Die Reportage [Inhalt]
Der Humanist berichtet über Veranstaltungen und Aktionen
2000 Jahre Christentum heißt auch 2000 Jahre Kritik am Christentum
Provokante Thesen beim Bund für Geistesfreiheit
Vortrag von Dr. Wolfgang Proske am Samstag, den 22. Januar
2000, in Kulmbach über "Erste Kritiker des Christentums"
Wenn die christlichen Kirchen gegenwärtig ihr Millennium feiern, so darf nicht
vergessen werden, dass es auch 2000 Jahre Kritik am Christentum gibt." Diese These
vertrat Dr. Wolfgang Proske, Sozialwissenschaftler und Bildungsreferent des Bundes für
Geistesfreiheit (bfg) Bayern, der vom bfg Kulmbach ins Hotel Ertl eingeladen worden war,
um über die frühesten bekannten Christentumskritiker zu sprechen.
Der Referent stellte drei heute noch bekannte Persönlichkeiten des 2. bis 4. Jahrhunderts in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Alle drei waren kritische Intellektuelle, die wegen des Christentums die Existenz des Römischen Reiches in Gefahr sahen.
Celsus (2. Jhdt.) als wohlsituiertem Römer passte die ganze Richtung nicht, in der sich das Reich seiner Zeit entwickelte. Aufrührerische Elemente zweifelhafter Herkunft hätten sich daran gemacht, mit Hilfe einer seiner Meinung nach simplen und widersprüchlichen Lehre die römische Zivilisation zu zerstören. In Celsus sprach das konservative römische Establishment. Celsus war, so der Referent, alarmiert, aber noch guten Mutes im Vertrauen auf die menschliche Vernunft, wie sie von der damaligen griechischen und römischen Philosophie verteidigt wurde.
Einige Jahrzehnte später sah Porphyrios (um 233-301/05), einer der führenden Intellektuellen seiner Zeit, sich bereits genötigt, angesichts von einschneidenden Funktionsstörungen im Römischen Reich, mit erheblichem Zeitaufwand und in 15 Bänden den Versuch zu unternehmen, das Christentum inhaltlich zu widerlegen.
Kaiser Julian (262-332) schließlich sei es kurzfristig noch einmal gelungen, den christlichen Siegeszug abzubremsen, u.a. durch Wiederherstellung der staatlichen religiösen Toleranz gegenüber allen Glaubensrichtungen, mit der Folge seiner umgehenden Ermordung und dem anschließenden Verbot aller andersdenkenden Strömungen.
Der Blick auf Celsus, Porphyrios und Julian verweise indirekt auf Paulus, den einflussreichsten christlichen Ideologen dieser Epoche, nach damaliger wie heutiger freigeistiger Ansicht tatsächlicher Begründer des Christentums. Seine Wende von der ethnisch und regional beschränkten Religion, wie sie im Altertum bis hin zu den Urchristen üblich gewesen war, hin zur missionierenden Glaubensgemeinde über Landes- und Sprachgrenzen hinweg habe die Gesellschaft künstlich in Rechtgläubige einerseits und Andersartige daneben bzw. darunter getrennt. Das auserwählte Volk des sogenannten Neuen Bundes führte in seiner unmittelbaren Umgebung einen kompromisslosen Kampf um Assimilation oder, wo das nicht funktionierte, Vernichtung oder Unterdrückung all dessen, was sich als nicht assimilierungsfähig erwies. Verkompliziert wurde dieser Sachverhalt durch die vielen Streitereien der Christen in den eigenen Reihen, für Außenstehende kaum noch nachvollziehbar, die mit aberwitziger Strenge geführt worden seien.
Dies alles habe entscheidend zum schließlichen Zusammenbruch des
Römischen Reiches beigetragen. Es folgte, so der Referent, ein dunkles Jahrtausend
des kulturellen Zerfalls in Europa, aufgehellt erst wieder seit Reformation und den
Bauernkriegen, seit Renaissance, Aufklärung, Französischer Revolution, technischer
Entfaltung und der Entwicklung gesellschaftlicher Vielfalt im Zuge einer sich weiter
entfaltenden, an Menschen- statt an Gottesrechten orientierten Säkularisierung.
Unter den Hörern befanden sich auch Mitglieder der Coburger Freidenker sowie eine Gruppe
freikirchlicher Protestanten, weshalb es bereits im Verlauf des Vortrages mit Billigung
des Referenten zu einer lebendig geführten Diskussion kam. Während die Christen den
Glauben an Jesus Christus sowie die Bibel als Richtschnur ihres Denkens und Handelns in
den Mittelpunkt ihrer Beiträge stellten, betonten die Humanisten ihre heutigen
Hauptforderungen nach einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche sowie ihre
Ablehnung jeglicher Missionierung. Übereinstimmung bestand andererseits hinsichtlich
einer Ablehnung der Kindertaufe.
Januar 2000 Der Humanist
erstellt von Heike
Jackler