Medientipps & mehr... 29. Oktober - 11. November 2000

 

[News - Leserbriefe - Reviews] [E-Mail] [Archiv der Medientipps]

 

 Sonntag, 29. Oktober 00

11.03 Uhr        HR 2     RADIO
Wie sie wurden was sie sind - Zeitgenössische Theologen im Porträt (8) - Dorothee Sölle

Früher umgaben sich Theologen gerne mit dem Nimbus des Höheren. Was sie sagten und schrieben, das stand im Dienst der Wahrheit, war zeitlos gültig. Erst seit wenigen Jahrzehnten wächst die Einsicht, dass auch theologische Erkenntnisse historisch und vor allem biographisch bedingt sind. Persönliche Erfahrungen und individuelle Prägungen sind maßgeblich für einen theologischen Entwurf.   [Zit. aus: www.hr-online.de]    27 min

Dorothee Sölle schrieb etliche Bücher, darunter "Atheistisch an Gott glauben".


20.15 Uhr        3 SAT
Auschwitz und kein Ende (2): Dei Bühne als Gerichtssaal - Die 60er Jahre
Doku. 
 Soeben haben sich die Westdeutschen im Wirtschaftswunder eingerichtet, da holt Auschwitz sie ein - durch zwei Prozesse: 1961 steht Adolf Eichmann in Israel vor Gericht. 'Ich habe viel über Eichmann gelacht', sagt eine Prozessbeobachterin, die jüdische Philosophin Hannah Arendt, und sie schreibt über die Banalität des Bösen.
1962 wird Eichmann hingerichtet; ein Jahr später beginnt der Frankfurter Auschwitz-Prozess. Gerade ist das Erstlingsstück des 32jährigen Rolf Hochhuth uraufgeführt worden: 'Der Stellvertreter' - gemeint ist Papst Pius XII. Der Papst habe zu den massenhaften Judenmorden im Dritten Reich geschwiegen, behauptet Hochhuth und will das durch historische Fakten belegt haben. Der Skandal ist perfekt - ein deutsches Theaterstück löst eine um die ganze Welt gehende Diskussion aus: Was ist eine Moral wert, die sich einem vermeintlichen Realitätsprinzip beugt?
Das Theater reagiert auf die Gerichtsprozesse mit neuen Formen: Peter Weiss' dokumentarisches Stück 'Die Ermittlung' wird zum Politikum. Die Rezeption dieses Stückes zeichnet die Fronten des Kalten Krieges nach. Die Studentenbewegung trägt die Frage nach der deutschen Schuld auf die Straße. Der amerikanische Krieg in Vietnam und dessen Billigung durch die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik erregt einen außerparlamentarischen Protest, der sich auf Auschwitz beruft. So werden die sechziger Jahre zum Jahrzehnt der Schärfung des politischen Gewissens der Deutschen. [Zit. aus: www.wdr.de   45 min


21.00 Uhr        WDR
Keiner will uns haben - Geschichten von Roma in Europa heute
Doku.  
Die Lebenssituation für die Roma-Minderheit in Mittel- und Osteuropa wird seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems vor zehn Jahren immer schwieriger. Sie sehen sich zum Beispiel in Tschechien, aber nicht nur dort, offener und versteckter Diskriminierung ausgesetzt. 75 Prozent ihrer Kinder erhalten keine ausreichende Schulbildung, sondern werden direkt auf Sonderschulen abgeschoben. Der Kreislauf der Benachteiligung setzt sich immer weiter fort. Aber die 'Bösen' sind nicht nur die Tschechen. Kaum ein Land Europas will Roma aufnehmen. Umfragen zeigen, dass Roma überall ungeliebt sind. Eine Umfrage in Hessen vor ein paar Jahren dokumentierte gar, dass 37 Prozent aller Befragten sich dafür aussprachen, alle Roma nach Möglichkeit aus Deutschland 'auszusiedeln'. [Zit. aus: www.wdr.de] 45 min

 

 Montag, 30. Oktober 00

22.45 Uhr        ARTE
Idioten

Sozialdrama, Dänemark 1998. Sie sabbern oder verdrehen die Augen. Mit ihrer gespielten Debilität schocken sie die Umwelt. Der jähzornige Stoffer und seine Freunde wollen mit dem "Behinderten-Experiment" die Toleranz ihrer Mitmenschen testen. Als die Gruppe auseinander zu brechen droht, verlangt Stoffer radikalere Zeichen des Zusammenhalts: Jeder Einzelne soll am Arbeitsplatz oder in der Familie zum Idioten werden. [Zit. aus: TV Today]  100 min

