Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche Der Weg in die Anpassung
Inhalt:
Gerhard Besier, Theologe, Historiker und
Sozialwissenschaftler, enthüllt das ganze Ausmaß der
Verstrickung vor allem der protestantischen Kirche in die
Machtmechanismen des SED-Staates. Die in den Archiven
schlummernden Beweismaterialien, zu denen er in vielen Fällen
als einer der ersten Zugang erhielt, zeigen eine entsprechend
weitgehende Zusammenarbeit von Spitzenvertretern beider
Großkirchen mit der SED und dem Ministerium für
Staatssicherheit.
Gerhard Besier will nicht verdammen, sondern aufklären; seine
detaillierte Recherche und die nüchterne, vorurteilsfreie
Auswertung der Fakten führen nicht nur für
Kirchenmänner zu bedrückenden Erkenntnissen.
Gerhard Besier beschreibt die vielfältigen Bemühungen der
führenden Partei der DDR, die Kirchen zu zersetzen
und ihrem Plan der Bildung einer sozialistischen
Menschengemeinschaft dienstbar zu machen. Da es den
DDR-Staatsorganen nicht gelang, die Kirchen in ganz Deutschland
von der Friedlichkeit ihres Staates zu überzeugen, strebten sie
deren Spaltung an.
Der erste spektakuläre Erfolg war das Herausbrechen der
Thüringer Landeskirche aus dem Verbund der DDR-Kirchen. Fortan
verfügte das Regime über eine Kirchenleitung, die die
führende Partei über jeden Schritt der Kirchen
informierte.
Zumindest Teilerfolge erzielte die SED-Kirchenpolitik bei
Kirchenmännern, die den vermeintlichen Kriegskurs
der NATO-Kirche im Westen verurteilten und den
Kirchen in der DDR ein eigenes gesellschaftspolitisches Profil
geben wollten. Sie unterstützen SED-Funktionäre bei der
Isolierung konservativer Kirchenführer wie Otto Dibelius und
waren bereit, kirchliche Doppelstrukturen im Osten Deutschlands
aufzubauen. Eine erste Station auf diesem Weg war die Bildung
einer eigenen Dienststelle unter der Leitung Manfred Stolpes im
Jahr 1962.
Kirchenpolitisch wie theologisch spielten dabei die
linken Bruderschaften in West und Ost eine tragende
Rolle. Mit Hilfe einer einseitigen Aneignung der theologischen
Einsichten des Schweizer Theologieprofessors Karl Barth und einer
eigenwilligen, zum Teil marxistischen Interpretation der
Theologie Dietrich Bonhoeffers entwickelten sie eine theologisch
qualifizierte Standortdefinition der Kirche im
Sozialismus.
Im Jahr 1969 wurde schließlich der Kirchenbund in der DDR als
eigenständige Größe und theologisch bestimmter Neuanfang
gegründet. Man war bereit, in vertraulichen
Gesprächen die Staatsfunktionäre über personalpolitische
Entscheidungen eingehend zu informieren. Das, wogegen sich die
Kirchen so lange gewehrt hatten, die Bildung einer
Staatskirche, war Wirklichkeit geworden.
Autor:
Professor Dr. theol. Dr. phil. Gerhard Besier ist evangelischer Theologe, Historiker und Sozialwissenschaftler. Bis 1992 lehrte er als ordentlicher Professor für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Berlin. Seit Herbst 1992 hat einer Lehrstuhl an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Mit der Publikation Pfarrer, Christen und Katholiken (2.Aufl.1992, zusammen mit Stephan Wolf), die eine große Anzahl von Dokumenten aus dem Ministerium für Staatssicherheit zur Sicherung der Politik der Partei in Kirchenfragen enthält, erregte er großes Aufsehen in der Öffentlichkeit wie in Kirchenkreisen.
Bertelsmann ISBN: 3-570-02080-0
Erstellt von Christian Barduhn | Titelliste: Religion | Index | Der Humanist |