Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums Band 3: Die alte Kirche
Inhalt:
Deschner: Ich schreibe eine Geschichte des Verbrechens
in der ganzen Breite des staatlichen, kirchlichen und
gesellschaftlichen Lebens der Christenheit.
Seine Kriminalgeschichte des Christentums ist auf zehn
Bände angelegt: drei über die Antike, drei über das
Mittelalter, vier über die Neuzeit. Nach Band 1 Die
Frühzeit (1986) und Band 2 Die Spätantike (1988)
liegt jetzt mit Band 3 Die Alte Kirche (1990) der erste
Abschnitt geschlossen vor. Anders als die beiden ersten Bände,
die chronologisch darstellen, wird im dritten das antike
Christentum in epochalen Längsschnitten systematisch
durchgemustert nach bedeutsamen, bisher jedoch regelmäßig
kaschierten Verbrechensschwerpunkten:
Deschner: Kaum in Rezensionen, doch oft in Diskussionen
halten mir Christen (erfahrungsgemäß oft solche, die mich
sicherheitshalber gar nicht gelesen haben)
entgegen, ich könne noch so viele kirchliche Verbrechen
zusammentragen (,Kriminalromane schreiben, wie mir im
Sender Freies Berlin ein Kirchenmann zuschnaubte), das
erschüttere ihren Glauben an Christentum und Christus nicht. Nun
zeige ich aber in all diesen Bänden nie nur die ethische,
sondern ab und zu auch die dogmatische Seite des Christentums.
Und da verfängt das fromme Argument keinesfalls mehr. Allein das
längste Kapitel des vorliegenden Bandes, das erste, führt eine
Berufung auf den christlichen Glauben historisch ad absurdum.
Freilich: ,Gläubigen geht es fast nie um historische,
philosophische, ethische Probleme, um Wahrheit oder, bescheidener
gesagt, Wahrscheinlichkeit, sondern um ihr eigenes Problem. Sie ,glauben,
sie könnten ohne ihren Glauben nicht leben. Obwohl sie ja, als
Inder etwa, wahrscheinlich einen ganz anderen Glauben hätten.
Und als Afrikaner wieder einen anderen ein Aspekt, der
jeden ,Glauben von vornherein relativiert. Mein Leben zeigt
mir, daß man sehr gut ohne ,Glauben leben kann. Und
Tausende von oft erschütternden Zuschriften bezeugen, daß es
auch andere können, nach Preisgabe ihres christlichen Glaubens
sehr viel besser können als vorher, daß sie viel freier leben,
ja, daß sie erst zu leben beginnen und kaum
,unmoralischer als die Christen.
Mit wem hat er sich nicht angelegt und überworfen? Die
Kirchenfürsten, sie vor allem, könnten ein Liedlein singen von
der unsäglichen Hartnäckigkeit, mit der der Ketzer und
Verbrechensbekämpfer Deschner die Geschichte des Christentums
als Kriminalgeschichte erläutert. Daß sies nicht tun, ist
bezeichnend denn: ,Die Kritik macht es sich
mit dem kritischen Kirchenhistoriker Karlheinz Deschner im
allgemeinen leicht, sie schweigt ihn tot (Robert Mächler).
Das Schweigen spricht Bände wie die Reaktion auf
Deschnersche Provokationen schon immer recht vielsagend war. In
ihr gibt sich nichts Geringeres als die Qualität unserer
Toleranzbereitschaft zu erkennen.
Nein, der Totgeschwiegene schweigt nicht, und sein Drang, der
Wirklichkeit ,christlicher Umtriebe seit dem ,Auftakt im
Alten Testament auf die Spur zu kommen, offenbart nicht
zuletzt seinen Glauben an die Wirksamkeit von Literatur, die ein
Abbild der Wahrheit sein soll; Wahrheit als Waffe. Kein
Pessimist, er gibt nicht auf, sucht vielmehr den direkten
Schlagabtausch mit aller Verfälschung, das Christentum
betreffend.
Und damit zur gründlichen Anklage. In Deschners kantigen Sätzen
profiliert sich das Elend ganzer Epochen; Zerstörungen,
Verheerungen, Mördereien bestimmen die Tagesordnung; Geschichte
als Leichenschau; Mord, Hohn und Totschlag, stets in Reichweite
die segnende Kirche, tatverdächtig. Welch ein Anblick! Die
jahrhundertlang tolerierte und verfügte Gräßlichkeit und
Menschenschlächterei, die Wandlung der Christenheit ,von der
Kirche der Pazifisten zur Kirche der Feldpfaffen ist nicht
zu fassen. Doch Karlheinz Deschner reportiert mit der Beherztheit
des Front-Berichterstatters, live, den verheerenden Herrn der
Heerscharen vor Augen, als stünde er mitten im Gemetzel,
in der endlosen Schlacht um den ,Frieden Christi, den wahren
Frieden...
Dieter Fringeli
Die Weltwoche
Zürich, 21. September 1989
Autor:
Karlheinz Deschner, geboren 1924 in Bamberg. Im Krieg Soldat; studierte Jura, Theologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte. Sein Roman Die Nacht steht um mein Haus (1956) erregte Aufsehen, das sich ein Jahr später bei Erscheinen seiner Streitschrift Kitsch, Konvention und Kunst zum Skandal steigerte. Seit 1958 veröffentlicht Deschner seine entlarvenden und provozierenden Geschichtswerke zur Religions- und Kirchenkritik. Der forschende Schriftsteller lebt in Haßfurt am Main. 1988 wurde er mit dem Arno-Schmidt-Preis ausgezeichnet.
Rowohlt ISBN: 3-498-01285-1
Erstellt von Christian Barduhn | Titelliste: Religion | Index | Der Humanist |