Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft
Beispiel: Evangelische Kirche Deutschland (EKD)
Die EKD ist die Dachorganisation aller evanglischen Gliedkirchen in Deutschland:
Ohne die Selbständigkeit der einzelnen Landeskirchen zu beeinträchtigen, nimmt die EKD ihr übertragene Gemeinschaftsaufgaben wahr. Die demokratisch verfaßten und gewählten Leitungsgremien der EKD sind Synode, Rat und Kirchenkonferenz. Sie tragen die Verantwortung für die Wahrnehmung der Aufgaben der EKD, die in der kirchlichen Verfassung, der Grundordnung der EKD, festgehalten sind. Die Geschäfte von Synode, Rat und Kirchenkonferenz nimmt das Kirchenamt der EKD wahr.
Aus der Grundordnung der EKD:
Artikel 29: Der Rat hat die Aufgabe, die Evangelische Kirche in Deutschland zu leiten und zu verwalten. Soweit die Befugnisse nicht anderen Organen beigelegt sind, ist er für alle Aufgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland zuständig. Der Rat vertritt die Evangelische Kirche in Deutschland nach außen.
Artikel 31: Amtsstelle des Rates ist das Kirchenamt. Das Kirchenamt führt die Verwaltung der Evangelischen Kirche in Deutschland und die laufenden Geschäfte des Rates im Rahmen des kirchlichen Rechts nach Richtlinien oder Weisungen des Rates.
[Quelle: www.ekd.de]
Da das Kirchenamt mit seiner Abteilung "Recht und Verwaltung" auch für Finanzen und die Erstellung der Haushalthaltspläne der Evangelischen Kirche zuständig ist, ging unsere Frage sowohl an die Pressestelle als auch an das Kirchenamt.
Die Antworten auf unsere Anfrage:
Von: thomas.krueger@ekd.de
[Pressestelle]
An: jackler jackler@tabu.ping.de
Datum: Freitag, 17. März 2000 09:11
Betreff: Re: Finanzierung der Krankenhäuser
Sehr geehrte Frau Jackler,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Über die Krankenhausfinanzierung kann Ihnen genauer als wir das Diakonische Werk der EKD Auskunft geben. Als diakonische Einrichtungen sind evangelische Krankenhäuser dem Diakonischen Werk angeschlossen. Ich erlaube mir daher, Ihre Anfrage an die Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes nach Stuttgart weiterzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen von
Thomas Krüger, EKD-Pressestelle
Herrenhäuser Str. 12
30419 Hannover
Tel.: 0511/2796-269
Fax: 0511/2796-777
thomas.krueger@ekd.de
http://www.ekd.de/
Die Pressestelle der EKD hat also keine genauen Kenntnisse über die Kirchensteuerverwendung. Aber auch das Kirchenamt - zuständig für den Haushalt - weiß offensichtlich nicht, was mit der von der Evangelischen Kirche eingenommenen Kirchensteuer geschieht. Das Kirchenamt schickte die Anfrage gleich weiter an den Geldempfänger und Betreiber der Krankenhäuser, das Diakonische Werk. Von dort ging die Anfrage weiter an den Deutschen Evangelischen Krankenhausverband (DEKV). Der Verbandsdirektor konnte schließlich Auskunft geben:
Von: Gross gross.dekv@t-online.de
An: jackler@tabu.ping.de
Datum: Dienstag, 21. März 2000 09:57
Betreff: Finanzierung von Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft
Sehr geehrte Frau Jackler,
Ihre Anfrage an das Kirchenamt der EKD im Blick auf die Finanzierung von Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft ist von dort über das Diakonische Werk der EKD an uns in der Geschäftsstelle des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV) weitergeleitet worden.
Unabhängig von der Trägerschaft eines Krankenhauses erfolgt die Finanzierung, wenn das Krankenhaus im öffentlichen Krankenhausplan aufgenommen ist, gemäß den Bestimmungen des Krankenhaus-Finanzierungsgesetzes (KHG). Das bedeutet: die öffentliche Hand muss für die Investitionen (z. B. Gebäude, medizinische Geräte/Technik) aufkommen, entweder in Form von Einzelförderung der Maßnahmen (z. B. Baumaßnahmen, Großgeräte) oder in Form einer Pauschalförderung, die je nach Bundesland unterschiedlich hoch ausfällt und in der Regel einen festen Satz pro Planbett beträgt. Sämtliche Kosten der Behandlung bzw. des laufenden Betriebes (d. h. Personal, Medikamente, Therapieaufwand, Betriebskosten, Instandhaltung) müssen durch die von den Krankenkassen zu zahlenden Entgelte abgedeckt werden. Diese Entgelte setzen sich im Wesentlichen aus Pauschalen bzw. Festpreisen für bestimmte Leistungen (z. B. die meisten chirurgischen Eingriffe), sogenannte Fallpauschalen, und abteilungsbezogen berechneten sogenannten Pflegesätzen zusammen. Die Fallpauschalen gelten in der Regel einheitlich für ein Bundesland, die Pflegesätze werden krankenhausindividuell mit den Krankenkassen verhandelt und vereinbart.
Tatsächlich zahlen die Krankenkassen Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft durchweg niedrigere Pflegesätze als Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft. Der Grund ist der, dass Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft bereits in der Vergangenheit ihre Leistungen wirtschaftlicher erbracht haben als Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft. Entsprechend haben sie mit den Krankenkassen niedrigere Pflegesätze vereinbaren können.
