Wissenschaft: News
"Ich möchte lieber eine einzige Ursache begreifen als der König von Persien sein." – Demokrit von Abdera

Ständige Projekte

Origins of Violence
Diese Seiten beschäftigen sich mit den entwicklungspsychologischen Ursprüngen körperlicher Gewalttätigkeit und Aggression. Dabei werden vor allem die Arbeiten James W. Prescotts aus den 60er und 70er Jahren präsentiert. Sehr lesenswert ist insbesondere der Text "Body Pleasure and the Origins of Violence" (Link auf die deutsche Übersetzung).

  • Projektleiter: Erik Möller

Waffe und Wirkung
Wie funktionieren Waffen, und wie wirken sie auf den Menschen und seine Umgebung? Wenn man sich die Wirkungsweise der Maschinerie des Todes vor Augen führt, wird die Perversion des Krieges und die Notwendigkeit eines rationalen Pazifismus offensichtlich.

  • Projektleiter HTML: Erik Möller

 9. Januar 2001 · Wissenschaft: Vegetarismus aus primär global-ökologischer Sicht

"Moralische Bedenken gegen Kalbsbraten?
Von seiten der Erzieher nicht.
Von seiten der Jurisprudenz nicht.
Von seiten der Moraltheologie nicht.
Von tausend anderen moralischen Seiten nicht.
Von der des Kalbes vielleicht?"
(Dr. Karlheinz Deschner)

Wenn Dir wirklich was an diesem Planeten liegt, werde Vegetarier!
Ein persönlicher Kommentar von Herbert Ferstl

Schon stets haben Menschen und ebenso unsere höhlenbewohnenden Vorfahren Fleisch gegessen. Dies aber äußerst selten und meist nur im rohen, nicht denaturierten Zustand, z.B. lebende Käfer, Engerlinge, Teile von frischen Tierkadavern, etc..
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass unsere sehr frühen Vorfahren so gut wie kein Fleisch gegessen haben, außer in extremen Krisenzeiten. Erst während der letzten Eiszeit, als es das "normale" Nahrungsmittel wie z.B. leicht zu sammelnde Wald- und Wiesenkräuter, Wildfrüchte, Wurzeln, Pilze, Beeren, Nüsse, Samen, wildes Obst und Gemüse nicht mehr in ausreichender Menge zu jeder Jahreszeit gab, waren die Früh-Menschen gezwungen, vermehrt tierische Nahrung zu sich zu nehmen. Diese Betrachtung mag auch sehr einleuchtend sein, da die Jagd auf wilde und große Tiere enorme logistische, gemeinsame und körperliche Anstrengungen bedingte und zudem eine recht gefährliche Angelegenheit war, die nicht selten tödlich endete.
Auch die körperlichen Konstruktionen, bzw. der Aufbau des Verdauungssystems unterscheidet zwischen Lebewesen, die sich vorwiegend von Fleisch oder von Pflanzen ernähren. Das Verdauungssystem von Fleischfressern ist in Relation zur Körperlänge sehr kurz. Es hat etwa die 3-fache Körperlänge. Das schnell verwesende Fleisch steht dadurch nur "kurz" als lebenswichtiger Energieträger zur Verfügung. Entstehende Fäulnisbakterien werden schnell ausgeschieden. Dagegen weist die Darmlänge des Menschen im Verhältnis zur Körperlänge andere Dimensionen auf. Nämlich das von Pflanzenfressern. Das menschliche Verdauungssytem beträgt etwa das 12-fache der Körperlänge. Fleisch verfault deshalb oftmals, bis es den menschlichen Darmausgang passiert hat. Eine Ursache auch dafür, dass der Geruch unseres Kotes unangenehm ist. Je vegetarischer, je veganer man sich ernährt, desto geringer wird dieser üble Kotgeruch. Da der Darm die "Wurzel" des Menschen ist, kann man sich leicht vorstellen, was hier alles für potentielle Giftstoffe in den Körper gelangen können.

