Brief an die private Wirtschaftsschule...

Der Humanist: Religion: Brief an die private Wirtschaftsschule...
Von Kurt am Freitag, den 29. August, 2003 - 23:21:

An die Schulleitung und die Lehrerschaft der Wirtschaftsschule XXX.
(Entwurf)


Sehr geehrte Damen und Herren,

wie wir von unserem Sohn (ehedem Z10) erfahren haben, wurde er in der letzten Schulwoche des Schuljahres 2002/03, trotz seines Einwandes, dazu
genötigt, am Schuljahresabschlußgottesdienst teilzunehmen. Dies wurde begründet mit dem Hinweis auf versicherungstechnische Vorschriften.

Dazu stellen wir fest, daß zu Beginn des vergangenen Schuljahres unser Sohn und eine Mitschülerin nicht zur Teilnahme am Gottesdienst gezwungen wurden, so daß sowohl Benedikt als auch wir davon ausgingen, daß dies weiterhin an Ihrer Schule so gehandhabt wird und somit dieses Ansinnen für uns völlig überraschend kam, wir also somit keine Möglichkeit hatten, Sie auf eine höherwertigere Rechtsvorschriften hinzuweisen:

Artikel 136, Abs. 4 Weimarer Verfassung, laut Artikel 140 des Grundgesetzes Bestandteil des GG

"Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden."

Dieser Gesetzestext ist bindend für ALLE Bundesbürger und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland, AUCH für die Bayerische Staatsregierung und deren Bedienstete. Wenn diese Staatsregierung jedoch untergeordnete Gesetzestexte und Verordnungen erließ oder erläßt, welche diametral wider dem Grundgesetz sind, so
macht sie sich des massiven Rechtsbruches schuldig. Zudem nötigt sie ebenfalls ihre Bedienstete und, von dem "Wohlwollen" der Staatsregierung abhängige Institutionen, das oberste Gesetz der BRD zu brechen.

Abgesehen von der rechtlichen Situation möchten wir Sie noch auf einige menschlichen Aspekte hinweisen, welche zum Teil ebenso in den Artikeln 4, Abs. 1 GG und 136, Abs. 3 WV und andere begründet sind.

Von dem ersten der beiden zuvor genannten Artikel haben wir zu Beginn der 90er Jahre, also etwa zur Einschulung von Benedikt, gebrauch gemacht und sind aus Überzeugung aus der Kirche ausgetreten. Diese Überzeugung beinhaltete unter Anderem auch, daß wir NICHT wollten, daß unsere Kinder weiterhin religiös indoktriniert werden, da wir ein metaphysisch begründetes Wertesystem ablehnten
(und dies immer noch tun), welches in sich widersprüchlich und gegen jede Vernunft ist. Trotz unserem Elternrecht, unsere Kinder nach UNSEREN
Wertvorstellungen zu erziehen, wurde dies immer wieder durch Lehrer und das Schulamt torpediert (Schulgebet, Schulgottesdienst, religiöse Lehrinhalte in NICHTreligiösen Fächern) mit Verweis auf entsprechende Gesetze und Verordnungen
der Staatsregierung. Wir wurden also, entgegen dem zweiten oben angeführten Artikel des GG/WV, immer wieder dazu gezwungen, unsere Weltanschauung zu
offenbaren, um so unsere Ablehnung gegenüber religösen Weltanschauungen zu begründen.

Diese anfänglich nur bilaterale Gegensätzlichkeiten zwischen staatlichen
Vertretern und unserem Recht auf freie Weltanschauung änderte sich radikal, als ein Lehrer in der 2-ten Hälfte des 2-ten Grundschuljahres unseres Sohnes diesen vor der gesammten Klasse als gottlos outete. Dieser
Respektentzug durch eine "Respektsperson" hatte zur Folge, daß unser Sohn von nun an von seinen Mitschülern verspottet, beschimpft, bespuckt und verprügelt wurde (chronologische Folge der Steigerung) und wir uns nun gegen 2 Fronten
wehren mußten, wobei sich diese 2-te Front mit der Zeit als die wirkungsvollere und mächtigere herausstellte, da sie immer weitere Kreise (über die Klassengrenze hinaus) zog und Benedikt ständig bis zum Schluß seiner Hauptschulzeit von einem, teilweise viel jüngeren Mob drangsaliert wurde.
Hinzu kamen die weiteren "Missionierungsversuche" einiger Lehrer, welche eher die Ausgrenzung unseres Sohnes zementierten als ihnen entgegenzuwirken, was dazu führte, daß aus einem, zur Einschulung noch aufgeweckten, wißbegierigem und weltoffenem Kind ein ausgegrenzter und verschüchteter junger Mann wurde.

Dieser grobe Rückblick auf die Schulgeschichte unseres Sohnes sollte Ihnen aufzeigen, welche Auswirkungen religiös begründete Anweisungen, Verordnungen und Gesetze haben können. Wegen dieser Vorgeschichte waren wir froh, daß sich unser Sohn an Ihrer Schule und in der Klasse wohl fühlte. Umso enttäuschender war jedoch der
abermalige Zwang zu einem Gottesdienstbesuch UND die folgenden Geschehnisse, welche uns schlimmes befürchten lassen.

Da der Einwand unseres Sohnes nicht unbemerkt blieb, mußte er sich am selben Tag noch einen Tadel der Ethiklehrkraft wegen "Intoleranz" und eine beginnende Ausgrenzung durch einen Mitschüler anhören, der beim Pausenverkauf (sinngemäß) laut sagte: "Dem dürft ihr nichts verkaufen, der glaubt nicht an Gott." Hier müssen wir darauf bestehen, daß von Seiten der Lehrerschaft solchen Aussagen
entschieden entgegengetreten wird, auch vorbeugend, wobei es uns nicht um eine Tadelung der betreffenden Person, sondern um eine Ächtung solcher Aussagen geht.

Ebenso weisen wir den Vorwurf der Intoleranz entschieden zurück, da diese schon dem Wortsinn nach nicht zutreffen kann. Intoleranz bzw. Toleranz ist ein Wesenszug, welcher ausschließlich von einer dominierenden Person/Gesellschaft oder maximal von gleichwertigen Partnern ausgeübt werden kann. Diese Tatsache wird deutlicher, wenn man statt dem Begriff "Toleranz" das deutsche Synonym "Duldung" verwendet. Dulden kann nur derjenige, der auch die Macht und die Möglichkeit hat, NICHT zu dulden. Dies kann aber NIE eine Minorität oder abhängige Person (wie z.B. ein Schüler) sein. Diese können eine ausgeübte
Intoleranz gegen sie nur erDULDEN oder sich aber im legalen Rahmen ihr erWEHREN.

Wir appelieren aus diesem Grunde an Sie, die grundgesetzwidrige Praxis der Bayerischen Staatsregierung nicht weiter zu unterstützen und von weiteren weltanschaulichen Zwängen gegenüber unseren Sohn abzusehen. Sie sollten auch bedenken, daß jungen Menschen, welchen man grundlegende Rechte verweigert, demokratisches Denken und Handeln nur schwer oder gar nicht zu vermitteln ist und dies nicht im Sinne Ihres Berufsethos sein kann.

MfG

Kurt


Von Misawa am Freitag, den 17. Oktober, 2003 - 11:20:

Hat es denn etwas gebracht mein Freund?


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