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Vor neun Jahren wurde in Albanien das Religionsverbot aufgehoben und nicht nur die katholische Kirche hat den Hang zur Ausweitung ihres Glaubens. Auch die Moslems wollen das ehemals religionsfreie Land beackern. Seit einigen Jahren missionieren bei den Albanern islamische Geistliche aus Irak, Iran und Saudi-Arabien. Entsprechend wächst bei den Behörden die Furcht vor religiösem Terror der Fundamentalisten.
Ein islamischer Geistlicher aus dem Irak, der es mit der Mission zu weit trieb, wurde nun ausgewiesen. Statt Frieden zu predigen, säte der 39-jährige in Südalbanien Hass zwischen Moslems und den dort ansässigen 40 Prozent Christen. (H. J.)
[Quelle: dpa, 26.05.99]
Der Papst besucht mal wieder seine Heimat und ganz Polen dreht durch. Alles muss schöner, besser, größer sein. Für Papa Woityla ist nichts zu teuer und nichts zu kitschig. Die Städte, die das Rennen um eine Stippvisite des katholischen Oberhauptes gewonnen haben, versuchen sich gegenseitig mit monumentalen Bauten und Projekten zu überbieten.
In Elbin wurde eigens für den Papst auf dem Flughafen ein sieben Meter hoher Hügel aufgeschüttet. In Bydgoszcz wurde ein 32,5 Meter hoher Altar errichtet. Der Papst sitzt dort in sechs Meter Höhe zwischen einer Kopie des Sarges eines Heiligen und des nachgebauten Portals einer Kathedrale. Wie romantisch.
Was die anderen können, können wir schon lange, dachten die Bürger von Pelplin und stellten für den hohen Besuch ein 33 Meter hohes Kreuz auf, das in 20 Meter Höhe von zwei Schwänen gesichert wird. Die 33 Meter sollen übrigens auf das Alter von Jesus hinweisen. Ist doch klar, oder? Ach ja, und der päpstliche Thron steht vor einer riesigen Hostie mit zehn Meter Durchmesser. Die 60 Meter lange Treppe, auf die der Papst zum Altar wandelt, ist umkränzt von künstlichen Wasserfällen. Ist in Polen der Wahnsinn ausgebrochen?
Wer sich solche Art der Verehrung nicht leisten kann, ließ sich etwas anderes einfallen, um den Papst Johannes Paul II. zu beglücken. Der Ort Elk brachte „nur” 1,7 Millionen Mark auf. Dafür haben sie aber beschlossen, Empfängnisverhütungsmittel und künstliche Befruchtung zu verurteilen. Und in der Stadt Danzig ist während der Visite jede Plakatwerbung für Damenunterwäsche oder Strümpfe verboten - man gönnt dem Papst auch gar nichts.
Vereinzelt wagt mal ein Stadtrat auf die übertriebenen Kosten für das Spektakel hinzuweisen. Aber dann wird er ganz schnell von Regierung, Opposition und Kirche zurückgepfiffen. JP Two for ever! (H. J.)
[Stuttgarter Nachrichten, 06.06.99]
Von Zeit zu Zeit steht die Geldgier der einen im Widerspruch zum religiösen Fundamentalismus der anderen: US-Fernsehprediger Pat Robertsons geplanter 50-Millionen-Dollar-Deal mit der Bank of Scotland, der darauf abzielte, mittels einer neu zu schaffenden "Bank Direct USA" den fanatischen Anhängern Robertsons finanzielle Dienstleistungen anzubieten, scheint vorerst gescheitert. Grund sind Robertsons Äußerungen im Mai dieses Jahres: "In Europa ist das Schlagwort Nummer eins Toleranz. Homosexuelle sind ganz oben in den Medien ... Es ist kaum zu glauben, wie stark die Schwulen in Schottland sind. Es ist einfach unglaublich. Der Mangel an Glaubenstiefe in einem Land mit einer christlichen Geschichte wie Schottland ist erschreckend." Die BOS sah in dem Deal eine reelle Chance, einen Fuß auf den US-Markt zu bekommen - über die riesige Schäfchendatenbank Robertsons. (Das wäre natürlich eine eklatante Verletzung des Datenschutzes durch eine angeblich nicht-profitorientierte Religionsgemeinschaft.) Nachdem die Pläne für den Deal bekannt wurden, sanken die Aktien der Bank of Scotland, und prominente Kunden stiegen aus Protest gegen Robertsons diskriminierende Äußerungen aus. Um weitere Verluste zu verhindern, wollte BOS-Vorstand Peter Burt nach BBC-Berichten am Freitag den Deal in einem persönlichen Treffen für geplatzt erklären. In den meisten Fällen allerdings vertragen sich Glaubens- und Finanzkapital ganz wunderbar. Für weitere Schlagzeilen sorgte Robertson nämlich mit einem Abbau-Abkommen zwischen seiner Freedom Gold Ltd. und Liberias Präsident Charles Taylor, von Menschenrechtsorganisationen wegen seines blutigen Regimes verurteilt. Freedom Gold-Sprecher Joseph Matthews sagte, Robertson wolle damit dem krisengeschüttelten Land wirtschaftlich wieder auf die Beine helfen. Das ist christliche Nächstenliebe in Reinkultur. (EMÖ)
[Quellen: American Atheists Newsletter vom 4.6.99, CNN-Bericht vom 2.6.99.]