Planzliches Eiweiß ist wesentlich leichter verdaulich und mindestens von gleichem Nutzen. Selbst das von Kritikern oft genannte Vitamin B12 konnte schon in kleinsten Mengen in Pflanzen nachgewiesen werden. Für ängstliche Artgenossen schaffen Algentabletten (Spirulina) die nötige psychische und gesundheitliche Sicherheit. Der Nebeneffekt ist die ausreichende Versorgung mit natürlichem Jod, das meist in zu geringen Anteilen in unseren Böden, respektive Nahrung vorhanden ist.
Kritiker verweisen auf abgeschiedene Völker, wie z.B. die Eskimos die sich überwiegend von tierischem Eiweiß, insbesondere von Meeresbewohnern ernähren. Vegetarier verweisen dagegen bevorzugt auf den nordindisch-pakistanischen "Hunza"-Stamm, dem der Fleischverzehr fast völlig unbekannt war und dessen Bewohner sich bester Gesundheit bis ins hohe Alter erfreuten. Sie wurden bis zu 130 Jahre alt. Krankheiten wie wir sie kennen, waren diesem Volk unbekannt.
Zu diesen Themen gibt es interessante Literatur z.B. "Die Eskimo-Diät", die unter anderem den Nachweis erbringt, dass Eskimos trotz des hohen Fischfleischanteils an ihrer Ernährung keine Herzinfarkte kennen. Primärer Schutz bietet hier das so genannte Fischöl, dass die Adern und die Herzgefässe geschmeidig und elastisch hält.
Viele Spitzensportler (z.B. der Triathlet Dave Scott) verzichten völlig auf Fleisch, da dadurch nachweislich die Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird.

Ein weiteres Argument gegen Fleischverzehr ist ein rational verifizierbares. Fleisch ist die unwirtschaftlichste Ernährungsform. Die Kosten für ein Pfund Fleischeiweiß sind zwanzigmal höher als die gleiche Menge aus essbarem Pflanzeneiweiß.
Nur 10 Prozent des Eiweißes und der Kalorien, die wir an unser Schlachtvieh verfüttern, erhalten wir durch das Fleisch, das wir essen, wieder zurück. Große Landgebiete werden somit zur Viehhaltung genutzt. In Nordamerika wird z.B. die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche nur zum Anbau von Futtermitteln für die Rinder- und Schweinemast verwendet. Insgesamt werden etwa 80 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Flächen dafür benutzt, um Tiere zu züchten.

Auf einem Hektar Land können 22.500 kg Kartoffeln angebaut werden, doch nur 185 kg Rindfleisch können auf der gleichen Fläche produziert werden. In Brasilien wurden in den letzten 20 Jahren fast 40 Prozent der Tropenhölzer abgeholzt – hauptsächlich um riesige Weideflächen und Monokulturen für den Anbau von Futtermitteln anzulegen. 325.000 qkm Regenwald werden jedes Jahr vernichtet, um darauf Tiere für den Verzehr zu züchten. Für jeden "Viertelpfünder"-Hamburger aus Regenwald-Rindfleisch werden 50 qm Land verbraucht.
Auf einem Hektar Land kann mindestens siebenmal mehr pflanzliches Eiweiß (z.B. Soja) als tierisches Eiweiß produziert werden. Zudem enthalten Sojabohnen weniger Fett und sind frei von Fleischgiften sowie von Medikamentenrückständen und Krankheitserregern (Stichworte hierzu sind: hormonelle Wachstumsförderer, prophylaktische Arzneimittelgaben und Impfungen, Resistenz gegen Antibiotika, BSE).

Aber auch ein in Zukunft wertvoller "Rohstoff", Wasser, wird durch Viehzucht enorm verschwendet. Die Tierhaltung in der Landwirtschaft ist mit eine der grössten globalen Wasserverbraucher. Man schätzt, dass die Wassermenge, die für die Produktion von Fleisch benötigt wird, mindestens achtmal so hoch ist, als bei der Bewirtschaftung mit Gemüse und Getreide. Für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch werden rund 20.000 Liter Wasser – also 20 kbm Wasser - benötigt. Für die Herstellung von einem Kilo Weizen werden etwa nur 50 Liter Wasser benötigt. Die verbrauchte Wassermenge für 5 kg Rindfleisch - also etwa 100 kbm - entspricht dem durchschnittlichen Jahreswasserverbrauch eines 2-Personen-Haushaltes. Amerikaner verbrauchen – bedingt durch die Fütterung des fleischproduzierenden Schlachtviehs - mehr als 1.000 kg Getreide pro Person und Jahr, während der Rest der Welt einen Durchschnitt von 200 kg hat.