Die Unwirtchaftlichkeit vieler Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft ist in der Vergangenheit leider gefördert worden durch die Praxis der Kommunen und Landkreise, Defizite ihrer Krankenhäuser aus steuerfinanzierten Haushaltsmitteln auszugleichen. Diese bequeme Möglichkeit stand Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft nie offen. Abgesehen davon, dass sie als gemeinnützige Einrichtungen gar keine Defizite erwirtschaften durften, standen und stehen Kirchensteuermittel zur Deckung entsprechender Defizite nie zur Verfügung.
Die Sparpolitik im Gesundheitswesen der vergangenen Jahre,
mittlerweile bereits Jahrzehnte, ist nun leider durch eine strukturelle Ungerechtigkeit
gekennzeichnet: Vereinfacht gesagt, wurde und wird von allen Krankenhäusern verlangt, die
gleichen bzw. mehr Leistungen als bisher in mindestens gleicher, eher aber noch besserer
Qualität als bisher für ein geringeres Entgelt als bisher zu erbringen. Die
Entgeltabsenkung betrifft dabei alle Krankenhäuser in gleicher Höhe.
Sie können sich leicht ausrechnen, dass Krankenhäuser, die in der Vergangenheit nicht
sehr wirtschaftlich gearbeitet haben, entsprechende Absenkungen durch Erhöhung ihrer
Wirtschaftlichkeit kompensieren können. Das verbirgt sich hinter der vielbeschworenen
Realisierung von Rationalisierungspotenzialen. Krankenhäuser, die immer schon
wirtschaftlich gearbeitet haben, haben die entsprechenden Potenziale bereits in der
Vergangenheit realisiert. Sie bekommen Probleme, mit entsprechend abgesenkten Entgelten
ihre Leistungen überhaupt noch wirtschaftlich erbringen zu können. In dieser Lage
befinden sich viele Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft. Ihr wirtschaftliches
Verhalten in der Vergangenheit wird nicht etwa belohnt, sondern bringt ihnen jetzt
finanzielle Nachteile ein.
Nach dem bereits Ausgeführten sollte schon deutlich geworden sein, dass Kirchensteuermittel zur Finanzierung von Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft zu keiner Zeit in Anspruch genommen worden sind und auch gar nicht in Anspruch genommen werden konnten. Die EKD, präziser die einzelnen Landeskirchen weisen den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen Kirchensteuermittel unter Berücksichtigung der Aufgaben zu, die die Gemeinden und Kirchenkreise wahrnehmen. Diese Gelder sind zweckgebunden für die klassische Gemeindearbeit und bestimmte diakonische Aufgaben (z. B. Kindergarten, Diakoniestation) einzusetzen. Der Betrieb eines Krankenhauses bleibt dabei außer Betracht.
Es ist den Gemeinden allerdings unbenommen, aus den ihnen insgesamt zur Verfügung stehenden freien Mitteln, z. B. aus Spenden und freien Kollekten, etwas für ein Krankenhaus in gemeindlicher Trägerschaft einzusetzen. Solche Mittel sind hochwillkommen zur Finanzierung von Aufgaben, für die die Krankenkassen nicht aufkommen, weil sie als "nicht pflegesatzfähig" gelten (z. B. die Finanzierung der Arbeit und Förderung ehrenamtlicher Helfer im Krankenhaus, aber auch die Finanzierung einer zusätzlichen Stelle, über den genehmigten Stellenplan hinaus) oder weil augenblicklich einfach keine Mittel dafür zur Verfügung stehen (z. B. die Finanzierung einer Baumaßnahme, für die erst in 10 Jahren Gelder zur Verfügung gestellt werden würden).
Teilweise sind an Krankenhäusern Stellen für Seelsorger eingerichtet, die wie Pfarrstellen in einer Gemeinde behandelt werden, d. h. als landeskirchliche Plan-Pfarrstellen, und entsprechend aus Kichensteuermitteln bezahlt werden. Das steht aber auf einem ganz anderen Blatt als die Problematik der Krankenhausfinanzierung.
Ich hoffe, ich konnte ihre Fragen damit in befriedigender Weise beantworten und Ihnen hilfreiche Informationen und Auskunft geben.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Groß
Verbandsdirektor DEKV
[Hervorhebungen durch die Redaktion]
Fazit: Auch der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, zuständig für die Krankenhäuser der EKD, bestätigt, dass sowohl Investitionen, also Baumaßnahmen und Erweiterungen, als auch die medizinische und pflegerische Behandlung nicht von der Kirche finanziell getragen wird.
Auch das oft vorgebrachte Argument, dass Kirchensteuermittel zur Deckung eventueller Defizite herhalten muss, wird in dem Antwortschreiben widerlegt. Defizite dürfen nicht gemacht werden.
Verwunderlich ist, dass die EKD und das für die Finanzen zuständige Kirchenamt darüber selbst keine Auskunft geben können, wird doch in dem Schreiben betont, dass Kirchensteuermittel "auch gar nicht in Anspruch genommen werden konnten", da diese "zweckgebunden" an die Gemeinden und Kirchenkreise verteilt werden.
Copyright © März 2000 Der Humanist
Heike Jackler