Diese Erfahrung mußte auch ein spanischer Bischof aus Leon machen. Seine aufgebrachten Schäfchen verabschiedeten sich von ihm nach dem Kirchgang mit Buhrufen und faulen Eiern. Sie beschimpften ihn als „Lebemann“, „Pharisäer“, „Diktator“ und „Antichristen“.
Hintergrund dieser Wut war der Neubau einer Kirche und der Rücktritt des Gemeindepfarrers Juan Fernandez. Er zog sich von seinem Amt zurück, nachdem es Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Nutzung des alten Gebäudes gegeben hat. Der Pfarrer wollte das Gemeindehaus der alten Kirche für soziale Zwecke nutzen. Dem Bischof dagegen war mehr am Wohle der klerikalen Finanzen gelegen und hat die Räume an eine Supermarktkette vermietet.
Bleibt nur zu hoffen, daß sich die zornigen Gläubigen mal intensiver mit dem Finanzgebaren ihrer geistlichen Obrigkeit auseinandersetzen und die richtigen Schlüsse ziehen.... (T.S.)
[Quelle: WAZ, 23.03.1999]
Angeblich entscheidet genetisches Erbe darüber, ob Menschen religiös sind oder nicht. Zwillingsstudien sollen zeigen, dass Religion scheinbar in den Genen verankert ist. Unser genetisches Erbe soll für den Glauben ebenso wichtig sein wie Umwelteinflüsse. War nun die "Liebe zum Nächsten" zuerst da, oder die (daraus resultieren, christlichen) Religionen? (H.F.)
Begründung: Um die Zusammenarbeit innerhalb eines Stammes zu fördern, war Nächstenliebe für unsere Vorfahren sehr nützlich. Sie baute Konfliktpotentiale ab – wichtige Punkte im menschlichen Überlebenskampf. [Quelle: Illustre Wissenschaft, Ausgabe 06/1999]
Nun wollen auch die evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen beim verdienenden konfessionslosen Ehepartner eines Kirchenmitgliedes den Geldbeutel aufhalten. (Das gilt auch, falls der verdienende Partner einer Weltanschauungsgemeinschaft angehört, die ihre Beiträge nicht als Steuern vom Staat eintreiben lässt.) Das sogenannte „Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe” soll zum 1. Januar 2000 eingeführt werden. Grundlage der Berechnung für das Kirchgeld soll der Anteil am Familieneinkommen sein, das dem nichtverdienenden Partner zusteht. Dagegen wird das alleinverdienende Kirchenmitglied selbstverständlich nicht entlastet, falls Ehepartner und Kinder ausgetreten sind, d.h. der Verdiener und Kirchensteuerzahler das einzige die Kirche nutzende Familienmitglied ist. Dort wird weiterhin der volle Beitrag vom Lohn kassiert. Ganz abgesehen davon, dass Verheiratete bei dieser Regelung schlechter abschneiden als Nichtverheiratete. Denn für diese gilt die Regelung nicht. Soweit zum Schutz der Ehe seitens der Kirche. (H.J.)
[Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 02.06.99]
Der Jesuitenpater und Dozent für christliche Kunstgeschichte Prof. Dr. Heinreich Pfeiffer hat eine beliebte Reliquie des Christentums wiederentdeckt: das "Schweißtuch der Veronika", das dem armen Jesus während seines Kreuzweges von einer gleichnamigen Dame überreicht worden sein soll. Das Abbild weise "erstaunliche" Ähnlichkeiten zum Bild auf dem Turiner Grabtuch auf. (Beide Reliquien zeigen ein verkommenes Subjekt mit Bart und schulterlangen Haaren.) Kommentar: Dozent für christliche Kunstgeschichte + Jesuitenpater = Kenntnis aller bedeutenden Reliquien und die Raffinesse, daraus Macht oder Profit zu schlagen. Das ist nichts Neues. Darüber hinaus ist aber die schleichende Rückkehr des Reliquienunwesens zu beobachten, denn die Medien beziehen dank des Einflusses der Kirche selbst gegen die idiotischsten Fälschungen keine Position. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis heilige Vorhäute und Fingerknöchel wieder in die Kirchen Einzug halten. (EMÖ)
[Quelle: dpa, 31.5.99]
Die Atommächte Indien und Pakistan stehen vor einem neuen Krieg. Anlass ist mal wieder das seit 1989 umkämpfte Kaschmir. Dort versucht die indische Armee, den Aufstand moslemischer Untergrundkämpfer im hinduistisch-indischen Teil Kaschmirs niederzuschlagen.