Ein weiterer Aspekt ist der hohe Ausstoß an Methan, den zig-Millionen Schlachttiere produzieren und somit die Atmosphäre belasten, wenn nicht sogar angreifen und somit zur Ausweitung des Ozonloches beitragen. Über 90% aller Ammoniak-Emissionen stammen aus dem Kot und Harn landwirtschaftlicher Nutztiere, über 66 Millionen Tonnen Gülle allein in Deutschland, die z.T. ins Grundwasser gelangen.
Die Fleischindustrie verursacht mit die größte Umwelt- und Wasserverschmutzung. Alleine in den USA scheiden die Tiere, die für den menschlichen Verzehr gezüchtet werden, 130 mal mehr Exkremente aus, als die gesamte Weltbevölkerung: 39.000 kg (also 39 Tonnen) pro Sekunde. Eine typische Schweinefarm produziert etwa soviel Exkremente, wie eine Ortschaft mit 12.000 Einwohnern.
Auch die Energiebilanz ist erdrückend. Mehr als ein Drittel der gesamten Rohmaterialien und des fossilen Brennstoffes in den USA werden für die Aufzucht von Tieren für den menschlichen Verzehr verbraucht. Die Produktion eines einzigen Hamburger verbraucht in der Energiebilanz genausoviel fossilen Brennstoff wie ein Kleinwagen für eine Fahrt von 32 km und soviel Wasser, um 17 mal zu duschen.

Der Deutsche isst durchschnittlich ca. 65 Kilo Fleisch im Jahr – knapp 25 Kilo mehr als vor 50 Jahren. Vor 200 Jahren wurden 17 Kilo pro Einwohner gerechnet.
Dafür dämmern in der BRD etwa 24 Millionen Schweine, 100 Millionen Hühner und 16 Millionen Rinder in dunklen, engen Ställen ihrer Schlachtung entgegen. Allein die BRD führt dafür pro Jahr 50 Millionen Tonnen Futtermittel ein.
Dagegen werden nun z.B. im "Reich der Mitte" - in China - etwa eine Milliarde Menschen darauf vorbereitet, statt primär Tofu, Reis, Soja, etc. nun zunehmend Schweine- und Rindfleisch auf den täglichen Essenstisch zu stellen. Westliche Fleischkonzerne bemühen sich gezielt um diesen Absatzmarkt und bewerben derzeit ihre Produkte mit Slogans vom angeblich besseren Leben und suggerieren höheren Lebensstandard. Sicher wird in China damit der Reibach gemacht (Stichwort: Mc Donald).

Lässt sich als Resümee fragen, ob man somit als Vegetarier nicht auch einen persönlichen Anteil zur Verbesserung der menschlichen und ökologischen Existenzgrundlagen auf dieser Erde beiträgt?
Vegetarier leben gesünder – und länger, haben bessere Werte bei Blutfett, Blutdruck, Harnsäure und Nierenfunktion. Sie leiden seltener an Herz-Kreislauf-Krankheiten, unter Darmträgheit und Krankheiten der Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse. Diese Aussagen hat eine große britische Studie jetzt wieder bestätigt. Wer fleischlos lebt, hat ein insgesamt um mehr als 20 Prozent verringertes Mortalitätsrisiko und die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu sterben, sinkt sogar um etwa 40 Prozent, haben Dr. Margaret Thorogood aus London und ihre Kollegen herausgefunden (Ärzte Zeitung 117/28.06.1994)
Ausserdem gibt es wunderbare vegetarische Essrezepte. Vegetarisch leben heißt nicht, auf Genuss zu verzichten. "Vegetarisch Fit" ist der Titel einer monatlich erscheinenden Zeitschrift, das dieser Ernährung gerecht wird und viele Anregungen, sowie tolle Rezepte liefert.

Meine Schlussfolgerung lautet deshalb:
Das Beste was man für die Umwelt tun kann, ist, Vegetarier zu werden. Unser Planet Erde und vor allem die Tiere, sowie die Menschen in der Dritten und Vierten Welt werden dafür dankbar sein. (H.F.)

 8. Januar 2001 · Wissenschaft: Studie zu Mifegyne vorgestellt

Kirchenfürsten verglichen ihren Einsatz mit Gaskammern im Dritten Reich, auch der nie stattgefundene Kindermord des Herodes musste als Abschreckung herhalten. Als diese Absurditäten nichts fruchteten, bemühten die Lebensschützer Studien, die angeblich besagten, Schwangerschaftsabbrüche mittels Pille würden die Frauen stärker psychisch belasten.