 

 Dienstag, 31. Oktober 00

9.30 Uhr        HR 2     RADIO
Späte Einsicht in eine dunkle Verstrickung - NS-Zwangsarbeiter und die Kirchen
Jahrzehnte wurde darüber hinweg geschaut: Nicht nur Fabriken und Privathaushalte, auch kirchliche Einrichtungen hatten während der Nazizeit Zangsarbeiter beschäftigt. Seit diesem Sommer laufen die Forschungen nach Zwangsarbeitern in der Kirche auf Hochtouren. Namen zu finden und Lebensbedingungen zu rekonstruieren gleicht einem aufregendem Puzzlespiel. Noch aufregender gestaltet sich jedoch die Konfrontation der Kirchen mit der Tatsache, auf ganz alltägliche Weise in Unrecht verstrickt gewesen zu sein. Das Feature fragt, inwiefern die Spezialisten für Schuld und Sühne bereit sind, sich dem Schmerz eigener Verfehlungen auszusetzen. [Zit. aus: HR Hörerinfo]   30 min

Die katholische Kirche in Deutschland stellt fünf Millionen Mark für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern bereit, die in katholischen Einrichtungen arbeiten mussten. Mit weiteren fünf Millionen will sie die Versöhnungsarbeit kirchlicher Organisationen fördern. Am Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft und des Staats beteiligen sich die Katholiken nicht.
Was im Gesetzentwurf zur Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" stehe, treffe "die Situation der Fremdarbeiter in katholischen Einrichtungen keineswegs", so Lehmann. Da heißt es:  "Sklaven- und Zwangsarbeit bedeutete nicht nur das Vorenthalten des gerechten Lohnes. Sie bedeutete Verschleppung, Entrechtung, die brutale Missachtung der Menschenwürde." Recherchen im katholischen Bereich zeigten aber, dass Zwangsarbeiter dort "in den meisten Fällen ordnungsgemäß nach Tarif entlohnt" worden seien, dass sie Kost und Unterkunft erhalten hätten und seelsorgerlich betreut worden seien. "Fälle von Ausbeutung oder zwangsweise zu leistender Schwer- oder Schwerstarbeit sind bisher nicht belegt", sagte Lehmann. [Zit. aus: Frankfurter Rundschau, 30.8.00]

Aus einem Bericht über das kirchlich betriebene Lager für ausländische Zwangsarbeiter für 26 evangelische und zwei katholische Friedhöfe in Berlin: "Die nachstehend genannten fünf Ostarbeiter sind infolge ihres körperlichen Zustands für die zu verrichtenden Arbeiten auf Friedhöfen nicht mehr verwendbar." Sie haben Knochenbrüche, allgemeine Schwäche, Herzerweiterung. "Wir bitten daher um Zuweisung der Genannten an eine entsprechende Sammelstelle, da diese nur im Lager liegen und die Plätze für arbeitsfähige Männer wegnehmen." Es grüßt mit "Heil Hitler" der Lagerführer Gustav Wenger. [Zit. aus: Süddeutsche Zeitung, 14.7.00]

Jeder weiß mittlerweile, was unter der "entsprechenden Sammelstelle" für Ausgemusterte gemeint ist...


20.15 Uhr        WDR
Was Tiere fühlen und denken (1) - Intelligenz
Reportage. 
Intelligenz, Gefühle und Bewusstsein galten lange Zeit als einzigartige Kennzeichen des Menschen. Allmählich hat jedoch ein Umdenken eingesetzt. Denn viele Beobachtungen zeigen, dass auch manche Tiere intelligente, empfindende Lebewesen mit der Fähigkeit zu planvollem Handeln sind.    45 min