Im moslemischen Pakistan trainieren junge Männer, vorwiegend aus armen, ungebildeten Familien, für den Heiligen Krieg gegen Indien. Nachwuchssorgen hat die Guerillaorganisation Lashkar-e-Tayyaba nicht. Sie rekrutiert ihre Kämpfer in den 2200 Religionsschulen in Pakistan, die die übergeordnete Organisation Markaz-ud-Dawa-wal-Irshad betreibt. Diese Schulen dienen nicht dazu, den Schülern Bildung und Wissen nahezubringen. Ihnen wird dort eingebläut, es sei die Pflicht jedes ordentlichen Moslems in den Dschihad, den Heiligen Krieg für Gott, zu ziehen.
In den Übungscamps in den Bergen vollzieht sich das Leben nach strengen Gesetzen, die an die Taliban erinnern. Unterhaltung durch Medien ist verboten. Rasieren ist verboten. Fotos sind verboten. Westliche Kleidung ist verboten. Geboten sind täglich neben Kampftraining viele Stunden stupiden Koran-Unterricht. (H.J.)
[Quelle: AP, 30.05.99]
Was sind die wahren Gründe für die Beibehaltung und Vollstreckung der Todesstrafe in den USA? Die historische Perspektive ist erhellend: Mehr darüber in Die Religion der Todesstrafe. Der Text findet sich unter Religion: Texte. Guido Deimel schreibt ab sofort exklusiv für Der Humanist. (EMÖ)
Die christliche Religion ist die wahrhaftige Religion der Todesstrafe: in symbolischer, in historischer, und in politischer Hinsicht. Keine andere Religion ist auf dem Fundament einer Exekution errichtet, keine andere Religion hat ein Hinrichtungsgerät - das Kreuz, mit dem im römischen Imperium verurteilte Aufrührer exekutiert wurden - zu ihrem Symbol gemacht.
Politiker, die in Israel / Palästina einen Frieden erreichen wollen, haben es nicht leicht. Die beiden religiösen Lager stehen unversöhnlich gegeneinander. Die strenggläubigen Juden sind nicht davon abzubringen, dass ganz Palästina einzig und allein dem Volk Israel von „Gott” gegeben wurde. Die religiöse Kriegshetze wurde über Lautsprecher und von den palästinensischen Medien unter das Volk gebracht. (H.J.)
Der oberste religiöse Führer der Palästinenser, Scheich Ikrima Sabri, verkündete dagegen in der Al-Akscha-Moschee in seiner Freitagspredigt, das „Heilige Land” sei schon immer islamischer Besitz. (Danach müsste die Erde etwa 1300 Jahre alt sein...) Der Scheich nannte den neu gewählten israelischen Ministerpräsidenten, Ehud Barak, einen Kriegsverbrecher. Statt bei seiner Wahl zu applaudieren, hätte man Israel bombardieren müssen. Die Führer der arabischen Länder beschimpfte Scheich Ikrima Sabri deshalb als korrupt.
[Quelle: Radio Vatikan, 23.-25.05.99]
In Polen ist nach vielem Hin und Her endlich das sogenannte Schutzzonengesetz in Kraft getreten. Das Gesetz, das einen mühsamen Weg durch die Instanzen gegangen ist, sieht einen 100 Meter breiten Streifen um die ehemaligen Konzentrationslager vor. Dieser Bereich darf nicht bebaut und nicht wirtschaftlich genutzt werden - und es dürfen dort vor allem keine Kreuze aufgestellt werden.
Notwendig wurde dieses Gesetz durch die Aktionen des antisemitischen Politikers Kazimierz Switon. Zuerst gab es nur ein Kreuz auf dem Kiesplatz unmittelbar neben dem Auschwitz-Gelände. Allerdings riesige acht Meter groß. Papst Johannes Paul II. hatte es auf einer Reise 1979 in Polen als Souvenir dagelassen, um der christlichen Opfer zu gedenken. Nach ersten jüdischen Protesten wurden Switon und seine Anhänger aktiv. Mittlerweile wurden fast 300 Kreuze aufgestellt. Das war selbst der katholischen Kirche zuviel. Sie distanzierte sich von dem christlichen Antisemiten.
