Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft

Beispiel:    Bündnis 90 / Die Grünen

 

Die Grünen haben ein ambivalentes Verhältnis zur Kirche. Einerseits fordern sie die Trennung von Staat und Kirche - in letzter Zeit hört man davon allerdings weniger -, andererseits werden die Kirchen als Partner gesehen, haben sich die Grünen auch aus kirchlichen Gruppen zusammengeschlossen.

"Aus Friedens- und Ökologiegruppen der evangelischen Kirche wie dem grünen Netzwerk Arche, Stadtökologie- und Naturschutzgruppen sowie Einzelengagierten gründete sich im Herbst 1989 die GRÜNE Partei in der DDR."

Im aktuellen "Grundkonsens der Bundespartei Bündnis 90 / Die Grünen" werden weder die Religion noch die Kirche erwähnt. Zur Demokratie heißt es dort:

"Demokratie soll die gleichberechtigte Teilnahme aller an der Gestaltung des Gemeinwesens gewährleisten... Wir fordern Demokratie in allen Lebensbereichen. Unser Ziel ist eine umfassende Demokratisierung von Staat und Gesellschaft. ...

Demokratie und Menschenrechte sind untrennbar miteinander verknüpft. Ohne Schutz der Menschenwürde, ohne Diskriminierungsverbot und das Recht, jederzeit seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, kann Demokratie nicht funktionieren."

Eine Demokratie ohne konsequente Trennung von Staat und Kirche ist aber nicht möglich, da ansonsten die geforderte "gleichberechtigte Teilnahme aller an der Gestaltung des Gemeinwesens" nicht möglich ist. Innerhalb der Kirchenstruktur ist Demokratie nur eingeschränkt vorhanden. Deshalb bildet die umfangreiche Überlassung allgemeiner Sozialeinrichtungen in kirchliche Hände in Hinsicht auf umfassende Demokratie ein Problem. Zur Demokratie zählen die Grünen das "Recht, jederzeit seine Meinung ... frei zu äußern". Dieses Recht ist für kirchliche Arbeitnehmer bei Drohung des Arbeitsplatzverlustes eingeschränkt.

 

Zu aktuellen politischen Auseinandersetzungen mit kirchlichen Positionen kommt es bei der "Gleichstellung für Schwule und Lesben", für die die Grünen in der Bundesregierung eintreten. In einer Zusammenfassung vom 22.2.00 sieht man die Einstellung der evangelischen Kirche positiv:

"Auch die Evangelische Kirche (EKD) begrüßt die Absicht der Bundesregierung, die rechtliche Stellung homosexueller Partnerschaften zu verbessern."

Verbessern ja. Gleichberechtigung nein. Am 21.2.00 berichtete die Westdeutschen Allgemeinen Zeitung:

"Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kommt eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare nicht in Frage. Auch die für die Ehe geltenden rechtlichen Bestimmungen dürften auf homosexuelle Partnerschaften nicht unterschiedslos angewandt werden, teilte das EKD-Kirchenamt in Hannover mit. 'Neue gesetzliche Regelungen dürfen nicht auf Kosten der sozialen und rechtlichen Stellung der Ehe gehen', heißt es in der Stellungnahme. Eine
Verbesserung des Rechtsschutzes für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften werde jedoch begrüßt."


Wie selbstverständlich die Kirche für viele Grüne zum Leben dazugehört, zeigt vielleicht dieses Beispiel am besten, das der Information zum "freiwilligen Engagement", zum freiwilligen sozialen Jahr vorausgeschickt wird:

"Beispiel Petra

Petra ist nächstes Jahr mit der Schule fertig und will danach erst mal was ganz anderes machen. Von zu Hause ausziehen und neue Menschen kennenlernen. Bisher hat sie sich hin und wieder in einer lokalen Jugendgruppe für den Umweltschutz stark gemacht und im Sommer Ferienfahrten für die Kinder der Kirchengemeinde organisiert. Ihr Wunsch ist es, eine solche Tätigkeit intensiver für längere Zeit zu machen."