20.45 Uhr        ARTE
Choice 2000 - Die Qual der Wahl in den USA
Doku.  
Auf den ersten Blick weisen die beiden Präsidentschaftskandidaten George W. Bush und Al Gore überraschend viele Ähnlichkeiten auf. Beide sind der erste Sohn der Familie und tragen den Namen des berühmten Vaters: der eine ein Kriegsheld und ehemaliger US-Präsident, der andere ein langjähriger US-Senator. Beide besuchten ein Elite-College, dienten in der Armee und profitieren vom politischen Erfolg des Vaters. Beide, so scheint es, sind für die Präsidentschaft geboren.
Neben diesen Parallelen gibt es jedoch auffällige Unterschiede. 'Choice 2000' stellt die Lebenswege beider vor dem Hintergrund der US-Politik der letzten 50 Jahre gegenüber. Über die Lebensgeschichte zweier Männer hinaus zeichnet 'Choice 2000' ein Porträt des aktuellen Amerika. [Zit. aus: www.wdr.de]   120 min

Politische Experten in Washington haben die religiösen Äußerungen von US-Senator Joseph Lieberman, schon bevor er auf dem Parteitag der Demokraten in Los Angeles zum amerikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten nominiert wurde, als «Spiel mit dem Feuer» bezeichnet. Als Lieberman auf einer Wahlveranstaltung für «eine wichtigere Rolle der Religion im öffentlichen Leben» plädierte, geriet er unverhofft ins Kreuzfeuer der Kritik. Das verwunderte nicht sonderlich in einem Land, das wie kaum ein zweites auf Trennung von Staat und Religion besteht. [...] Liebermann musste erkennen, dass seine Wortwahl, wonach der «Verfall der moralischen Werte, besonders in der Pop-Kultur, durch eine Stärkung der Religion» aufgehalten werden müsse, nicht ganz glücklich und für viele Bürger beleidigend war. So wehrten sich eine ganze Reihe von Bürgerrechtsorganisationen, die darauf hinwiesen, dass es sehr viele Menschen mit einem strengen ethischen Verständnis und einer hohen Moral gebe, die in keiner Weise religiös seien und das eine nicht mit dem anderen gekoppelt werden dürfe.

Joseph Lieberman, an dessen tiefer Gläubigkeit [er ist Jude] es nicht den geringsten Zweifel gibt, kann sicher sein, trotz Kritik die Mehrheit der Amerikaner hinter sich zu haben, wenn er auf Gott zu sprechen kommt. Er kann es sich als einziger der Kandidaten auch erlauben zu sagen: «Wir leben im religiösesten Land der Welt und es macht keinen Sinn, das verheimlichen zu wollen.» Die Demokraten lassen ihn gewähren und deren Präsidentschaftsanwärter Al Gore lässt sich keine klare Stellungnahme zu den religiösen Aktivitäten seines Vize entlocken. Gores religiöses Credo besteht nach seinem eigenen Bekunden nur aus vier Buchstaben: «WWJD». Die Abkürzung steht für «What would Jesus do?» [Zit. aus: Berliner Morgenpost, 4.9.00]


22.15 Uhr        PRO 7
Das Kondom des Grauens
Komödie
, Deutschland 1996. Penisangst im New Yorker Rotlicht- und Schwulenbezirk: Ein mysteriöser Serientäter beißt den Freiern im Stundenhotel Quickie reihenweise ihr bestes Teil ab. Ein Fall für den schwulen Inspektor Luigi Mackeroni. Seine Ermittlungen im Bordell des Grauens kosten ihn zwar einen Hoden, doch nun weiß er, dass Killer-Kondome hinter den Kastrationsattacken stehen. Keiner glaubt ihm, bis er in einem furiosen Showdown eines der mutierten Gummis zur Strecke bringt. Bald kommt die Polizei einer gigantischen Verschwörung auf die Schliche. - Mit einer Verkaufszahl von 3,5 Millionen ist das "Kondom des Grauens" bislang das erfolgreichste Werk der Ralf-König-Comics.    99/125 min

Der Humanist berichtete über Zensur bei Ralf-König-Comics. Kultur: News: 24. November 1999 · Comic-Zensurprozeß in Neuauflage

 

 Mittwoch, 1. November 00

17.40 Uhr        3 SAT
Überleben in Belfast - Drei Frauen in einer nordirischen Familie
Doku.  
Der Film porträtiert drei Frauen in einer katholischen Familie in Belfast: die Großmutter, ihre Tochter und die Enkelin. Die drei Frauen wohnen mit ihren Familien nahe beieinander im katholischen Teil von Ardoyne. Dieses kleine katholische Arbeiterviertel, rundum eingeschlossen von protestantischen Wohngebieten, ist einer der Brennpunkte der 'Troubles', des seit Jahrzehnten währenden Bürgerkriegs in Nordirland, gewesen. 80 min