Kurz vor Inkrafttreten des Schutzzonengesetzes hat Switon noch flugs eine Kapelle auf dem Schutzstreifen bauen lassen. Es hat sich auch schon ein Geistlicher gefunden, der dieses Bauwerk gesegnet hat. Und geweihte Kapellen können nicht einfach abgerissen werden. Das Spiel geht also weiter.
Die Kreuze sollen jetzt jedenfalls entfernt werden, wie ein Sprecher des Verwaltungsgebietes betonte. Nur eines bleibt selbstverständlich stehen ... das alles überragende Kreuz des Papstes. (H.J.)
[Quelle: Frankfurter Neue Presse, 26.05.99]
Eigentlich wollte er ja gar nicht mehr den Medien als Kontrastmittel dienen. Aber der Fuldaer Erzbischof Dyba kann das Polarisieren einfach nicht lassen. Diesmal nahm er in der Talkshow „Sabine Christiansen” die homosexuelle Lebensgemeinschaft aufs Korn. Dyba live: „Vor 20 Jahren waren wirklich nur Geistesgestörte der Ansicht, Gleichgeschlechtliche können eine Familie bilden.” Man dankt fürs Kompliment, Herr Dyba. Er setzte zwar hinzu, man habe sich weiterentwickelt. Aber für eine Grundgesetzänderung gebe es keine Mehrheit.
Etliche haben sich offenbar nicht weiterentwickelt, denn in Fulda gingen nach der Fernsehsendung Sympathiebekundungen für Dybas Aussagen ein. Von Seiten der Grünen kamen Proteste. Der bekennende Schwule Volker Beck warf dem Erz- und Militärbischof „eine unglaubliche Entgleisung” vor. Er hofft auf einen Dialog zwischen katholischer Kirche und Schwulen- und Lesbenverbänden. Die Frage ist nur: Ist die Kirche in diesem Punkt wirklich reformierbar? Wenn sie die Bibel als Grundlage nicht aufgibt, kann sie den Forderungen nach Gleichberechtigung aller Menschen, egal welcher sexuellen Ausrichtung, gar nicht entsprechen. (H.J.)
[Quelle: Die Welt, 26.05.99]
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) wurde kürzlich in Stuttgart gefragt, welchen Einfluss christliche Werte auf die Politik haben. Die Ministerin, die beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni mitwirkt, beobachtet einen wachsenden Einfluss christlicher Überzeugungen. Entscheidungen würden zunehmend religiös begründet und die Politiker seien christlich orientiert. Das erkennt Frau Däubler-Gmelin daran, dass die Themen der Kirchentage - Entwicklungshilfe, Menschenrechte, Frieden, Umweltschutz - auch die Politik beherrschten.
Ist es nicht eher umgekehrt, Frau Ministerin? Dies sind nicht ursprünglich christliche Werte, sondern Kirchen haben sich diese Punkte zu eigen gemacht, um ihre Kirchentage aufzupeppen, nachdem dies bereits Top-Themen der Politk und vor allem der Jugend waren. (H.J.)
[Quelle: idea-online, 24.05.99]
Nachhilfe in Sachen Geographie benötigt der Wirtschaftsminister von Österreich. Auf einer Tagung in der Slowakei hat Hannes Farnleitner eine ganz eigene Sicht Europas zum Besten gegeben: „Europa endet dort, wo die Orthodoxie beginnt.”
Farnleitner ist religiös vorbelastet: Von 1972-1984 war er Vorsitzender der Katholischen Männerbewegung Österreichs, von 1978-1994 Präsident der Internationalen Vereinigung Katholischer Männer (UNUM OMNES). Er ist außerdem Träger des „Päpstlichen Ordens des heiligen Gregor des Großen”.
Der ökumenische Rat der Kirchen in Österreich übte scharfe Kritik an Farnleitners Aussagen. In einem offenen Brief forderte er den Wirtschaftsminister auf, das Gesagte zu wiederrufen. (H.J.)
[Quelle: Radio Vatikan, 16.-18.05.99]
Wie bereits unter Politik berichtet, traf sich Kanzler Schröder am Dienstag mit JPII. Möglich, dass Schröder nur über das Kosovo sprechen wollte. Sicherlich hat er auch Grüße von seiner Gattin Doris Köpf ausgerichtet, einer „bewussten Katholikin”.