Nun wurde das Zwischenergebnis einer ersten Anwendungsstudie in Deutschland zum Thema Mifegyne vorgestellt. Die DRK-Frauenklinik in Berlin hat 100 Frauen nach ihren Erfahrungen und Motiven befragt. Ergebnis:

Die Abtreibungspille belastet Frauen nicht stärker als ein chirurgischer Schwangerschaftsabbruch. Gut 80% der befragten Frauen würden sich wieder für den medikamentösen Abbruch entscheiden. Bei Frauen, die Erfahrungen mit beiden Methoden gemacht hatten, waren es sogar 90%.

In Deutschland werden bisher nur 3% aller Abbrüche medikamentös eingeleitet. (H.J.)

[Quelle: ARD-Videotext, Gesundheit, 08.01.01]

 7. Januar 2001 · Wissenschaft: Langlebiges Treibhausgas entdeckt

Bereits im Sommer des Jahres 2000 entdeckten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz zusammen mit us-amerikanischen und britischen Kollegen ein neues Treibhausgas. Diese internationale Forschergruppe hat eine bisher in der Atmosphäre unbekannte chemische Substanz, das Trifluormethylschwefelpentafluorid (SF5CF3), entdeckt.

Nach Aussage der Chemiker handelt es sich um ein sehr langlebiges Gas, das bis zu 1.000 Jahre und mehr in der Atmosphäre schweben könnte. Wegen seiner hohen Aufnahmefähigkeit für Infrarotstrahlen wirkt es schätzungsweise 18.000 Mal so stark wie Kohlendioxid. Das Gas sei derzeit noch sehr selten, sagen die Forscher, seine Konzentration steige aber jährlich um sechs Prozent.
Entdeckt wurde das Trifluormethylschwefelpentafluorid bei der Feinanalyse von Luftproben, die aus dicken Firnschneeschichten in der Antarktis stammen. Diese Schneeschichten sind bis zu 100 Meter dick und enthalten Einschlüsse von Luft, die 50 und teilweise sogar 100 Jahre alt sind. Die Luftproben wurden im Max-Planck-Institut für Chemie und in Norwich (UK) mit höchster Präzision analysiert.
Nach Auffassung der Forschergruppe gibt es keinen Zweifel, dass das neu entdeckte Gas SF5CF3 industriellen Ursprungs ist oder in technischen Prozessen entsteht, bei denen industrielle Gase verwendet werden. Möglicherweise entsteht dieses Gas bei Entladungen und Schaltvorgängen in Hochspannungsanlagen. Fest steht nur, dass es chemisch eng verwandt mit Schwefelhexafluorid (SF6) ist. SF6 findet Verwendung in elektrischen Schaltanlagen, um Funkenbildung zu unterdrücken, als Schutzgas bei Metallschmelzen, in Tennisbällen, Autoreifen oder sogar in Laufschuhen. Aufgrund seiner guten Isolierungseigenschaften wurde es auch in Schallschutzfenstern verwendet.

Carl Brenninkmeijer, Projektleiter vom Max-Planck-Institut für Chemie, erklärte hierzu, dass die zufällige Entdeckung dieses unbekannten Treibhausgases zeige, dass man sensibel mit der Atmosphäre umgehen müsse. Ohne es zu wissen, habe der Mensch seit fast 50 Jahren ein sehr starkes und langlebiges Treibhausgas freigesetzt. Jetzt gehe es darum, die Quelle dieses Gases zu finden und zu versuchen, seine Zunahme in der Atmosphäre zu bremsen, auch wenn die Konzentrationen noch relativ gering seien. (H.F.)

[Quelle: Nürnberger Zeitung vom 06.01.2001, (NZ am Wochenende, Seite 5)]