18.05 Uhr        ZDF
Im Zeichen des Löwenthrons - Das verborgene Reich des Dalai Lama
Doku. 
Im fernen Himalaja liegt eine Welt voller Rätsel. Seit Jahrhunderten geht die Sage von einem geheimen Weltenzentrum, verborgen hinter riesigen Barrieren aus Fels und Schnee. Ein traumhaftes Reich voller Friedlichkeit und ohne Not - mit glücklichen Menschen, regiert von einem Heil bringenden König, der wie eine Gottheit die Geschicke der Menschen lenkt.  Noch heute glauben viele Sinnsuchende, mit Shambhala oder Shangri-La sei Tibet gemeint, und der Heil bringende König sei kein anderer als der Dalai Lama, buddhistischer Religions-Führer der Tibeter und ihr politisches Oberhaupt zugleich, König des Löwenthrons. Für tibetische Buddhisten ist der Dalai Lama Mensch gewordene Gottheit auf Erden, größte Hoffnung und Zuversicht für alle, die nach Erleuchtung und Erlösung aus dem irdischen Leiden, nach dem Nirwana suchen.  Das Interesse an Buddhismus und besonders an der Person des Dalai Lama ist auch im Westen gewachsen und steigert sich nicht selten bis zur Euphorie. "Meiner Überzeugung nach ist es gesünder und mit weniger Problemen verbunden, wenn die Menschen im Westen weiter ihrer angestammten religiösen Tradition folgen", warnt der Dalai Lama, fügt allerdings hinzu: "Aber es ist auch ganz natürlich, dass es unter den Millionen und Abermillionen von Menschen gewiss einige gibt, bei denen die Religion ihrer Eltern nicht mehr wirkt. Wenn eine andere Tradition wie der Buddhismus den persönlichen Veranlagungen und Neigungen dieser Menschen entgegenkommt, ist es richtig, dass wir ihnen helfen, diese Lehre kennen zu lernen und anwenden zu können." Einschränkend ergänzt er: "Aber wir müssen vorsichtig sein. Im Westen gibt es eine ganze Reihe von New Age-Bewegungen, in denen die Tendenz besteht, sich etwas hieraus und daraus zu nehmen, und wenn man nach den Quellen fragt, dann hört man von den Anhängern, dass sie sich ihre Praxis mehr oder weniger selbst geschaffen haben." [Zit. aus: www.zdf.de]   45 min

“Opium für’s Volk jetzt auch bei der SPD”. Dieser Schriftzug klebte über Plakaten zu einer Veranstaltung der SPD mit dem Dalai Lama. Die MIZ 02/2000 berichtete.


19.00 Uhr        ARTE
Wie aus Affen Menschen wurden (4): Exodus
Doku.  
Von welcher Zeit an lebte der Moderne Mensch, der 'homo sapiens sapiens', auf der Welt? Fast 100 Jahre lang glaubten Wissenschaftler, die Anfänge des Modernen Menschen lägen in Europa - hier hätten sich unsere unmittelbaren Vorfahren vor rund 10.000 Jahren entwickelt. Von den 70er Jahren an versuchten Forscher, diese Theorie zu widerlegen und Beweise für ein früheres Aufkommen der ersten Modernen Menschen zu finden. Schließlich entdeckte man wesentlich ältere Überreste des Modernen Menschen und seiner Kultur.   45 min


21.00 Uhr        ZDF
Holokaust (3) - Ghetto

Doku. Mit Aussagen von Opfern wie Tätern dokumentiert der Film die ganze Tragweite von Hitlers Vernichtungsbefehl für die betroffenen Menschen. In bislang noch nie gezeigtem Umfang erhält das Leid der Deportierten und Internierten nicht nur Stimme, sondern auch Gesicht. Trotz Zensur und Propaganda wurde der Schicksalsweg der Juden in die Ghettos des Ostens weitaus umfangreicher im Film festgehalten, als bisher angenommen. In einer weltweiten Suchaktion förderten die Autoren Filmrollen zu Tage, die die Verschleppung von Juden aus deutschen Städten wie Nürnberg, Dresden, Magdeburg, Stuttgart sowie das Elend der Ghettos von Warschau, Lodz, Krakau und anderen Städten erschütternd dokumentieren. [Zit. aus: www.zdf.de]    45 min