Auch die thüringische Ministerin für Bundesangelegenheiten, Christine Lieberknecht, blies in das gleiche Horn. Für sie gibt es keine Instanz, die die Aufgaben der Kirche als Begründerin und Vermittlerin von Werten übernehmen könnte. Da der Staat keine Werte vermitteln könne und dürfe, gebe es keine Alternative zur Partnerschaft von Kirche und Staat. - Und ich dachte immer, der Staat fußt auf Demokratie und Menschenrechten. Und diese Werte kann der Staat nicht nur vermitteln, er ist auch verpflichtet dazu. (H.J.)
Aber so einfach kam der Kanzler nicht davon. Der Papst fragte an, wie es denn nun mit dem Verhältnis zur Kirche im deutschen Staat beschaffen sei. Aber Gerhard Schröder konnte Johannes Paul II. beruhigen. Der deutsche Regierungschef betonte die Bedeutung der Kirchen für das gesellschaftliche Leben. Seit seinem Regierungsantritt habe sich im Verhältnis zwischen Staat und Kirche nichts verändert. Er wisse um die Bedeutung der Kirchen und stehe mit der Bischofskonferenz und der EKD in gutem Austausch. Da freute sich der Papst. Der Vatikan finanziert sich schließlich zu einem großen Teil aus Deutschland.
[Quelle: Radio Vatikan, 16.-18.05.99]
Auf dem gemeinsamen Kongress Charismatischer Bewegungen, der vom 13.-16. Mai in Nürnberg stattfand und 4200 Menschen anzog, vertraten einige Redner die Meinung, die Christen müssten, wie dazumal die 68er, den „Marsch durch die Institutionen” antreten. Wie das geschehen könne, erläuterte der frühere Vizepräsident der Europäischen Versammlung des
Europarates, der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Robert Antretter
(Backnang). Da zu Versammlungen der Ortsvereine nur 10 bis 15, in Großstädten 40 bis 50 Mitglieder kämen, sei es ein Leichtes für engagierte Christen, in die Parteien einzutreten und ihre Wertevorstellungen durchzudrücken. Katholik Antretter möchte durch christliche Infiltration die SPD endlich zu einer gottgefälligen Partei machen. Genossen, seid wachsam! (H.J.)
[Quelle: idea online, 18.05.99]
Ein Wunder ist geschehen! Da beklagen die Kirchen geradezu gebetsmühlenartig das Sinken der Kirchensteuereinnahmen. Aber nun wurde Bilanz gezogen - und siehe da: Im Jahr 1998 hat die evangelische Kirche 2,8 Prozent mehr eingenommen als im Vorjahr. Da fragt man sich: Kommen die Mitgliedsbeiträge der Kirchenmitglieder nicht in den Gemeinden an? Auf jeden Fall wird weitergejammert. Denn in diesem Jahr, da ist man sich ganz sicher, nimmt die Kirche auf jeden Fall weniger ein. [1]
Und für diesen Ausfall soll die Bundesregierung geradestehen. So denkt sich das jedenfalls der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Kues. Einen Skandal nennt er ein internes Papier des Finanzministeriums, in dem es heißt, die Kirchen werden zweifellos für ihre finanziellen Probleme selbst eine sozialverträgliche Lösung finden. [2]
Der Humanist empfliehlt die Anpassung der Mitgliedsbeiträge - so wie es jeder andere Verein auch tut. (H.J.)
[1] idea spektrum, 11.05.99
[2] Radio Vatikan, 22.-24.4.99
Während andere den Zahn der Zeit erkannt haben und die Zukunft der Kirche allein in der Allianz sehen, zieht sich der evangelische Landesbischof von Sachsen, Volker Kreß (Dresden), in sein religiöses Schneckenhaus zurück. Ketzerverfolgungen sind in der evangelischen Kirche in Sachsen noch lebendig. So musste eine Pfarrerin ihr Amt niederlegen, nachdem sie einen Atheisten geheiratet hatte. Vom Gottesknecht wird das Missionieren bis in den privaten Bereich gefordert. Die Nächstenliebe hört für Kreß beim atheistischen Ehegatten auf.
Aber der Bannstrahl der religiösen Intoleranz des Landesbischofs trifft auch andere Religionen. Während in Ländern, in den sich Christen in der Minderheit befinden, die Kirchen Relgionsfreiheit einklagen, spricht sich Kreß gegen gemeinsame Gottesdienste und Gebete aus. So würden Muslime nun mal an einen anderen Gott glauben. Kreß sieht die „Wahrheitsfrage” gefährdet. Und als guter Christ ist er natürlich im Besitz der absoluten Wahrheit.
