Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft

Beispiel:    Nordrhein-Westfalen

 

NRW hat für das Bundesland ein Lexikon, das auch auf der Website von NRW hinterlegt ist, veröffentlicht. Dort findet man Informationen zu Kirche und Religion.

Stichwort "Religion":

"Insgesamt macht die eher wachsende religiöse Szene darauf aufmerksam, daß die christlichen Kirchen gegenwärtig ihr traditionelles Monopol auf Religion einbüßen. Auch für NRW gilt aber weiterhin, daß die Kirchen unangefochten die Institutionen gewissermaßen der religiösen 'Grundversorgung' bleiben."

Die Bevölkerung löst sich also mehr und mehr von den Kirchen, aber als Institutionen sind sie "unangefochten", meint NRW. Das Bundesland hat übrigens die "Ehrfurcht vor Gott" als höchstes Schulbildungsziel in seiner Verfassung verankert.

Stichwort "Katholische Kirche":

"Insgesamt zeigt sich an der Entwicklung, daß immer weniger teilnahmebereite Katholiken nachwachsen, Rückkehr zur Gottesdienstteilnahme mit zunehmendem Alter selten ist und die Jahrgänge mit hoher Bereitschaft zum Gottesdienstbesuch sich allmählich 'auswachsen'. Auf ein verändertes Verhältnis der Katholiken in NRW zu ihrer Kirche weisen auch die sprunghaft gestiegenen Kirchenaustrittszahlen hin."

Stichwort "Evangelische Kirche":

aus Tabelle 1: Durchschnittlicher Gottesdienstbesuch im Jahr 1991 in den Landeskirchen NRWs an 3 Zählsonntagen:

Rheinland:        3,8 %
Westfalen:        4,2 %
Lippe:              4,7 %     

Die Aussagen zeigen also, dass die Beziehung zwischen Kirche und Bevölkerung mehr als gestört ist. Aber das Land überlässt den beiden Großkirchen nach wie vor umfangreiche Aufgaben, die entsprechend entlohnt werden.

 

Als Antwort auf unsere Anfrage wurde auf die Broschüre "Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen", herausgegeben im Dezember 1999 vom Ministerium für Frauen und Gesundheit, hingewiesen.

 

Aus der Broschüre:

"...Die Geschichte der Krankenhäuser ... war im Abendland über Jahrhunderte eng verbunden mit der Ausgrenzung von Geisteskranken, die in 'Verwahranstalten' isoliert wurden. Die Geschichte handelt auch von Armen und von Seuchen sowie von Mitleid, Hilfe und Barmherzigkeit. Kirchenfrauen und -männer, fromme Bürger oder Adelige stifteten Hospize und gründeten Spitale ... Erst im vorigen Jahrhundert entwickelten sich sich diese Häuser zu Einrichtungen, die ... auch der Heilung Kranker dienten ... Krankheit akzeptierte man nicht mehr ohne weiteres als schicksalhaftes Ereignis, das man hinzunehmen hatte ..."

Das Paradoxe: Gerade die Organisationen, die früher das Heilen untersagten, weil Krankheit als Strafe Gottes galt und für viele noch gilt, die werdende Mütter sterben ließen, damit das Kind gerettet wird, und wenn es nur für ein paar Minuten bis zur Taufe lebte, haben jetzt einen Großteil des Krankenhauswesens unter sich.

"Die Sicherstellung der Krankenhausversorgung ist eine öffentliche Aufgabe, die von den Ländern wahrgenommen wird. ... haben die Länder darauf zu achten, dass eine patienten- und bedarfsgerechte Versorgung ... gewährleistet ist. ... In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit rund 470 Krankenhäuser ...  Die Krankenhäuser werden von kirchlichen, öffentlichen und privaten Trägern betrieben. Die Pluralität der Trägerschaft ist in Nordrhein-Westfalen besonders ausgeprägt. In kaum einem anderen Bundesland gibt es ein so starkes kirchliches Engagement im Krankenhausbereich ...: Knapp drei Viertel aller Allgemeinkrankenhäuser sind in ... freigemeinnütziger Trägerschaft."

Während in anderen Bundesländern die Trägerschaft gedrittelt ist zwischen öffentlich, privat und freigemeinnützig, hier also wirklich von "Pluralität" gesprochen wird, hat sich in NRW die öffentliche Hand bis auf 6 % aus dem Krankenhauswesen zurückgezogen. Den freigemeinnützigen Trägern, das sind meist Kirchen bzw. kirchenzugehörige Organisationen, werden 72 % der Krankenhäuser überlassen. Die "besonders ausgeprägte Pluralität" ist aus Sicht kirchenferner Bürger nicht gegeben.

"Krankenhäuser sind große, vielschichtige Dienstleistungsunternehmen. ... Ärztinnen und Ärzte, Schwestern und Pfleger sind rund um die Uhr für die Kranken da. Auf das Wohl der Patientinnen und Patienten bedacht sind aber auch die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Kranken kaum einmal zu Gesicht bekommen: Die Beschäftigten in den Labors, in der Küche, im Reinigungs- und Transportdienst, in der Haustechnik und in der Verwaltung."