22.00 Uhr        WDR
Schande

TV-Drama nach Burkhard Driest. Deutschland 1999. Eine Welt bricht zusammen für die Lehrerin Claudia Melzer: Die Spuren in der Unterwäsche ihrer Tochter Bénice lassen Böses ahnen: Die 12-jährige hatte sexuellen Verkehr. Auf Fragen reagiert sie mit Schweigen. Für die Mutter steht fest, wen Bénice beschützen will: den eigenen Vater. Die Familie ist zerbrochen, die Scheidung läuft - Claudia will ihren Ex-Mann verurteilt wissen. Von einer Klage kann niemand sie abhalten. Nicht die Polizeitherapeutin, die vor den Folgen einer Verhandlung warnt. Und nicht ihr Lebensgefährte Josch, der sich so rührend um Kind und Haushalt kümmert. Für Bénice beginnt vor Gericht eine zweite Zeit des Leidens: Endlose Verhöre und Anwürfe verletzen sie noch mehr.   90 min

Sexueller Missbrauch ist ein beliebtes Thema von TV-Movies – nicht immer nur, um aufzuklären. Abscheu fesselt den Zuschauer. An diesem Mittwoch sendet die ARD unter dem Titel „Schande“ (Buch: Burkhard Driest, Regie: Claudia Prietzel) einen besonders harten Missbrauchsfilm: die Geschichte der 13jährigen Bénice, die vom Lebenspartner ihrer nichtsahnenden Mutter mißbraucht wird. Die neue Dimension an „Schande“ ist der erbarmungslose Schluss: Der Zuschauer sieht, wie Bénice Selbstmord begeht und sich vom Balkon auf die Straße stürzt. Der brutale Fall markiert, zumindest im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, einen Einschnitt. Als Hans W. Geissendörfer, der Vater der Serie „Lindenstraße“, vor Jahren den Selbstmord eines Waisenkindes zeigen wollte, brachten ihn die Verantwortlichen des WDR davon ab: Der Suizid könne zu Nachahmungstaten führen. Geissendörfer änderte die Drehbücher. Heute gelten solche Bedenken offenbar nichts mehr: Der Grund dafür ist nicht etwa eine bessere Kenntnis darüber, ob das Fernsehen labile Menschen zu Nachahmungstaten animiert. Ursache ist die Verschärfung der Lage auf dem Aufmerksamkeitsmarkt Fernsehen: Die Macher glauben, nur mit Tragik pur lasse sich der Zuschauer fesseln, nicht mit „falscher Versöhnung“ (WDR-Programmtext).
So ergibt sich „Schande“ dem Pathos des Unheils, nichts kann das Schicksal stoppen. Das strafft die Dramaturgie, das betäubt Nachdenken über Auswege. Alle Energien verschwenden die Bilder, um zu zeigen, wie der Schuft sein Opfer mit Cocktailkleid und Sekt in der Badewanne als Sexualobjekt zurichtet. Und selbst, als das Mädchen in den Tod stürzt, springt die Kamera neugierig hinterher. Kein Wort über Therapiemöglichkeiten, aber die Quote wird stimmen. Den Verantwortlichen ist allerdings nicht wohl: Hinterher gibt es eine Diskussion. (DER SPIEGEL 14/1999)

Allein an registrierten Fällen sexuellen Mißbrauchs von Kindern gibt es hierzulande jedes Jahr bis zu 16.000 Opfer zu beklagen. Fernsehfilme zum Thema gibt es zuhauf: ANGST (D, 1994) von Bernd Schadewald, Carlo Rolas DER STILLE HERR GENARDY (D, 1996) oder Lothar Bellags EIN VATER SIEHT ROT (D, 1997), um nur drei zu nennen. Ein Film hat in erster Linie keine Verantwortung gegenüber einer pädagogischen Verwertbarkeit (obwohl Fernsehfilme hier über keine große Freiheit verfügen und durch Sendervorgaben bzw. -auflagen in ihrer Darstellung beschränkt werden). Das Medium Film muss das Leben spiegeln, auch wenn es ausweglos erscheint. Das vom SPIEGEL geforderte Aufzeigen von Therapiemöglichkeiten ist reine Heuchelei, weil es für einen gewissen Prozentsatz der 16.000 Opfer jährlich diesen Ausweg nicht gibt, von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. Die schwierige Aufgabe von SCHANDE wird es sein, den (Leidens-)Weg der 13-jährigen Bénice bis zur Entscheidung für ihren Freitod nachvollziehbar zu machen. Ob Claudia Prietzels Film dies bewerkstelligen kann, wird sich nach der Ausstrahlung am Mittwoch klären. (Christian Barduhn)


