermehren. Immerhin, auf diese Weise kann er sich als Relikt erhalten, denn viele Gegendarstellungen kennen wir wiederum nur aus Gegendarstellungen, das läßt sich in beide Richtungen denken. Aber wo ist der Gewinn der Mühe?
Der schwerste Mangel der Methode ist die Unfähigkeit zur Erklärung des Phänomens. Ja, ich weiß, Atheismus ist keine Methode, aber er benutzt ja welche, nur daß seine Ratlosigkeit ihm keinen Hinweis gibt, wozu. Ist daher der Punkt erreicht, wo nun entschieden werden soll, was gelten soll und welches nicht, stoßen die beiden empirischen Ansätze, der Ökonomie und der Historie, sowie auch der metaphysische der Philosophie, an eine Grenze, die sie nicht überwinden können. Weil sie das wichtigste Element der Sache, die menschliche Psyche, zwar unvollkommen abbilden, aber nicht bestimmen können.
Es gibt einen Gott.
Wie das?
Ja, kommt denn keiner auf den Einfall, daß das, was über die Jahrtausende die Menschen erregt hat wie kaum etwas sonst, dieser suchtmachende Effekt der Religionen dieser Welt, die Spontanenstehung neuer, eine Entsprechung haben muß? Und warum nicht, warum wollen wir nicht zugestehen, daß man sie Gott nennt? Wer die Welt aus den Verhältnissen der Materie definieren zu können behauptet, wie kann der sagen, ausgerechnet so eine Sache habe eben keine Entsprechung in der Materie?
Nennen wir es Gott. Wir wollen ihn zugestehen. Und es ist auch sehr einfach, den suchtmachenden Effekt zu verstehen, wenn man erst einmal erklären kann, worum es sich handelt.
Schon die naive Betrachtung liefert ja hier ein sehr schönes Bild, das infantil ist, und eben das muß es sein. Wie leicht sich vorzustellen, Gott sei schon immer gewesen! Welcher andere Schluß sollte sich denn in der Psyche des neu entstandenen Menschen festsetzen, als daß jene unbegreiflichen Wesen in seiner Nähe eben schon immer vorhanden waren? Und daß sie, wie denn sonst, allmächtig sind? Und daß sie zugleich sind und nicht sind? Und aus dem Nichts wiedererscheinen, wie es ihnen gefällt? Und daß sie zugleich eins sind und auch zwei?
Irgendwann versinkt der Eindruck in den Tiefen der Psyche, aber nichts davon ist verloren. Teile davon steigen in das Bewußtsein, in Zeiten der Meditation, der Halluzinationen, der Träume, und was könnte faszinierender sein als eben dieses, was in uns selbst ist?
Gott ist das magisches Relikt aus dem Anfang der Zeiten, und wer ihn für ein transzendentales Wesen erklären mag, mag das tun, so sehr verkehrt liegt er damit nicht, und wer ihn für ewig hält, dem stimme ich gern zu, jedenfalls, solange dieser Planet noch Menschen beherbergt. Danach wird sich die Frage der Zustimmung ohnehin erledigt haben, und auch Gott, der ewige Sysyphos, wird dann zur Ruhe gelangen.
Ich gelange auch zur Ruhe, weil ich nicht länger Atheist sein muß. Weil ich die Zone der nervösen Erregung hinter mir gelassen habe. Ich kann es mir leisten zu sagen: es möge sich jeder selbst sein Bild machen von seinem Gotte. Die Menschen haben ohnehin nie etwas anderes getan.
Und damit verabschiede ich mich auch erstmal aus diesem Forum, danke denen, die mir wertvolle Anregungen vermittelt haben, denn die eigentliche Sache hat sich für mich erledigt, und zwar, so sinnlos ist der Streß im Internet ja gar nicht, eben durch Anregungen, die ich in diesem seltsamen Medium gewonnen habe, das die Gemüter der Menschen noch zusätzlich in Aufregung zu versetzen scheint.
MFG
Dinosaurus
Von Kurt am Donnerstag, den 18. April, 2002 - 22:34:
Du gibst mir wieder Rätsel auf. Zuerst Deine aggresiven und "zornigen" Postings hier u. in Utes Forum und jetzt das. Bei Dir blick ich nicht durch.