Krankenhäuser sind also Dienstleistungsunternehmen und keine karitativen Einrichtungen. Es wird Leistung erbracht und der Träger wird dafür bezahlt. Übrigens: Die vielen Mitarbeiter, die oben erwähnt werden, sind, falls sie in kirchlichen Krankenhäusern arbeiten, in ihrer Religionsfreiheit und in der Gestaltung ihrer Lebensumstände eingeschränkt. Im Krankenhaus arbeiten Beschäftigte mit über hundert Berufsbildern. Dazu gehören medizinisch/ärztliche Berufe, helfende und pflegende Berufe, technische und versorgende Berufe, Verwaltungsberufe.

In der Broschüre der Landesregierung folgt eine ausklappbare, zeichnerische Darstellung aller Tätigkeiten und Räumlichkeiten eines Krankenhauses. In dieser Grafik findet sich auch die "Seelsorge" und eine "Kapelle" mit Priester, eindeutig an Kreuz und Christuszeichen als christlich zu erkennen.

Werbung für die Kirche durch den weltanschaulich neutralen Staat?

Diese Darstellung widerspricht der Verpflichtung des Staates zur weltanschaulichen Neutralität - auch wenn sie der Realität entspricht. In Krankenhäuser, auch in den nicht-kirchlichen, gibt es nur Andachtsräume in kirchlicher Hand, oft staatlich finanziert. Den nicht-christlich Religiösen bzw. den Religionsfreien, die ebenfalls einen Platz zur Inneren Einkehr brauchen, steht Vergleichbares in der Regel nicht zur Verfügung. 

"Für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse rechnet das Krankenhaus direkt mit der Krankenkasse ab. Diese Abrechnung basiert auf zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vereinbarten Pflegesätzen bzw. Entgelten ... Mit der Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen sind die allgemeinen Krankenhausleistungen abgedeckt. ... Die Leistungen werden vergütet durch Fallpauschalen [ärztliche, pflegerische Versorgung, Aufenthalt, Verpflegung, Nebenkosten], Sonderentgelte, Abteilungspflegesatz [alle medizinischen Kosten] und Basispflegesatz [Unterkunft, Verpflegung, Verwaltungskosten sowie alles andere]."

Krankenhäuser bieten ihre Leistungen also nicht als soziale Tat an, sondern sie werden als Unternehmen dafür bezahlt.

"Krankenhäuser sind auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Im Durchschnitt werden in jedem Krankenhaus in NRW jährlich zweistellige Millionenbeträge umgesetzt. Im Jahre 1998 lag der Gesamtumsatz ... bei etwa 25 Milliarden Mark. ... Häufig zählen Krankenhäuser zu den größten Arbeitgebern einer Stadt oder Region; ... sichern sie weitere Arbeitsplätze bei ihren Zulieferern. ... Mit insgesamt rund 240.000 Beschäftigten gehört das Krankenhauswesen zu den personalintensiven Bereichen und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Beschäftigung. In den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern arbeiten inzwischen wesentlich mehr Menschen als in den klassischen industriellen Bereichen von Kohle und Staat. ... Die Krankenhäuser erfüllen in erheblichem Umfang Aus- und Weiterbildungsaufgaben für das gesamt Gesundheitswesen."

Hier wird deutlich, in welchem Umfang sich das weltanschaulich neutrale Land von zwei christlichen Religionsgemeinschaften abhängig gemacht haben. Knapp drei Viertel von 25 Milliarden Mark setzten die kirchlichen Unternehmen im Krankenhauswesen um. Die Kirchen haben nicht nur Einfluss auf die Mitarbeiter, sondern ihre Wirtschaftsmacht ist groß genug, um auch Einfluss auf die Zulieferer auszuüben. Außerdem haben die kirchlichen Träger einen Großteil der Ausbildung im Gesundheitswesen in ihrer Hand. Das bedingt für die Auszubildenden, wie für alle anderen Mitarbeiter in kirchlichen Krankenhäusern, in der Regel Zwangsmitgliedschaft in der Kirche, also Glaubenszwang.

"... hat das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Krankenhausbedarfsplanung und der Krankenhausförderung in erheblichen Umfang beigetragen. So wurden in den Ausbau, Erhalt und die Modernisierung der Krankenhäuser in NRW seit 1984 über 16 Milliarden Mark investiert...."

Investitionen für die Krankenhäuser tätigt das Land.

 

"Investitionskosten von Krankenhäusern werden nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz und den Vorschriften dieses Abschnitts auf Antrag gefordert. Dies gilt auch für ... Ausbildungsstätten. ...

Zur Förderung des Krankenhausbaus stellt das zuständige Ministerium auf der Grundlage des Krankenhausplans ein Investitionsprogramm ... auf. ..."

Investitionskosten werden für 1. die Errichtung von Krankenhäusern (Neubau, Umbau, Erweiterungsbau) einschließlich der Erstausstattung ..., 2. die Wiederbeschaffung von Anlagegütern ..., 3. die Ergänzung von Anlagegütern ...im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gefördert (Einzelförderung.)

