Zur Situation der lohnabhängig Beschäftigten im Dienste des „HERRN" führten wir ein Interview mit Volker Euskirchen, Gewerkschaftsekretär der ÖTV, Kreisverband Celle.

GDS:„Herr Euskirchen, Ihre Gewerkschaft ist unter anderen zuständig für die Beschäftigten in Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten u.s.w... Bei öffentlichen und gemeinnützigen Unternehmen mit einer weltlichen Grundeinstellung haben Sie in der Regel keine Schwierigkeiten, als Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Wie verhält es sich bei den klerikalen Konzernen?"

Herr Euskirchen:„Zunächst muß unterschieden werden zwischen der individuellen und kollektiven Vertretung.Wenn ich ein ÖTV-Mitglied, das bei der Kirche beschäftigt ist, individuell vertreten will, geht es nur , wenn sich der Verhandlungspartner oder Gegenüber darauf einläßt. Sobald der „Gegenüber" sagt, daß die Gewerkschaft ÖTV außen vor bleiben soll, muß sich das Mitglied alleine vertreten. Anders ist das bei der kollektiven Vertreung, die wir bei den Tarifverträgen haben.Sie gibt es im kirchlichen Bereich aufgrund des besonderen Rechtes, des sogenannten III. Weges nicht. Über die Arbeitsbedingungen verhandeln die Arbeitsrechtlichen Kommissionen. In diese werden Vertreter der Beschäftigten und der Arbeitgeber entsandt.

GDS:„ Bei kirchlichen Tendenzbetrieben gibt es die sogenannten „Mitarbeitervertretungen", die die Rechte der Beschäftigten wahrnehmen sollen. Was unterscheidet sie von normalen Betriebsräten?"

Herr Euskirchen:„Das Mitarbeitervertretungsgesetz ist im Gegensatz zum Betriebsverfassungsgesetz kein Bundesgesetz, sondern wird von kirchlichen Instituitionen und den landeskirchen verabschiedet. Fast jede Landeskirche kocht ihr eigenes Süppchen. Ich habe im Bereich Celle allein mit fünf verschiedenen Mitarbeitervertretungsgesetzen zu tun. Die Mitarbeitervertretungen haben nicht die gleichen Durchsetzungsmöglichkeiten wie die Betriebsräte. Dies können vor´s Arbeitsgericht gehen. Den MAVs bleiben nur innerkirchliche Schiedsstellen. Nach unserer Erfahrung ist es einfacher über Arbeitsgerichte eine Lösung zu finden."

GDS:„Ein Kirchenaustritt oder ein nicht kirchenkonformes Verhalten führt heute nicht mehr automatisch zur Kündigung wie noch vor wenigen Jahren. Sind die Kirchen toleranter geworden oder ihre Mittel nur subtiler?"

Herr Euskirchen:„Man muß sich jeden Einzelfall ansehen. Es gibt sicher sehr tolerante kirchliche Arbeitgeber. Es gibt aber auch Jene, deren Methoden Sie als subtil bezeichnen. Beides ist bei uns anzutreffen. Die Arbeitgeber,die die subtilen Methoden anwenden, sind schlau genug, ihre wahren Beweggründe nicht öffentlich zu sagen. Es werden andere Gründe vorgeschoben. Es fängt damit an, das Mitarbeitern gesagt wird, sie würden nicht ins Team passen. Doch der eigentliche Kündigungsgrund ist beispielsweise das fehlende unentgeltliche, ehrenamtliche Engagement neben der bezahlten Arbeit."

GDS:„Was erwartetet die ÖTV zukünftig vom Verhandlungsgegner Kirche?"

Herr Euskichen:„Die ÖTV erwartet einen Verhandlungspartner!"

„Herr Euskirchen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch."

.

© 1997 Thomas Schulz