[Quellen: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 21.02.00; www.gruene.de]

 

Antwort auf unsere Anfrage:

Eine Auskunft haben wir leider bisher nicht bekommen. Nur der Hinweis:

Wir haben die e-mail erhalten und an den zuständigen Arbeitskreis der Bundestagsfraktion AK1, Wirtschaft, Arbeit, Finanzen und Soziales zur Beantwortung weitergeleitet.

Mit freundlichem Gruß
Jens Jeschke
(Mitarbeiter Fraktionsgeschäftsführung)

 

Auf unsere freundliche Erinnerung erhielten wir wörtlich die gleiche Antwort.

[Hervorhebungen durch die Redaktion]

 

Brauchbare Informationen über die Kirche erhält man allerdings auf der Homepage der nordrhein-westfälischen Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen "Trennung von Staat und Kirche" (www.staat-und-kirche.de). Im Gegensatz zur Bundespartei erfährt man dort auch etwas über die Position der Grünen zur Kirche.

Die Arbeitsgemeinschaft prangert die enge Verquickung von Staat und Kirche an:

"[die] in Europa fast einmaligen Praxis der Einziehung von Mitgliedsbeiträgen für die beiden Großkirchen durch den Staat (Kirchensteuer),

[die] immensen finanziellen Unterstützung der Kirchen durch Bund und Länder,

[die] besonderen (teilweise diskriminierenden) arbeitsrechtlichen Regelungen für MitarbeiterInnen in konfessionellen Einrichtungen und

[die] staatlichen Garantie für in öffentlichen Schulen abgehaltenen Religionsunterricht."

 

Zur Position der Grünen (Stand 1994) für eine "gütliche Trennung von Staat und Kirche" heißt es:

"...will es lediglich eine Minderheit von 31 % beim staatlichen Eintreiben der  [Kirchen-]Steuer belassen. Ausgelöst wurde die neue Diskussion durch die Initiativen der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Die Gesetzentwürfe haben eine breite öffentliche Debatte über das Verhältnis von Staat und Kirchen ausgelöst. Den Regierungsparteien, aber auch der größeren Oppositionspartei, fehlt aber der Mut für eine Reformdiskussion. Sie wollen nicht wahrhaben, daß nach der Vereinigung völlig veränderte Verhältnisse eingetreten sind, weil die Menschen in den neuen Ländern zu zwei Dritteln konfessionslos sind."

Damals waren die Grünen noch in der Opposition.

Man erkennt Religionsfreiheit und den Einsatz der Kirchenmitglieder an, sieht aber auch Probleme:

"Bündnis 90/Die Grünen bekennen sich zur Glaubens- und Gewissensfreiheit. Jeder Mann und jede Frau haben das unveräußerliche Recht, ihr weltanschauliches oder religiöses Zeugnis abzulegen oder zu verweigern. Die Kirchen müssen selbstverständlich frei sein, sich privatrechtlich so zu organisieren, wie sie es wünschen. Jede staatliche Bevormundung lehnen wir ohne Wenn und Aber ab. So dürfen die Kirchen - ebenso wie die Parteien - nicht länger auf die Daten der Bürger bei den Einwohnermeldeämtern zugreifen.

Bündnis 90/Die Grünen würdigen ausdrücklich die hervorragende Arbeit vieler Männer und Frauen die im Rahmen ihrer kirchlichen Arbeit für Mitmenschen da sind. Mit großer Anteilnahme verfolgen wir auch die Bereitschaft von Kirchengemeinden, Asylbewerber vor der Abschiebung zu schützen. Dieses überzeugende persönliche religiöse Bekenntnis von Menschen darf aber in Zukunft nicht mehr als Vorwand herhalten, an überkommenen Privilegien der kirchlichen Obrigkeiten zu beharren."

"Wir können ... heute nicht mehr von einem allgemeinverbindlichen 'christlichen Menschenbild' ausgehen. ... Die Bevorzugung der beiden Großkirchen gegenüber den anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften hat deshalb weithin ihre Berechtigung verloren."

Während der Oppositionszeit erstellten die Grünen einen Gesetzesentwurf zur Verfassungsreform. Dort lautete es u.a.:

"Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kirchen und Religionsgesellschaften gilt das allgemeine Arbeits- und Sozialrecht."