 8. Oktober 2000 · Wissenschaft: Harmlose Mobilfunkstrahlung?

Der Absatz boomt. Viele Deutsche wollen ein Mobilfunktelefon (Handy). Doch die für die Nutzung der Geräte notwendigen Antennen wollen nicht mehr alle Betroffenen klaglos in der Nähe ihres Wohnortes aufstellen lassen.
Bisher kamen die Mobilfunkbetreiber mit Radien von 500 Metern um die Anlagen aus, da der bisherige GSM-Standard (Global Standard Mobile Telephon) primär für den „Sprachgebrauch“ ausgelegt war.
Doch jetzt rauscht es wieder besonders heftig im Antennenwald, denn das zukunftsträchtige UMTS (Universal Mobile Telephon System) erfordert ein dichteres Netz von ganz neuen Sendeanlagen, damit größere Datenmengen - z.B. Bilder, Videosequenzen - technisch einwandfrei übertragen werden können. Für diese UMTS-Anlagen verkürzen sich die Radien der Sendeanlagen auf etwa 250 Meter.
Gegen Mobilfunkmasten, die demnächst wie Spargel aus den Dächern der Häuser sprießen werden, machen immer mehr Bürgerinitiativen mobil (daher wohl auch der Name MOBILfunk). Die Sorgen der Bürger gelten vor allem den gesundheitlichen Auswirkungen der elektromagnetischen Felder.

Nun hat auch das bayerische Umweltministerium eine so genannte Rinder-Studie in Auftrag gegeben. Anlaß waren Fälle von Mißbildungen und Fehlgeburten bei Rindern auf einem Bauernhof im oberbayerischen Schnaitsee. Dieser landwirtschaftliche Betrieb steht in unmittelbarer Nähe einer leistungsstarken Mobilfunk-Basisstation. Entgegen laut gewordenen Vorwürfen, die Ergebnisse der Studie würden unter Verschluß gehalten, verweist das Umweltministerium auf die Fertigstellung des Gutachtens bis Anfang Dezember zu einem Mobilfunk-Hearing im Bayerischen Landtag. Dennoch gelang es REPORT MAINZ Teilergebnisse dieser Studie zu veröffentlichen. Demnach verhalten sich Tiere auf Bauernhöfen in der Nähe von Mobilfunkanlagen signifikant anders als Tiere auf Höfen ohne Strahleneinfluss.
Die untersuchenden Wissenschaftler stellten insbesondere ein verändertes Weide-, Futter- und Liegeverhalten fest. Die Ergebnisse, so die Wissenschaftler, weisen auf „Zusammenhänge zwischen Strahlenexposition und Verhalten hin.“ Sie vermuten, „dass die Strahlenwirkung einer chronischen Stressbelastung ähnelt.“ REPORT MAINZ hat auch erfahren, dass die Zahl der Mißbildungen in der Nähe von Mobilfunkstationen erheblich höher sein soll als bei Rinderbeständen auf Höfen ohne Mobilfunkstrahlung.
Bereits vor wenigen Wochen warnte Klaus Schlaefer vom deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg in einem Interview, dass Kinder nicht zu viel mit Handys telefonieren sollten. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass elektromagnetische Strahlen Tumore verursachen, jedoch sei es durchaus möglich, dass sich bereits bestehende Tumore durch die Wellen schneller entwickeln.

„Schaun`mer mal“ (O-Ton Franz Beckenbauer), was am Ende die offizielle Studie des Umweltministeriums noch alles beinhaltet und wie vehement mögliche Restriktionen gegen die Masten der Mobilfunkindustrie durchgesetzt werden - denn pikanterweise sind die neuen UMTS-Masten baurechtlich genehmigungsfrei, da sie nicht höher als zehn Meter sind. (H.F.)

[Quellen:
Tageszeitung Nürnberger Nachrichten, vom 07./08.10.2000
Naturkostmagazin "Schrot & Korn", Oktober 2000
http://nachrichten.br-online.de, vom 07.09.2000]

 5. August 2000 · Wissenschaft: Naher Planet entdeckt

Im System Epsilon Eridani, 10.5 Lichtjahre von der Erde entfernt, wurde ein Jupiter-großer Planet indirekt entdeckt. Weil Planeten im Vergleich zu Sternen winzig klein sind - die Sonne macht rund 99,8% der Masse unseres Sonnensystems aus, und Jupiter enthält von den verbleibenden 0,2% den größten Teil - ist es so schwer, sie zu entdecken.

Und da die Politik das Geld lieber in Projekte à la Transrapid, Expo und Eurofighter investiert, gibt es bisher nur wenige Bemühungen, bessere Teleskope zu bauen. So beschränken sich alle unsere derzeitigen Ergebnisse auf Planten in der Größenordnung von Jupiter, und selbst die können wir in der Regel nur indirekt beobachten.

Ein interessantes NASA-Unternehmen in diesem Forschungsfeld ist der Terrestial Planet Finder, ein Weltraumteleskop, das um 2010 gestartet werden soll und aus einem erd- oder jupiternahen Orbit Planeten von der Größe der Erde in einem Umfeld von rund 50 Lichtjahren entdecken könnte. Die Auflösung soll 100mal größer sein als die von Hubble.