22.35 Uhr        3 SAT
Medea

Tragödie, Italien/Frankreich/BRD 1969. "Es geht um den Konflikt zwischen der alten Religion und der atheistischen modernen Welt", sagt der Regisseur Pier Paolo Pasolini über seinen Film. Zum Inhalt: Bevor Jason Thronfolger wird, muss er seinem Onkel das Goldene Vlies bringen. Dies bewahrt Aietes, der König der Kolchier, in einem Tempel auf. Hier trifft Jason auf die Hohepriesterin Medea und heiratet sie. Als er sie wegen einer anderen Frau verlässt, sinnt Medea auf Rache. [Zit. aus: TV Today]    105 min

 

 Donnerstag, 2. November 00

22.15 Uhr        SWR
Der veruntreute Himmel
Drama
, BRD 1958. Nach ihrem Tod will die Köchin Teta Linek unbedingt in den Himmel kommen. Um den lieben Gott gnädig zu stimmen, finanziert sie ihrem Neffen Mojmir das Theologiestudium. Die fromme Tante spart sich jeden Pfennig vom Munde ab. Als sie den vermeintlichen Priester nach Jahren besucht, stellt sich heraus, dass der sie belogen hat und ein liederliches Leben führt.    100 min

 

 Samstag, 4. November 00

22.30 Uhr        HR
Dieses Land ist mein Land
Biografie
, USA 1976. Die USA zur Zeit der großen Depression: Weil er im Provinznest Pampa in Texas nicht mal mehr Butter aufs Brot bekommt, macht sich Schildermaler Woody Guthrie 1936 auf den Weg nach Kalifornien. Unterwegs sieht er die Not entwurzelter Menschen und teilt das Leben der Tramps, die aus Güterzügen geprügelt werden. Nach erfolgloser Jobsuche begegnet er dem singenden Agitator Ozark,, der in seinen Liedern dazu aufruft, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Das inspiriert ihn, selbst zur Gitarre zu greifen. [Zit. aus: TV Today]   140 min


23.20 Uhr        BR
Nixon - Der Untergang eines Präsidenten
Politdrama
, USA 1995. Am 17. Juni 1972 wird eine Gruppe Männer beim Einbruch in ein Hotel in Washington gefasst. Sie hatten vor, im Wahlkampfbüro der Demokraten Abhörgeräte anzubringen. Mit der Watergate-Affäre beginnend, beleuchtet der Film Stationen im Leben des Republikaners Richard Nixon, u.a. seine Jugend, seine Rolle im Vietnamkrieg, die Treffen mit Mao und Breschnew. Nixon trat im August 1974 zurück. Er starb 1994 und erhielt ein Staatsbegräbnis. - Lehrstück über den Verfall politischer Moral. [Quelle: TV Today]   185 min

 

 Sonntag, 5. November 00

17.30 Uhr        ARD
Mörder und Moralapostel - Todesstrafe im US-Wahlkampf
Reportage.
In keinem anderen amerikanischen Bundesstaat ist die Todesstrafe so populär wie in Texas.
Dort wird derzeit alle drei Wochen ein Mensch exekutiert - mit tatkräftiger Unterstützung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush, dem Gouverneur von Texas, dessen Votum ganz der Volkesmeinung entspricht. Mehr als 70 Prozent aller Texaner, so ergab jüngst eine Umfrage, sind Anhänger der Todesstrafe. Die meisten von ihnen bezeichnen sich selber als Christen. Auch im US-Staat mit den großen Ölreserven gehört der sonntägliche Kirchgang zum guten Ton. Und fundamentalistische Organisationen wie 'Probe', die mit Zitaten aus dem Alten Testament die texanische Hinrichtungsmaschinerie rechtfertigen, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, obwohl es auch gewichtige Gegenstimmen gibt, etwa vom katholischen Bischof Fiorenza.
Ein Team des Westdeutschen Rundfunks hat sich in den Tagen des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs unter texanischen Christen umgeschaut, die, auf der einen Seite vehement gegen die Abtreibung Position beziehen, auf der anderen Seite das Töten im Namen des Staates bejubeln. Wenn in Huntsville, dem berüchtigten Hinrichtungsgefängnis bei Houston, wieder einmal ein Mensch sterben muss, wird ein makabres Stück in Szene gesetzt: Christen demonstrieren für die Todesstrafe. [Zit. aus: www.wdr.de]   30 min


