www.kirchensteuer.de |
Finanzierung der Krankenhäuser in
kirchlicher Trägerschaft Ein Report von Heike Jackler, Der Humanist |
Zusammenfassender Text des Projektes (48 KB, 10.09.2000)
Immer wieder müssen Konfessionslose sich von den Kirchen und Politikern vorhalten lassen, die soziale Infrastruktur der Kirchen zu nutzen, aber sich selbst nicht finanziell daran zu beteiligen. Vor allem die Krankenhäuser werden hier immer wieder als Beispiel genannt. Ein Beispiel, das sich gut eignet, da Krankenhäuser wohl jeder Bürger einmal in Anspruch nehmen muss.
So meinte denn auch der neue Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung, Prälat Stephan Reimers, kurz vor Beginn seiner Amtszeit zum evangelischen Nachrichtendienst idea, dass er eine Abschaffung der Kirchensteuer für unwahrscheinlich hält, weil dann der Staat selbst zusätzlich Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen finanzieren müsste. "Das ginge" - so Reimers - "nur über eine allgemeine Steuererhöhung". [idea online, 13.09.99]
Auch Bischof Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz der Katholiken, beklagte Ende Dezember 1999 mal wieder sinkende Einnahmen - obwohl die Kirchensteuer zur Zeit steigt -, und sah die sozialen Leistungen in Gefahr. Lehmann verstieg sich sogar zu der Aussage: "Wenn wohlhabende Bürger aus Steuergründen die Kirche verließen, ihre Kinder aber auf katholische Schulen schickten, halte er das für moralisch ekelhaft". Natürlich versäumte auch er nicht, mit dem Rückzug aus dem Krankenhauswesen zu drohen. [Rheinpfalz, Süddeutsche Zeitung, Stuttgarter Zeitung, 27.12.99]
Dabei gibt sich die Kirche den Anschein, als würden die Krankenhäuser zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch mit den Mitgliedsbeiträgen der Kirchenmitglieder finanziert.
Dass dem nicht so ist, zeigen die Antworten auf E-Mails, die Der Humanist an die zuständigen Stellen geschickt hat. Damit wir auch "ehrliche" Antworten bekamen, haben wir die Landeskirchen, Diözesen und Bistümer nicht nach der sozialen Verwendung der Kirchensteuer befragt, sondern uns beschwert, dass kirchliche Krankenhäuser mit Kirchensteuer finanziert werden müssen, während nicht-kirchliche offenbar alle Kosten erwirtschaften können. Die Antworten - alle ungekürzt - waren aufschlussreich.
Zu den eingegangenen Antworten haben wir weitere Informationen zur Kirchensteuer, Haushalt der Kirchen und zum sozialen Bereich zusammengestellt. Die Informationen stammen in der Regel von den Homepages der Kirchen, Bundesländer und Parteien. Die entsprechenden Quellen sind angegeben.
Die Anfragen im einzelnen:
An die Kirchen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hätte gerne eine Information zur Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft.
Ich kann es einfach nicht begreifen, warum für die Finanzierung der kirchlichen Krankenhäuser die Kirchensteuer herhalten muss, wo es um die Finanzen der Kirchen doch so schlecht bestellt ist, während nicht-kirchliche Krankenhäuser sämtliche Kosten über die Patientensätze voll erwirtschaften können.
Da Krankenhäuser sich über die Bezahlungen der Krankenkassen für die Patienten und über Zuschüsse der Länder und Kommunen finanzieren, möchte ich gerne wissen, warum die Krankenkassen niedrigere Sätze an Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft zahlen als an Krankenhäuser in kirchenfreier Trägerschaft. Oder unterstützt das Land die Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft wesentlich schlechter als andere Krankenhäuser?
Dürfen vielleicht, im Gegensatz zu freien bzw. staatlichen Trägern, die Personalkosten kirchlicher Krankenhäuser nicht auf die Patienten umgelegt werden? Das wäre wirklich nicht fair gegenüber allen Kirchensteuerzahlern.Wieviel Prozent der Kirchensteuer gibt [die Diözese/Landeskirche] für die Krankenhäuser aus? Natürlich meine ich nur Kirchensteuer, die nicht über die Einnahmen rückfinanziert wird.
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Heike Jackler
An die Länder und Parteien:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe eine Frage zur Finanzierung der kirchlichen Krankenhäuser.