Gefördert werden die Kosten, die für eine ausreichende und medizinisch zweckmäßige Versorgung nach den Grundsätzen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erforderlich sind. Die Folgekosten ... sind zu berücksichtigen.

Der Festbetrag ist so zu bemessen, dass die entstehenden förderungsfähigen Kosten ... gedeckt werden. Eingesparte Fördermittel sind für andere Investitionen ... zu verwenden.

Die Fördermittel sind über ein besonderes Bauabrechnungskonto abzuwickeln. Zinserträge und sonstige Nutzungen werden auf die bewilligten Mittel angerechnet."

Soweit zur Einzelförderung. Die letzten beiden Sätze zeigen, dass die Krankenhausträger für Investitionen in der Regel keine Vorschussfinanzierung leisten müssen.

"Durch feste jährliche Beträge (Jahrespauschalen) werden gefördert 1. die Wiederbeschaffung von Anlagegütern ..., 2. sonstige ... Investitionen [wenn die Kosten für das einzelne Vorhaben bestimmte Beträge nicht überschreiten].

Die Fördermittel sind bis zur zweckentsprechenden Verwendung auf einem besonderen Bankkonto zinsgünstig anzulegen."

Auch die Pauschalförderung wird im Voraus geleistet.

"Die ... Krankenhäuser müssen organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige Betriebe sein; sie sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben."

Wenn die Krankenhäuser wirtschaftlich eigenständig sein sollen, kann und darf das kirchliche Krankenhauswesen gar nicht mit den übrigen Kirchenfinanzen, u.a. der Kirchensteuer, verquickt sein. Die Krankenhausfinanzierung kann also nicht Grundlage der genannten Pressemeldungen der Kirchenleitungen sein.

"Die Rechtsverordnung aufgrund von § 8 Abs. 2 sowie die Regelungen des § 2 Abs. 4, § 9 und des § 35 Abs. 1 gelten nicht für Krankenhäuser, die von Religionsgemeinschaften oder diesen gleichgestellten oder ihnen zuzuordnenden Einrichtungen betrieben werden. [Dies] gilt unabhängig von der Rechtsform der Einrichtung. Die Religionsgemeinschaften treffen für diese Krankenhäuser in eigener Zuständigkeit Regelungen, die den Zielen dieser Vorschrift entsprechen, für § 2 Abs. 4 soweit möglich."

Für die Wirtschaftsbetriebe "Kirchliches Krankenhaus", egal in welcher Rechtsform, gelten also einige Regelungen nicht, auch wenn sie genau wie andere Krankenhäuser geführt und finanziert werden. D.h. in NRW werden für immerhin fast drei Viertel aller Krankenhäuser Ausnahmen von bestimmten Gesetzesvorschriften gewährt. Diese Ausnahmen beziehen sich auf:

§ 8 Abs. 2: die Regelung der Krankenhaushygiene durch das zuständige Ministerium.

§ 2 Abs. 4: die Mitwirkung mit einem Angebot zum Schwangerschaftskonfliktgesetz, mit anderen Worten die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen.

§ 9: betrifft die Bildung einer Arzneimittelkommission.

§ 35 Abs. 1: die Mitwirkung des Personals in der Betriebsleitung. Wörtlich: "In dem Krankenhaus wird eine Betriebsleitung gebildet. ... An der Betriebsleitung sind eine Leitende Ärztin oder ein Leitender Arzt, die Leitende Pflegekraft und die Leiterin oder der Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungsdienstes zu beteiligen. Der Krankenhausträger regelt die Aufgaben der Betriebsleitung und die Zuständigkeiten ihrer Mitglieder."

Für die Krankenhaushygiene und die Arzneimittelkommission heißt es noch in einem Nachsatz, dass "der Standard ... nicht hinter den ... [sonst geltenden] Bestimmungen zurückbleiben" darf. Schwangerschaftsabbrüche jedoch müssen nur durchgeführt werden, "soweit möglich"; d.h. ein Großteil der Krankenhäuser fällt bei diesem gesetzlich geregelten Angebot raus.

Zur Mitwirkung des Personals in der Betriebsleitung gibt es im Gesetz keinen Nachsatz, der eine ähnliche Regelung auch für kirchliche Krankenhäuser und deren Mitarbeiter fordert. Dies ist allein Sache der Kirche.

[Hervorhebungen durch die Redaktion]

 

Fazit: In NRW wird das Krankenhauswesen zu einem großen Anteil in die Hände der beiden christlichen Großkirchen gegeben, obwohl die Bevölkerung ein distanziertes Verhältnis zu den Kirchen hat.

Die Finanzierung erfolgt über die Krankenkassen und die Landesförderung. Die Krankenhäuser müssen wirtschaftlich eigenständige Betriebe sein und gelten somit auch als Dienstleistungs"unternehmen". Eine Verbindung zur Finanzierung der Amtskirchen kann nicht hergestellt werden. Die in der Broschüre dargestellten Verhältnisse lassen aber ahnen, welche wirtschaftliche Macht hinter solchen Äußerungen in Zusammenhang mit der Kirchensteuer stehen, die den Rückzug aus dem Krankenhauswesen "androhen".

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Copyright © Mai 2000  Der Humanist
Heike Jackler