19.30 Uhr        ZDF
Die Mumie des Ketzers
Sphinx.
"Der dem Aton wohlgefällig ist" heißt Echnaton über setzt. Zusammen mit seiner Gattin Nofretete erklärte der ägyptische Pharao im 14. Jh. v. Chr. die Sonne (Aton) zum einzigen Gott und die alten Götter für abgeschafft. Für viele Ägypter damals ein ungeheuerlicher Frevel. Hängt es damit zusammen, dass die Mumie des Pharaos, Symbol seiner Unsterblichkeit, bis heute verschollen ist?   45 min

Buchtipp: Jan Assmann, Moses der Ägypter


2.40 Uhr        RTL 2
Vermißt

Politthriller, USA 1981. Der US-Journalist Charles Horman und seine Frau Beth geraten 1973 in Chile in die Unruhen des Pinochet-Putsches. Als Charles verschwindet, bittet Beth seinen Vater um Hilfe. Bei Nachforschungen finden die beiden heraus, dass die USA in den Umsturz verstrickt sind. - Nach einem wahren Fall.   135 min

 

 Montag, 6. November 00

14.30 Uhr        BR
Algen, Echsen und Primaten - Stammesgeschichte und Evolution
Report.  
Ein Kamerateam beobachtet Schüler bei Solnhofen in der Fränkischen Alb auf der Suche nach der Vergangenheit. Hier hat man in den Steinbrüchen schon mehrfach Versteinerungen gefunden, z. B. Ammoniten. Die wohl berühmteste Ablagerung aus dieser Zeit ist im Museum aufbewahrt: der Archaeopteryx. Dieser Urvogel lebte vermutlich hier in der Umgebung in der Nähe einer Meeresbucht, er ist eine Übergangsform zwischen den Kriechtieren und den Vögeln.   30 min


20.15 Uhr        RTL 2
Der Sinn des Lebens
Kultkomödie
. Eine Horde wild gewordener Angestellter meutert. Die Bürosklaven überwältigen die Bosse und segeln mit dem gekaperten Bankhaus aus der Londoner City davon, um - von der Erde zu fallen. Die ist nämlich doch eine Scheibe. - Bei John Cleese & Co. bleibt kein Geheimnis ungelüftet.     125   min   


21.20 Uhr        BR
Auf der Suche nach dem Sinn - Esoterik zwischen Sinn und Kommerz
Familienzeit.    20 min

Am anschließenden Expertentelephon ist Wolfgang Hund von der GWUP beteiligt.


22.25 Uhr        3 SAT
Der mühsame Weg zu mir selbst - Carola Stern
Porträt.
Als Teenager ließ sie sich vom Nationalsozialismus blenden. Nach 1945 wandelte sie sich zur strammen SED-Kommunistin. Dann, im Westen, wurde Carola Stern zu einer engagierten Streiterin für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Als Journalistin, als Buchautorin und als Gründerin der deutschen Sektion von Amnesty International gehört sie nun sein fast fünf Jahrzehnten zu den wichtigsten öffentlichen Stimmen in Deutschland.    45 min

 

 Dienstag, 7. November 00

20.15 Uhr        ZDF
Holocaust (4) - Mordfabrik
Doku.
Tod durch Arbeit, durch Erfrieren oder durch Erschießen - all diese Mordmittel wurden den Vollstreckern zu mühsam. Deshalb fand Anfang September '41 ein grausamer Test statt: Zum ersten Mal wurde ein Mensch mit dem Blausäurepräparat "Zyklon B" ermordet. Die so genannte "Endlösung der Judenfrage" - mit tödlicher Präzision wurde sie ab Ende März '42 in Auschwitz umgesetzt. Auschwitz war die Todesfabrik des Hitler-Reichs, Symbol für millionenfachen Mord nach Plan - mechanisch, systematisch, gründlich. Fortlaufend steigerte die Mordfabrik ihre Effektivität: Ab Mitte '43 konnten täglich zwischen 5000 und 8000 Menschen umgebracht und in den 52 Brennstellen der 15 installierten Öfen verbrannt werden. Der dicke, schwarze Qualm wurde zum grausigen "Wahrzeichen" des zentralen "Menschenschlachthofs". Was wussten wir von Gaskammern. Der Massenmord - als verstohlenes Gerücht begann er schon bald im "Altreich" zu kursieren. Was aber wussten die Deutschen wirklich? Was die Alliierten, was der Papst? Hätte das Martyrium der Opfer beendet werden können? [Zit. aus: www.zdf.de]   45 min