Eine Liste der bisher entdeckten extrasolaren Planeten findet sich hier, eine schöne Einführung in unser eigenes Sonnensystem ist die Nine Planets Seite. (EMÖ)

 11. Juli 2000 · Wissenschaft: Verbotene Wissenschaft

Im amerikanischen New Scientist ist ein hochinteressanter Artikel erschienen, der den Kampf religiöser Fundamentalisten gegen die Evolutionstheorie beleuchtet. Nicht nur inden USA, weltweit haben weltfremde Fanatiker durchgesetzt, dass eine der elementarsten Lehren zum Verständnis unserer Umwelt und unserer selbst tabuisiert wurde. Viele Lehrer in den USA trauen sich gar nicht mehr, das Thema anzusprechen, andere erzählen mit Eifer von Dinosauriern, die noch im 19. Jahrhundert gelebt hätten, und wie das Zweite Gesetz der Thermodynamik mit dem Sündenfall von Adam & Eva in Kraft getreten sei.

Es finden sich im Artikel auch eine Umfrage über den gewünschten Schulunterricht (60 % der Amerikaner wollen demnach Evolutionstheorie und Kreationismus-Unfug gleichberechtigt unterrichtet sehen – Sample Size ist nicht angegeben), eine Übersicht über weltweite Kreationismus-Bewegungen und eine Zeitlinie der wichtigsten themenrelevanten Ereignisse in den USA (JavaScript erforderlich). (EMÖ)

 30. Mai 2000 · Wissenschaft: Ran an die Brust

Neueste wissenschaftliche Forschungen belegen, dass mit Muttermilch gestillte Säuglinge intelligenter sind als so genannte Flaschenkinder. Diese Ergebnisse bestätigen nun bereits frühere Untersuchungen, die bisher noch als umstritten galten.

US-amerikanische Wissenschaftler aus Dallas haben nachgewiesen, dass insbesondere zwei Bestandteile der Muttermilch für die erhöhte Intelligenz des gestillten Nachwuchses verantwortlich sind. Es handelt sich hierbei um die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Arachidonsäure.

Hat man in den Versuchsreihen bei Flaschenkindern in den ersten 17 Lebenswochen die Flaschenmilch mit diesen Fettsäuren angereichert, erzielten diese Säuglinge bei entsprechend normierten IQ-Tests nach 14 Monaten im Durchschnitt sieben Punkte mehr als Gleichaltrige, die mit der Standard-Ersatzmilch gefüttert wurden.

Etwas mehr 25 Prozent der Probanden - mit der angereicherten Flaschennahrung - konnten sogar 15 Punkte mehr als der Durchschnitt erreichen (leider wurde die Durchschnittspunktzahl der gesamten Teilnehmer nicht veröffentlicht).

Weiterhin wurde angegeben, dass insbesondere die Arachidonsäure für die gesteigerten psychomotorischen Fähigkeiten der Kinder verantwortlich ist.

Darüber hinaus wirkt sich beim Stillen der zusätzliche körperliche Hautkontakt der Mutter zum Säugling positiv auf die gesamte Entwicklung des Kindes aus. Die psychische und physische Nähe der Mutter, deren "Streicheleinheiten" sowie deren Körperwärme sind ein wichtiger Entwicklungsbestandteil. Siehe hierzu auch WISSENSCHAFT: THE ORIGINS OF PEACE AND VIOLENCE. (H.F.)

[Quelle: Spektrum der Wissenschaft 06/2000]

 24. April 2000 · Wissenschaft: Time-Life-Filmdokumentation Rock A Bye Baby komplett online

Die 30minütige Time Life-Dokumentation Rock A Bye Baby von 1970 ist mit Erlaubnis der Rechteinhaber komplett bei uns im Netz. Sie ist eingegliedert ins Origins of Violence Archiv dieser Site. Zum Abspielen ist der RealPlayer erforderlich.

Rock A Bye Baby dokumentiert wissenschaftliche Forschungen um 1970, die einen Zusammenhang zwischen abnormaler Gehirnentwicklung und dem Entzug verschiedener sensorischer Stimuli herstellen. Dabei geht es insbesondere um die Notwendigkeit von zärtlichen Berührungen und Bewegung für eine gesunde kindliche Entwicklung.