Auch ein Musikfestival mit dem Dalai Lama in Dresden lehnt der Bischof ab. Nach seiner Überzeugung ginge es nicht um ein besseres Kennenlernen der Weltreligionen, sondern „um einen großen Schlussauftritt des Dalai Lama und eine Werbung für neue Religionen in Europa”. Und Konkurrenz ist schlecht fürs Geschäft. - Die Stadt Dresden folgte jetzt der Meinung des Bischofs und lehnte das Festival ab. (H.J.)
Ebenfalls entlassen wurde kürzlich eine Kinderdiakonin, die zur katholischen Kirche übergetreten war. Der Bischof hätte es als „fair” empfunden, wenn die Mitarbeiterin erklärt hätte: „Wenn ich mich schon von meiner evangelischen Kirche löse, dann will ich sie auch nicht mehr als Arbeitgeber beanspruchen.”
Ein ungeheurer Vorfall, der leider immer wieder vorkommt: Obwohl die kirchlichen Sozialbetriebe vorwiegend aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden, sind die Mitarbeiter in ihren Rechten stark benachteiligt.
[Quelle: idea online, 17.5.99]
Der Tierpark Hagenbeck in Hamburg kann sich freuen. Endlich dürfen die Meerschweinchen in ihrem Holz-Dorf in die Kirche. Das zwei Meter hohe Gebäude steht zwar schon seit 30 Jahren dort, aber ein eifernder und geifernder Pastor sorgte damals dafür, dass die Eingänge der Kirche für die Tierchen versperrt wurden. „Gotteslästerung”, schrie der Pfaffe seinerzeit. Denn wer konnte schon wissen, was die Viecher in diesem heiligen Stall so trieben - sind Meerschweinchen doch für ein sehr reges Sexualleben bekannt. Und zwar jeder mit jedem.
Aber nun hatte die Kirche ein Einsehen. Wenn die Menschen schon wegbleiben, sollen wenigstens Meerschweinchen die Kirche besuchen dürfen. So meinten auch Öffentlichkeitspastor Hinrich C.G. Westphal und der katholische Kirchensprecher Manfred Nielen: „Natürlich, auch Meerschweinchen sollen zur Kirche gehen. Die Haltung der Kirchen zu den Mitgeschöpfen ist viel bewusster und offener geworden. Im Schöpfungsbericht werden die Tiere als Mitgeschöpfe der Verantwortung des Menschen übergeben." So wird also heutzutage „machet sie euch untertan” gedeutet.
Die Kinder freute es jedenfalls, als der Tierpfleger endlich die Pforten der Holz-Kirche aussägte. Und den Tieren wird's wohl egal sein - solange sie nicht in Kirchenbänken einer Predigt zuhören bzw. Blut Christi zu sich nehmen müssen. (H.J.)
[Quelle: Hamburger Abendblatt, 14.5.99]
Berlin hat ein neues Wahrzeichen. Mitten in der Stadt prangt eine überdimensionale „Litfasssäule”. Es ist der Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, von dem herunter Claudia Schiffer, Andie MacDowell und Michael Schumacher auf riesigen Transparenten Werbung für eine bekannte Kosmetikfirma machen. Die in der Gemeinde nicht unumstrittene Aktion soll Geld für die Sanierung des maroden Turms einbringen. [1]
Wie in den Schulen ist Berlin auch an den Kirchen in Sachen Werbung Vorreiter der Republik. Zwar wird auch in Winterhude, einer norddeutschen evangelischen Gemeinde, jetzt über die anderweitige Verwendung der Kichengebäude nachgedacht. In vielen Gemeinden bricht nach und nach etwa ein Drittel des Haushalts weg. Ein naheliegender Gedanke soll da die Vermietung von Kirchen sein. Theologisch spräche nichts gegen eine kommerzielle Nutzung von Kirchen, da es nach protestantischem Verständnis keine geweihten Räume gibt. Und kaufmännisch gesehen sei es ohnehin heller Wahnsinn, so teure Bauten nur einmal in der Woche zu nutzen. Immer wieder sonntags... Vor allem, wenn man bedenkt, dass nur ein Bruchteil der Kirchenmitglieder noch in die Kirche rennt. Entscheidend für Winterhude soll allerdings sein: Es muss eine glasklare Trennung zwischen Kommerz und Glauben, zwischen Profanem und Geistlichem geben. Eine Kirche mit dem Banner einer Bank am Turm, als Rahmen für einen Werbespot, als Motiv einer Bierreklame - das dürfe nicht sein. [2]
Womit natürlich nicht die Betreibung eigener Banken oder Beteiligungen am Aktienkapital von Brauereien gemeint sein kann. Merke: Ist der Kommerz für die Gläubigen nicht direkt sichtbar, stört er auch nicht den Glauben. (H.J.)
