-urbane Jugend durch Informationsgesellschaft

Der Humanist: Gesellschaft und Medien: -urbane Jugend durch Informationsgesellschaft
Von Pete am Mittwoch, den 12. April, 2000 - 04:38:

Ich bin der Meinung, daß der Jugend heutzutage in nie dagewesener Form die Möglichkeit gegeben ist, Weltverständig zu sein. Die Voraussetzung hierfür ist allerdings, ihr geisteswissenschaftliche Erkenntnisse, die die Gefahren der modernen Medien erläutern, zu vermitteln.
Mit Gefahren meine ich in erster Linie
-die Gleichschaltung von Informationen, die Auswirkungen völlig verschiedener Tragweite auf die Gesellschaft, und somit auch auf die eigene Person haben (im Gegensatz zum fiktiven Tod eines liebgewonnenen Serienhelden erscheint vielen ein Krieg im Nahen Osten belanglos),
-die Entwertung von Verantwortung (die endlosen Optionen, die zur Gestaltung eigener Normen gegeben sind, verführen dazu, immer mehr gesellschaftliche Fragen hinter solchen persönlicher Natur zurückzustellen, sie also anonymen Mächten zu überlassen, deren Einfluss oft falsch eingeschätzt wird),
-der suggestive Einfluß auf die Ausbildung der individuellen Wünsche zur Erlangung von Wohlergehen, z.B. durch Glorfizierungen und Kultobjekte, die aus den finanziellen Interessen weniger, nicht aber aus der Frage nach dem Nutzen für die Menschheit entstanden sind.
Macht man der Jugend dies bewußt, so ist sie in der Lage auf diese Entwicklung zu reagieren und aus dieser Reaktion heraus etwas zu ändern.Durch die Tatsache, daß sich die Jugend sensationssüchtig gibt und es den Medien überläßt, einen Großteil ihres Alltags zu Formen, ja, daß es ihr sogar sehr angenehm zu sein scheint, andere das "Grobe" regeln zu lassen wärend sie selbst nach kurzweiligen Vergnügungen suchen, wirkt dieses Unterfangen vorerst aussichtslos. Doch dieser Trend kann vergehen, so wie er auch entstanden ist. Ich freue mich, mit Ihnen über Lösungen zu dieser Problematik zu diskutieren.
(zu diesem Thema empfehle ich das Buch "PSYCHOTRENDS" von Heike Ernst)


Von Frank Welker am Mittwoch, den 12. April, 2000 - 10:50:

Hallo Pete,
ich bin da nicht so optimistisch wie du. Zwar bietet das Internet die Möglichkeit hinter die Kulissen gleichgeschalteter Medien zu blicken, doch mal ganz ehrlich, wer tut das schon? Da gibt es auch kaum einen Unterschied zwischen alt und jung. Wenn ich lesen muss, dass die Webseite der Verdummungssendung Big Brother 5.000.000 Hits am Tag verzeichnet wir mir schlecht. Wir haben dagegen beim Humanist gerade mal 100 Besucher am Tag, obwohl wir sicherlich ein besseres Qualitätsniveau haben. Und da haben wir auch schon das Problem. Die Masse interessiert sich eben mehr dafür, ob Zlatko neben das Klo pinkelt, als für einen Artikel über die Verschmelzung von Christentum und Nationalsozialismus. Die entscheidende Frage die sich stellt ist die, ob die Masse von sich aus dumm und infantil ist oder ob sie bewusst von den Machthabern (Wirtschaftsbosse und deren Marionetten die Politiker) dumm gehalten wird. Diese Frage konnte ich für mich noch nicht klar beantworten.

Was ich aber fast für noch schlimmer halte, ist der Zustand unserer "geistigen Elite". Nach einem halben Jahr an der Uni bin ich zu der Erkenntnis gekommen das hier hochspezialisierte Fachidioten gezüchtet werden. Das Ergebnis sind dann
Computerspezialisten, die nicht mehr wissen, das sich die Erde um die Sonne dreht.

Wir müssen weg von einer an wirtschaftlichen Interessen ausgerichteten Wissenschaft, hin zu einer Wissenschaft, die sich um ein kulturelles Weiterkommen der Menschheit bemüht. Eigentlich eine simple Erkenntnis, aber leider ist die Umsetzung utopisch, angesichts der Macht, die von der Wirtschaft und den Medien ausgeht und der sich nahezu niemand entziehen kann.


Von Pete am Mittwoch, den 12. April, 2000 - 19:52:

Hallo Frank,
Ich glaube nicht, daß die Masse von sich aus dumm und infantil ist, und ebensowenig glaube ich, daß Medienmogule und Wirtschaftsbosse geheime Gremien bilden, die unsere Verdummung planen und beschließen, denn eine ignorante Gesellschaft anzustreben liegt nicht in deren Interessen, folgt allerdings aus der Verwirklichung dieser. Denn die, die die Gesellschaft formen, sind der fatalen Paradoxie des Hedonismus verfallen.Sie entfernen sich im ständigen Streben nach mehr weiter und weiter von der Frage nach dem Nutzen für die Menschlichkeit, denn die Konkurrenz strebt auch und man will nicht vor ihr zurückstecken.

