"MITTELSTAND
Peitschen und tanzen
Die Bundesanstalt für Arbeit weigert sich, Stellenangebote für Prostituierte auszuschreiben -zum Ärger der liberalen Chefin des Petitionsausschusses im Bundestag.
Auf seinen Sprung in die Selbständigkeit hat sich Ulrich Küperkoch, Bordellbesitzer in spe aus dem sächsischen Markersdorf, penibel vorbereitet. Monatelang studierte der 45-Jährige den Kontaktanzeigenteil ("Polin, vollbusig") im örtlichen "Wochenkurier", begutachtete Konkurrenzbetriebe im benachbarten Tschechien und fragte Grenzgänger nach ihren Erfahrungen mit den dortigen Dienstleisterinnen. Schließlich stand für Küperkoch fest: Deutsche Männer hätten es nicht nur gern etwas sauberer. Sie möchten auch ein wenig plaudern, bevor sie zur Sache kommen - ein in Polen und Tschechien nahezu unerfüllbarer Wunsch.
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Prostituierte: "Es geht doch um Arbeitsplätze"
In diese Marktlücke will der gelernte Tischler Küperkoch nun vorstoßen. In einem Gewerbegebiet nahe Görlitz soll sein "Golden 3 Privatclub in Gründung" bald offerieren, was die ausländischen Billiganbieter nicht zu leisten im Stande sind: heimische Wertarbeit. Schon bei der Auswahl des Personals komme es darauf an, so Küperkoch, "dass die Damen nicht nur Französisch, sondern auch Deutsch können".
Doch, ach, wie so oft steht frischem Gründergeist die Bürokratie im Wege. Kaum hatte das Görlitzer Arbeitsamt Küperkochs Job-Angebot im bundesweiten Stellenpool ("Berufskennziffer 9139101: Prostituierte/r") der Bundesanstalt für Arbeit geschaltet, kamen dem Amt Bedenken. Hatte sich die Behörde Mitte Mai noch herzlich für den Vermittlungsauftrag bedankt, folgte wenige Tage darauf die Ablehnung. Ein Widerspruch Küperkochs wurde Anfang Juli abgeschmettert: Man führe im Bereich der Prostitution keine Arbeitsvermittlung durch, hieß es, "weil der damit verbundene Aufwand die bisherige Entwicklung in diesem Marktsegment nicht rechtfertigt".
Nun fürchtet Küperkoch, dass bis zur Geschäftseröffnung Anfang September zwar der Umbau seines Souterrains (SM-Studio, Doktorzimmer, römisches Bad) gelingt, aber keine Damen da sind, die Gäste zu bedienen. Einigen Russen, die ihre Mädchen in schwarzen Limousinen vorfuhren, musste der Sachse die Tür weisen: Seine Besucher hätten am liebsten gleich den ganzen Laden übernommen.
Doch Hilfe naht - in Gestalt einer FDP-Politikerin. In seiner Verzweiflung hatte sich Küperkoch ("Es geht doch um Arbeitsplätze") an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gewandt. Und dort ist seit der Wahl im vergangenen Jahr eine Frau zuständig, der die Interessen von Existenzgründern schon qua Parteibuch ganz besonders am Herzen liegen: Marita Sehn, 48, Vorsitzende des Petitionsausschusses und Mitglied der FDP-Fraktion. Die gelernte Industriekauffrau, als weinbaupolitische Sprecherin der Liberalen mit Fragen des Mittelstandes vertraut, richtete Küperkoch ihr Mitgefühl aus und versprach, sich der Sache anzunehmen. Moralische Bedenken will Sehn nicht gelten lassen - hat doch der Bundestag selbst vor anderthalb Jahren die Prostitution weitgehend legalisiert und den Huren Zugang zur Sozialversicherung gewährt. Es gebe keinen Grund, das Horizontalgeschäft den Mädchenhändlerbanden zu überlassen, deren Angestellte womöglich missbraucht und ausgebeutet würden.
Clubbetreiber Küperkoch hingegen hat der Politikerin versprochen, dass es bei ihm streng legal zugehen werde. Nebst Fixum stelle er seinen Damen eine Erfolgsprovision in Aussicht - dergestalt, dass "keine unter 2000 Euro netto" im Monat nach Haus gehen werde. Auch von Zwangsmaßnahmen wolle er nichts wissen: "Gepeitscht wird nur, wenn's allen Beteiligten Spaß macht."
FDP-Frau Sehn hofft nun, das Arbeitsamt notfalls mit einem Votum des Petitionsausschusses umzustimmen. Sondierungsgespräche mit den Kollegen der anderen Fraktionen seien erfolgreich verlaufen. Zudem hat sie eine schriftliche Anfrage ("Rolle der Bundesanstalt für Arbeit bei der Vermittlung von Prostituierten") an die Bundesregierung gerichtet. Gerade in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit findet sie es nicht hinnehmbar, dass sich die Behörde einer "geordneten Vermittlung" von Animierdamen in den Weg stelle.
Ein Teilsieg für Küperkoch ist bereits erreicht. Zwar weigert sich das Arbeitsamt weiterhin, bundesweit nach Hostessen für erotische Dienstleistungen zu fahnden. Stellenanzeigen für Bardamen und Tänzerinnen durfte der angehende Clubbetreiber jedoch anstandslos aufgeben.
Vermittlungserfolge gibt es bisher allerdings nicht. Vor kurzem musste Küperkoch eine 19-Jährige nach Hause schicken, die sich als Tänzerin beworben hatte. "Das Mädchen konnte nur Techno", bedauert er, "doch das geht unseren Gästen zu schnell."
ALEXANDER NEUBACHER"
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,257908,00.html
Wann ist die Kinderarbeit wieder dran? Zurück zu den Zeiten vor dem "Kommunistischen Manifest" von Karl Marx/Friedrich Engels?