[1] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 11.05.99
[2] Hamburger Abendblatt, 04.05.99
Dumm darfste sein, aber Ideen mußte haben, pflegt mein alter Herr immer zu sagen. Dieser Satz muß auch dem Frieder Bellm, Pfarrer von St. Franziskus im Mannheimer Stadtteil Waldhof, zu Ohren gekommen sein. Da radelte der katholische Pfaffe eines Tages durch seine Gemeinde und stieß sich an den Inline-Skatern, die ohne Warnung an den Fußgängern vorbeischossen. (Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat gerade entschieden, daß Skater auf den Gehweg gehören.) Nichts im Gegensatz zu dem Schock, der einen ereilt, wenn der Schwarzkittel auf dem Zweirad von hinten über einen kommt. Aber der hat wenigstens eine Klingel am Lenker. Und so durchfuhr den Priester ein himmlischer Blitz: Eine Klingel müssen die Skater haben! Nur: Wo unterbringen? Und so entwickelte der pfiffige Pfaffe Bellm „Bell-In“ (hat der ein Glück mit dem Namen, man stelle sich nur mal vor, er hieße Hellm!), eine auf ein Klettband montierte Fahrradklingel, die man am Arm tragen kann. Der erste Praxistest führte Bellm nicht auf die Piste, sondern direkt ins Wirtshaus. Wo er dann auch prompt auf ein Klingeln hin ein zweites Bier serviert bekam. Ja, selbst bei einem Vortrag im Männerwerk ließ sich mit dem Wunderding erfolgreich die Pause einläuten. Seinen eigenen morschen Knochen wollte der 44jährige pfäffische Pfiffikus den Alltagstest allerdings nicht zumuten. Den haben Waldhöfer Ministranten übernommen.
Angeblich findet die bahnbrechende „Bell-In“ reißenden Absatz. Auf dem Maimarkt in Mannheim sollen bereits mehr als 1000 Stück abgesetzt worden sein, zum Stückpreis von 20 Mark. Nun steht zu befürchten, daß der klerikale Klingler die BRD mit seinem tragbaren Bimmelapparat aufrollt. Denn Bellm war vor seinem Theologiestudium Finanzbeamter! (Mannomann, was in dem Leben schiefgelaufen sein muß, da wage ich gar nicht drüber zu spekulieren.) Der Gebrauchsmusterschutz für den „mobilen akustischen Signalgeber“ wurde erteilt, ein Patent beantragt. Bei der Torfnasigkeit unserer Politiker muß man wohl oder übel damit rechnen, daß „Bell-In“ demnächst Vorschrift wird, wie z.B. die Speichenreflektoren bei Fahrrädern. Genau betrachtet, geht es aber gar nicht um etwaige Sicherheitsbedenken. Denn diese Kirchenglocke fürs Handgelenk ist nur der erste Vorbote einer massiv betriebenen Re-Christianisierung des Landes. Achtet auf die Dinge, die da noch kommen werden. (C.B.)
[Quelle: Frankfurter Rundschau, 08.05.1999]
In Italien ist die kollektive Hysterie ausgebrochen. Die Bürger Roms flohen am Wochenende vor den Massen der frommen Pilger. Die Stadtverwaltung sah sich gezwungen, am Montag den Kindern schulfrei zu geben. Der Anlass war die Seligsprechung des Kapuzinermönches Padre Pio (1887-1968). Dabei galt der mit den Wundmalen Jesu behaftete Mönch selbst bei der Katholischen Kirche lange Zeit als Scharlatan. Padre Agostino Gemelli, der Gründer der Mailänder Università Cattolica nannte Pio einen Betrüger und hielt die blutenden Wunden für nichts anderes als Hysterie. Die Kirche verbot Padre Pio seiner Zeit gar das Lesen der Messe. Kardinal Carlo Maccari berichtete dem Vatikan, Pio wäre den frommen Nonnen des Klosters von San Giovanni Rotondo verfallen. Die Päpste zur Zeit Padre Pios hatten wenig für ihn übrig. Aber Johannes Paul II. liebt Wundermärchen über alles. Und so fügte er seiner Rekordzahl an Seligsprechungen noch eine weitere hinzu. [Quelle: Züricher Tages-Anzeiger, 03.05.99] (H.J.)
[1] Otto von Corvin: Der Pfaffenspiegel. S. 101 ff. Die zensierte Rudolfstädter Ausgabe von 1927 ist in Auszügen online (nur bei uns).