Erich Fromm sagt, es gehöre zur unbewußten Mentalität des Menschen in den westlichen Industrienationen,jene zu beneiden, die mehr haben als man selbst und jene zu fürchten, die weniger haben.Dieses "Ringen um Status" fängt bei den Mächtigen an, die nicht davor zurückschrecken Wochenlang eine einfache Frau Zindler zum Gespött der Leute zu machen oder das doppelte des eigentlichen Wertes für ein Produkt zu verlangen, das einen gewissen Namen trägt.Und es setzt sich fort bis zum einfachen Verbraucher, der das aufreizend präsentierte Angebot zu schamloser Unterhaltung, die Möglichkeit an einer Massenbegeisterung teilzuhaben ohne lang nach Sinn und Zweck zu suchen, gerne annimmt und auch äußerst bereitwillig überteuerte Produkte kauft, um selbst am Status großer Konzerne teilzuhaben. Dies wirkt zwar der Befriedigung rational-menschlicher Bedürfnisse entgegen, doch macht das den Menschen nichts aus, da sie diese Bedürfnisse tief unter dem Verlangen, sich selbst möglichst positiv in der Gesellschaft zu definieren, vergraben haben. Diese Umstände führen dazu, daß sich das System primär selbst erhält und auch selbst die Dynamik (der Verdummung) vorgibt, in der sich die Systemanhänger verlieren, zu denen auf die eine oder andere Art fast jeder zählt, denn wer schafft es schon, jedem Konsum- oder Statusangebot, daß er der Irrelevanz verdächtigt, zu wiederstehen?

Wir brauchen nicht gegen heimliche Gremien von Mächtigen zu kämpfen.Was wir brauchen um der kollektiven Ignoranz entgegenzuwirken ist die Bewusstwerdung der Entmenschlichung. Da dadurch das System, wie es derzeit funktioniert, unmöglich würde, müßte es an Eigendynamik verlieren und wir Menschen hätten unser Schicksal insofern mehr unter Kontrolle, als daß es unnötig würde, Idole und Glücksversprechungen zu inszenieren.


Von Frank Welker am Mittwoch, den 12. April, 2000 - 22:09:

Nein, lieber Pete. Medienmogule und Wirtschaftsbosse bilden keine geheimen Gremien, um unsere Verdummung zu planen, sie tun es öffentlich. Auf einem Kongress im September 1995 San Francisco trafen sich führende Wirtschaftsbosse zu einem Arbeitskreis mit dem Thema die 20:80 Gesellschaft. Das heisst nichts anderes als das künftig nur noch zwanzig Prozent der Bevölkerung Arbeit haben wird. Zentrales Thema war was man denn mit den 80 Prozent Arbeitslosen machen soll. Antwort von Zbigniew Brzezinski(ehem. nationaler Sicherheitsberater von Jimmy Carter): Mit einer Mischung aus betäubender Unterhaltung und ausreichender Ernährung kann man die frustierte Bevölkerung schon bei Laune halten.
Ja und einen Begriff hatten die hohen Herren auch gleich parat:TITTYTAINMENT.
Nachzulesen ist das ganze im Buch Die Globalisierungsfalle von Hans Peter Martin.

Das erschreckende ist das es für eine solche Entwicklung gar keiner Verschwörung bedarf, sondern das das kapitalistische System genug Eigendynamik besitzt. Und da gebe ich dir jetzt recht,diese Eigendynamik muss gebremst werden. Ich fürchte nur die Wirtschaft sitzt am längeren Hebel.
mfg
Frank


Von EMÖ am Mittwoch, den 12. April, 2000 - 23:31:

Zur Frage der absichtlichen Manipulation siehe auch Chomsky (im Wesentlichen "Manufacturing Consent"), Wallraff ("Der Aufmacher", "Zeugen der Anklage"), Stauber & Rampton ("Toxic Sludge is Good For You").

Kirch, Murdock & Co. sind sich im Klaren darüber, was sie tun. Und sie tun es gerne.


Von Pete am Donnerstag, den 13. April, 2000 - 16:26:

Hallo allerseits,
Danke für die Literaturhinweise.Besonders die Diskussion zum Thema 20:80-Gesellschaft war mir noch unbekannt.


Von rapoon am Donnerstag, den 13. April, 2000 - 23:22:

Hallo Frank,

mir kam beim Lesen über diesen 20:80-Arbeitskreis so ein kleiner Gedanke: Ist die Tatsache, dass sich die führenden Medienmogule zu diesem Thema beraten, nicht ein Indiz dafür, daß sie Angst haben? Daß sie verhindern wollen, daß eben jene 80 Prozent merken, welche Macht sie eigentlich haben? Und ist es nicht folglich eine Erwägung wert, genau da anzusetzen?

"Wenn ich lesen muss, dass die Webseite der Verdummungssendung Big Brother 5.000.000 Hits am Tag verzeichnet wir mir schlecht. Wir haben dagegen beim Humanist gerade mal 100 Besucher am Tag, obwohl wir sicherlich ein besseres Qualitätsniveau haben."
Das bessere Qualitätsniveau entscheidet aber nicht darüber, ob diese 5 Mio überhaupt Kenntnis von Eurer Seite haben. Das Problem (und da bin ich zugegebenermaßen optimistisch bis hin zur Irrationalität:-)) könnte doch auch dadurch angegangen werden, daß man die Leute aufsucht anstatt auf sie zu warten. Gerade wenn man von der selbstgestellten Aufgabe der Medien weiß, ist es doch eigentlich naheliegender, nicht von der Dummheit oder Ignoranz der 80% auszugehen, sondern davon, daß die Medienmogule ihren Job ziemlich gut machen, nicht wahr?

Markus Wilhelm definierte das Wort 'nachrichten' Anfang der 90er auf sehr treffende Weise: wir werden alle paar Stunden 'nachgerichtet', nachjustiert wie eine kaputte Uhr...

Es geht also zunächst um die Störung dieser Justierungen, dieser Nachbesserungen - z.B. indem man den Leuten klarmacht, daß sie ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen durch Verändern eben dieser Zustände effektiver abstellen können , als durch Flucht in Drogen, Glaube oder Konsum.

mfg
rapoon


Von Heinz am Freitag, den 21. April, 2000 - 02:43:

Moin,
sacht ma' was!


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