Dazu heißt es weiter von der Landesarbeitsgemeinschaft:

"In kirchlichen Einrichtungen arbeiten etwa 600.000 Menschen. Nach dem öffentlichen Dienst sind die Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Im Gegensatz zu anderen sog. 'Tendenzbetrieben', wie den Gewerkschaften, sind kirchliche Arbeitnehmer ausdrücklich vom Betriebsverfassungsgesetz und damit von einer wirksamen Mitbestimmung ausgeschlossen. Sie sind Arbeitnehmer zweiter Klasse. Immer wieder kommt es zu Maßregelungen (vornehmlich in der katholischen Kirche), weil den Bischöfen der Lebenswandel von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht gefällt. Beschäftigte, die etwa einen geschiedenen Partner heiraten, müssen mit der Entlassung rechnen. Unabhängig davon, ob die betroffenen im Bereich der Sozialarbeit oder im Bereich der Verkündigung tätig sind, haben sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in ihrer Freizeit der Kirche unterzuordnen.

In beiden großen Kirchen sind nicht allein die Rechte der Beschäftigen, sondern auch die Arbeitsmöglichkeiten der Gewerkschaften außerordentlich beschränkt. So lehnt die katholische Kirche den Abschluß von Tarifverträgen strikt ab, während von den evangelischen Landeskirchen nur eine die ÖTV als Vertragspartnerin anerkennt. Während die Kirchen im Rahmen des sog. 'Subsidiaritätsprinzips' staatliche Aufgaben an sich ziehen, sind sie nicht bereit, den uneingeschränkten Grundrechtsschutz ihrer Arbeitnehmer anzuerkennen. Die Kindergärtnerin in einem kirchlichen Kindergarten ist arbeitsrechtlich schlechter gestellt als ihre Kollegin in einer Einrichtung der Gemeinde. Bündnis 90/Die Grünen fordern für alle Beschäftigten der Kirchen den vollen Schutz des allgemeinen Arbeits- und Sozialrechts."

Zu den kirchlichen Sozialeinrichtungen klären die Grünen auf:

"Die beiden großen christlichen Kirchen geben von den ca. 17 Mrd. DM Steuereinnahmen nur ca. 1,5 Mrd. DM für soziale Zwecke aus. Gerade über die eigentliche Verwendung der Kirchensteuer wird öffentlich gezielt Verwirrung gestiftet. Sie wird nämlich zum weitaus größeren Teil zur Unterhaltung kirchlicher Verwaltungen und für andere kircheninterne Zwecke verwendet. Bei sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft beträgt der Eigenanteil der Kirchen bei der Finanzierung im Durchschnitt weniger als 5 Prozent. Während z. B. die konfessionellen Krankenhäuser, Altenheime oder Behinderten-Einrichtungen zu 100 Prozent von denen bezahlt werden, die sie in Anspruch nehmen (bzw. Krankenkassen oder anderen Sozialkassen), beteiligen sich die Kirchen nur bei den Kindergärten mit einem Anteil um 10 Prozent an den Kosten."

Zur Kirchensteuer heißt es weiter:

"Das Argument, die Kirchensteuer sei eine Garantie für den Sozialstaat, ist also eine der best-gepflegten Legenden unserer Gesellschaft. Der Sozialstaat wird von der öffentlichen Hand und den BeitragszahlerInnen bezahlt, nicht von den Kirchen. Der völlig falsche Eindruck über die Sozialleistungen der Kirchen ist politisch gewollt."

So deutlich werden die Kirchen von der rot-grünen Regierung nicht in die Schranken gewiesen, wenn sie mal wieder in Zusammenhang mit der Steuerreform meinen, sinkende Kirchensteuereinnahmen sollten ausgeglichen werden, weil sonst der Staat kostenträchtig Aufgaben übernehmen müsste.

Trotzdem kann man die Argumente und das umfangreiche Zahlenmaterial, das die  Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen in NRW zur Verfügung stellt - insbesondere über die Staatsleistungen und Zuschüsse der öffentlichen Hand -, als Lektüre nur wärmstens weiterempfehlen: www.staat-und-kirche.de

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Copyright © Juni 2000  Der Humanist
Heike Jackler