VG
Kurt
Von dinosaurus am Freitag, den 19. April, 2002 - 10:28:
Ich habe das aggresive außen gesucht anstatt innen. Da im Internet überhaupt gern aufeinander eingeprügelt wird, eskaliert der Dialog manchmal in einer Weise, daß man sich hinterher an den Kopf fassen muß, welchen geistigen "D..schiss" man produziert hat. Ich bekenne mich dazu.
Das Wort ist flüchtig, der Internet-Eintrag (leider) nicht, und so bleibt der ganze Mist eben erhalten.
Du kannst mir aber glauben, daß ich endlich dazu gefunden habe, mich selbst einmal zurechtzurücken. Und von dieser ganzen Aggresivität, die hier leider nicht gelöscht werden kann, distanziere ich mich nachdrücklich.
Gruß
Dinosaurus
Von Tso Wang am Freitag, den 19. April, 2002 - 22:10:
steht da
gerade vor Augen
Nichts ist
verborgen.
Von Kurt am Samstag, den 20. April, 2002 - 19:42:
ich denke, ich habe mich etwas unklar ausgedrückt. Wenn ich von aggressiv und zornig sprach, so meinte ich in meinem vorigen Posting Deine Ausführungen zum Thema Religion und Atheismus. Die fand ich ja in Ordnung, wenn es auch nicht mein Stil ist. Was mich verwundert hat ist, daß Du nun scheinbar die Flinte ins Korn wirfst. Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, bist Du Vater von kleinen Kindern. Diese werden irgendwann in den Kindergarten, später in eine Schule gehen. Spätestens dann wirst Du Dich dieser Thematik wieder stellen müssen (mehr od. weniger, abhängig von Deinem Wohnort).
Ich fände es bedauerlich, wenn Du Dich nun aus den Foren verabschieden würdest, da Deine sachlichen Beiträge doch auch diskussionswürdig waren, verloren aber leider öfter durch persönliche Angriffe, aber das ist abgehakt. Wenn ich mich auch bei manchen Aussagen von Dir fragte, was Du damit eigentlich meinen könntest, so habe ich das aber auf meine bescheidenere Belesenheit zurückgeführt. Bei manchen Aussagen hätte ich gerne mal nachgefragt, aber ich hatte keine Lust, mich ...naja Schwamm drüber.
Überleg Dir's noch einmal.
Viele Grüße
Kurt
Von dinosaurus am Sonntag, den 21. April, 2002 - 06:04:
meine Ausgangsüberlegung war die zur Sache, also des Standortes, bis mir auffiel, daß man damit nicht weiterkommt, wenn man diese Empfindlichkeiten nicht mit einbezieht, die du mit so schöner Regelmäßigkeit beobachten kannst. Man möchte das wegwünschen, aber darüber hinwegzugehen, heißt, das eigentliche Problem zu übersehen. Es ist das der Verständigung, oder, wie Heike sagte, der sozialen Intelligenz. Darüber kann man viel sinnen, fruchtbar wird das erst, wenn der Gedanke die Mängel der eigene Person einschließt.
Jedenfalls ist meine heutige Einstellung die, daß die Polemik und Aggressivität nichts bringt. Grundsätzlich nichts. Schon von daher nicht, weil der Mensch so angelegt ist, sofort zuzumachen. Dazu kommt das Medium. Es sitzen da ja nicht zwei Zyniker, die das ohnehin nicht so ernst nehmen, sondern die Formulierung entwickelt, einmal losgelassen, ihre eigene Dynamik,. die der ursprünglichen Absicht gar nicht mehr entsprechen mag, aber die Fronten verhärtet. Von daher würde ich meine Threads der letzten Wochen heute ganz anders formulieren.
Den fundamentalen harten Christen wirst du heute vor allem unter jungen Menschen kaum noch finden. Von hier aus ist der Dialog möglich, nur daß das Ziel nicht sein soll, jemanden zu überzeugen, das schaffst du ohnehin nicht, sondern der Respekt vor dem eigenen Standort ist der primäre Gewinn. Das kannst du ja auch innerhalb des kritischen Lagers beobachten, wo um die kleinsten Dinge fast mehr gezänkelt wird als im Dialog mit der Glaubensseite.
Was die Bevormundung durch die Organisation Kirche betrifft, wird man weiteres nicht erreichen, wenn man drauf lospoltert.
Das hat nichts mit der Aufgabe des eigenen Standortes zu tun.
MFG
Dino