Als Konfessionsloser muss ich mir immer wieder vorhalten lassen, dass meine Behandlungen in Krankenhäusern kirchlicher Trägerschaft von den Kirchenmitgliedern zu einem beachtlichen Teil über deren Kirchensteuer mitfinanziert werden. Mit anderen Worten: Ich sei ein Schmarotzer.
Da Krankenhäuser in nichtkirchlicher Trägerschaft offensichtlich ihre Kosten voll über die Patientensätze und kommunale bzw. Länderzuschüsse voll erwirtschaften können, wundert mich dieser Sachverhalt etwas.Bekommen kirchliche Krankenhäuser niedrigere Patientensätze? Oder sind die üblichen staatlichen Zuschüsse dort wesentlich niedriger als bei nichtkirchlichen Trägern? Dürfen kirchliche Krankenhäuser vielleicht ihre Personalkosten nicht auf die Patientenkosten umlegen? Oder wie kommt sonst der gravierende Unterschied in der Finanzierung zustande?
Ich bitte Sie hierüber um aufklärende Information.
Mit freundlichen Grüßen
Heike Jackler
Die Antworten mit Kommentar im einzelnen:
Fazit:
Obwohl so gut wie keine Kirchensteuer in den Bau und überhaupt keine Kirchensteuer in den medizinisch-pflegerischen Betrieb der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft fließt, wird von seiten der Kirche gedroht, sich aus dem Krankenhauswesen zurückzuziehen, falls die Kirchensteuer - wie in anderen Ländern üblich - abgeschafft wird bzw. durch Steuersenkungen und Kirchenaustritte gefährdet ist. Dass solche Erpressungsversuche bei den politisch Verantwortlichen fruchten, hat sicherlich viel mit der Monopolstellung der Kirchen im sozialen Bereich zu tun. Allein die mit der Zeit angehäuften Immobilienwerte - oft finanziert durch den Staat - sind immens.
Leidtragende dieser Monopolstellung sind die Mitarbeiter, obwohl deren Gehalt trotz kirchlicher Trägerschaft nicht von der Kirche finanziert wird. Sie müssen ihre grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit mit Ausfüllen der Bewerbung abgeben. Nicht nur in der Kirchenseelsorge und Erziehung Tätige müssen sich den Grundsätzen der Großkirchen unterwerfen, auch allein in der medizinischen Versorgung tätige Ärzte und Ärztinnen, Pfleger und Schwestern müssen sich auch in privatesten Bereichen von ihrem Arbeitgeber Vorschriften machen lassen. So ist Wiederheirat nach Scheidung verboten (wilde Ehe wird in der Praxis regelmäßig toleriert, solange kein Aufhebens darum gemacht wird), Nicht-Glauben kann Kündigungsgrund sein, auch die Häresie, d.h. das Ketzertum, lebt in den Arbeitsvorschriften wieder auf und wird verboten. Auch dürfen selbst nur medizinisch bzw. pflegerisch Tätige nicht offen zu ihrer Meinung - auch außerhalb des Arbeitsplatzes - stehen, wenn diese gegen derzeitige Grundsätze der Kirche verstößt (z.B. zum Thema Abtreibung, Homosexualität).
Kirchliche Mitarbeiter dürfen sich gewerkschaftlich organisieren, jedoch müssen die Gewerkschaften die Grundsätze der Kirche und die Loyalitätspflichten der Mitarbeiter anerkennen. Tarifverträge mit den Gewerkschaften werden nicht abgeschlossen. Gestreikt werden darf nicht.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt den Kirchen die Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten. So werden Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Kirche nur vor kirchlichen Gerichten geregelt. Die Richter müssen der jeweiligen Konfession angehören.
Diese Regelungen finden sich in der katholischen "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" bzw. im Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirche Deutschland. In der Grundordnung wird Kündigung nur als letzte Maßnahme genannt. Dass dieser außergewöhnliche Schritt schnell erfolgen kann, zeigen einige Beispiele des Dokuments "Kündigungen in Einrichtungen kirchlicher bzw. religiöser Träger" .
Mit diesen Zuständen können sich natürlich auch die Gewerkschaften nicht einverstanden erklären. Dazu hat die ÖTV-Bayern am 19.11.1999 eine Presseerklärung herausgegeben.
Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse
Kündigungen in Einrichtungen kirchlicher bzw. religiöser Träger
Copyright © September 2000 Der Humanist
Heike Jackler