20.15 Uhr        WDR
Wie Tiere fühlen und denken (2) - Gefühle
Doku.
Werden Tiere allein durch ihren Instinkt gesteuert? Können sie wie die Menschen ihre Handlungen reflektieren?    45 min

 

 Mittwoch, 8. November 00

20.30 Uhr        ARD
Enthüllung einer Ehe
Drama
, Deutschland 2000. Es beginnt mit einem Lippenstift, den Jana in der Tasche ihres Mannes Roman findet. Janas Verdacht, dass Roman etwas verbirgt, bestätigt sich. Allerdings anders als sie denkt: Roman ist transsexuell. Seit langem will der Familienvater hinaus aus seinem Körper, will eine Frau werden. Die Zeit nach dem "Outing" kostet Kraft.     90 min

Transsexualität ist das Bewusstsein, dem anderen Geschlecht anzugehören. Mit Hormonbehandlung und Operation kann ein Transsexueller zum anderen Geschlecht "wechseln". Voraus geht ein Alltagstest, in dem die neue Rolle "ausprobiert" wird. Das Transsexuellengesetz von 1980 regelt juristisch die Festlegung von Name und Geschlecht.

Surftipp: www.transsexuell.de/start.html

 Donnerstag, 9. November 00

20.45 Uhr        ARTE
Das ist nicht mein Krieg - Deserteure
Themenabend.
Mehr als 50 Jahren mussten Wehrmachtssoldaten, die während der NS-Zeit wegen Fahnenflucht verurteilt worden sind, auf ihre Rehabilitation warten. Erst 1998 verabschiedete der Bundestag ein entsprechendes Gesetz.  235 min


23.10 Uhr        3 SAT
Progrom - Besprechung der Judenfrage"
Theater.
"Rasche Maßnahmen zur Arisierung der Wirtschaft" sollten Thema der Besprechung sein, zu der Hermann Göring 14 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik am 12. November 1939 zusammenkommen ließ. Nun begann am grünen Tisch ein Geschacher um das Eigentum der Juden. Das Protokoll der Konferenz bildet die Grundlage für das Theaterstück.     60 min

 

 Samstag, 11. November 00

20.00 Uhr        ARTE
Geopolitik der Christenheit (1)
Mit offenen Karten.  
Das Christentum blickt nunmehr auf eine 2000jährige Geschichte zurück. Im Lichte jüngerer Untersuchungen über die ersten Jahrhunderte dieser Religion und deren Ausbreitung vom Entstehungsgebiet im Mittleren Orient aus sind dazu angetan, die im Okzident geläufigen Auffassungen dieser Geschichte zu verändern. [Zit. aus: www.wdr.de]   15 min


23.05 Uhr        DLF   RADIO
Wie die Macht schmeckt.
Lange Nacht
von Verantwortung und Verführung. Macht sei das bestimmende Element der Politik, schrieb Niccolo Machiavelli vor über einem halben Jahrtausend in seinem Traktat "Il Principe"; und mit dieser apodiktischen Feststellung wurde er zu einem Wegbereiter künftiger Auffassungen. Tatsächlich ist Macht für die moderne Staats- und Soziallehre die Voraussetzung für jedes gesellschaftliche Zusammenleben. Aber Macht sei ihrem Wesen nach böse, wandte Jakob Burckhardt ein. Und sie "schmeckt", ergänzte der slowakische Schriftsteller Ladiv Mnacko mit seinem Roman über den Aufstieg eines Revolutionärs zum Staatsmann. Von der Arroganz der Macht war schließlich mit Blick auf die Präsidentschaft Richard Nixons in den USA die Rede. Die Lange Nacht handelt von der Notwendigkeit der Macht ebenso wie von den Mitteln zur Machtausübung, von den Grenzen der Macht wie von ihrem Wesen, von den ihr innewohnenden Verführungen wie von der sinnlichen Lust, Mächtigen nahe zu sein. [Zit. aus: www.dlf.de]     175 min


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Heike Jackler