Kommentar EMÖ: Die Seligsprechung Pios könnte für die Kirche ein Versuchsballon sein - ein Test dafür, wieviel Schwachsinn man den Leuten erzählen kann, ohne daß es Ärger gibt. Gerade in Hinblick auf das kommende "Jubeljahr" (so hießen die gewinnträchtigen Jubiläumsfeiern, die der Heilige Stuhl zunächst für den Beginn jedes Jahrhunderts vorgesehen hatte, wegen der großen Profite durch Ablaßspenden dann aber schnell alle 50 Jahre und schließlich alle 33 Jahre abhielt [1]) muß man sich eine Strategie zurechtlegen. Wenn die Seligsprechung ein Test war, dann war sie ein voller Erfolg. Denn wenn man einen offensichtlichen Scharlatan, der sogar in der Kirche verpönt war, zur Verzückung der Massen zum Beinahe-Heiligen (was weiter dafür spricht, daß es ein Test war) erklären kann, dann kann man auch die übrige Reliquien- und Heiligenverehrung wieder einführen. Aber wer sagt denn, daß die Kirche nicht modernisierungsfähig ist - auch Special Effects wie ein schwebender Papst oder eine Laser-Lightshow liegen mittlerweile wieder im Bereich des Denkbaren. Die Verdummungsmechanismen der Moderne haben eine ungebildete, phlegmatische und damit manipulierbare Masse erzeugt. Wir sollten uns nicht davon täuschen lassen, daß wir eine Zivilisation mit Hochtechnologie sind - dies steht absolut nicht im Widerspruch zu einem Prozeß der Rückkehr in die Barbarei eines High-Tech-Mittelalters.
„Immer mitten in die Fresse rein“, heißt es im „Schunder-Song“ der Ärzte. Das könnte auch das Motto für die Jugendarbeit des Pfaffen Bernd Fetzer (der Name ist Programm) in Groß-Felda sein. Er gründete einen Box-Club. Fetzer, dessen Vater einst Württembergischer Meister im Leichtgewicht war, mußte selbst zehn Jahre in den Ring, weil er „der Erstgeborene“ war. „Es war furchtbar“, so der 47jährige Theologe. Anscheinend so furchtbar, daß er heute andere dazu bringen muß, sich die Schnauzen zu verbeulen. Rache ist ein häufig benutztes Wort in der Bibel. Pflichtgemäß sagt einer der Freizeitklopper, daß Boxen „gar kein dummes Gehaue“ sei. Schließlich seien 50 Prozent eines Fights reine Kopfarbeit. Klar, wenn man zu dumm ist, die Fäuste für die Deckung zu benutzen, muß halt ein anderer Körperteil die Treffer einstecken.
Dem Box-Club gehören mittlerweile rund 60 Mitglieder an, darunter zwei Frauen. Und das, nachdem das Frauenboxen gerade vor ein paar Wochen mit dem Niederschlag von Lourdes Gonzales durch die Weltmeisterin im Fliegengewicht, Regina „Neue Nasen können sich meine Gegnerinnen immer kaufen“ Halmich, einen bösen Rückschlag erlebte. Zumindest tat die Fachwelt so. Als wäre der K.o. nicht das Ziel eines Boxkampfes. Selbst Manfred Wolke, der ehemalige Trainer von Henry Maske (warum macht Maske eigentlich keine Werbung mehr für Haarpflegeprodukte? Ist der Haarausfall auf seinem Hinterkopf schon zu weit fortgeschritten?), äußerte sich angeekelt: „Das ist eine Vergewaltigung meines Sports.“ Da ist es nur verständlich, daß die pfäffischen Prügelorgien nicht jedem in der Gemeinde gefallen. Seinen Kritikern hält fighting Fetzer entgegen, „daß die Jugendlichen beim Boxen viel über das Leben lernen können“. Viel bestimmt nicht, aber zumindest, daß der bösartigste Prügler immer als Sieger hervorgeht. Also das perfekte Rüstzeug für die kapitalistische Ellenbogengesellschaft. Für den Nahkampfexperten Fetzer gehöre ebenfalls zur Lektion, „daß man im Leben aus keinem Kampf ohne Blessuren herauskommt“. Mit dieser Aussage hat sich der keilende Kleriker rundweg als Aspirant für die seelsorgerische Betreuung der kämpfenden Kohlköpfe im Kosovo qualifiziert. Vom blauen Auge zum weggeschossenen Unterkiefer ist es schließlich nur ein quantitativer Unterschied. (C.B.)
[Quellen: Frankfurter Rundschau, 20.04.1999; DER SPIEGEL 14/1999]