Das Wiegen von Säuglingen ist besonders wichtig. Sowohl beim Menschen als auch bei Affen führt der Entzug solcher Reizungen zu Gehirnschäden, die wiederum Aggressivität und Lernschwächen sowie ein merkwürdiges, ununterbrochenes Kopfwiegen hervorrufen. Dies zeigen auf der Site zwei Animationen.

Eine deutsche Zusammenfassung des Films ist ebenfalls verfügbar. Wir freuen uns, diese wichtige und mehrfach ausgezeichnete Dokumentation auf diese Weise ins digitale Zeitalter gerettet zu haben. (EMÖ)

 1. März 2000 · Wissenschaft: "Origins of Violence": Neues Design

Unser meistbesuchtes Projekt, The Origins of Violence, hat ein neues Design. Neue Texte werden in Kürze hinzugefügt. Siehe Wissenschaft: Origins of Violence. (EMÖ)

 28. Februar 2000 · Wissenschaft: Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches senkt Kriminalitätsrate

Evident geht seit acht Jahren in den USA die Kriminalität stetig zurück, und seither tobt ein "Glaubenskrieg" um die Ursachen. Je nach ideologischer Fasson wird auf die stärkere Polizeipräsenz auf den Straßen, die Politik der "Nulltoleranz" gegenüber Delinquenten, die immens hohe Zahl der Inhaftierten (siehe Humanist-News-Meldung vom 26.02.2000), das Abflauen der Drogenepidemie oder auf den anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung samt "Jobwunder" verwiesen. Zwei us-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler meinen jetzt, entscheidend sei ein ganz anderer Faktor, nämlich die Legalisierung der Abtreibung durch den obersten Gerichtshof im Jahr 1973.

Steven Levitt von der Universität von Chicago und John Donohue von der Yale-Universität verweisen in ihrer bevölkerungsstatistischen Studie auf das Faktum, dass Verbrechen - weltweit - vorwiegend von jungen Männern im Alter von 18 bis 24 Jahren begangen werden. Die Kinder der ersten Generation, die unter dem liberalisierten Abtreibungsrecht geboren wurden, feierten 1992 ihren 18. Geburtstag - und just in diesem Jahr knickte die amerikanische Kriminalitätskurve ab.

Junge Amerikaner der Geburtsjahrgänge 1973 und aufwärts werden demnach seltener kriminell als frühere Generationen. In New York, Washington, Alaska und Hawaii - jenen US-Bundesstaaten, die Abtreibungen schon vor 1973 erleichtert hatten - erreichte auch die Verbrechenskurve bereits ein paar Jahre vor dem magischen Datum 1992 ihren Wendepunkt, was die beiden Wissenschaftler als Bestätigung ihrer These werten.
Levitt und Donohue führen den Kriminalitätsknick darauf zurück, dass weniger "unerwünschte" Kinder geboren würden, seitdem es Müttern gestattet sei, eine ungewollte Schwangerschaft zu unterbrechen. Aus Längsschnittstudien weiß man, dass Kinder, deren Zeugung nicht geplant war, oft einen schwierigeren Start ins Leben haben. Schon im Mutterleib haben manche dieser Kinder eine"ungünstigere" Umwelt.

Amerikanische Mediziner stellten 1995 in einer Studie fest, dass ungeplant schwanger gewordene Frauen weniger Rücksicht auf den Fötus nehmen als andere werdende Mütter. Sie greifen zum Beispiel häufiger zu Alkohol und Zigaretten. Andere Untersuchungen zeigten, dass unerwünschte Kinder überdurchschnittlich häufig in sozialer und "geistiger" Armut und so genannten "unsicheren Familienverhältnissen" aufwachsen. Häufiger als andere Kinder werden sie daheim geschlagen und lieblos behandelt.
Um es letztlich auf einen Nenner zu bringen: Weniger ungewollte und nicht geliebte Kinder, weniger Straftaten. (H.F.)

[Psychologie Heute, Das Magazin für Leib & Seele, März 2000]

 19. Februar 2000 · Wissenschaft: Weihnachten geht ans Herz

Dass der Vormittag der häufigste Zeitpunkt für Herzanfälle ist, wissen Fachmediziner schon lange. Dass es auch jahreszeitlich bedingte Einflüsse dafür gibt, ist dagegen neu. Forscher der „University of Southern California“ stellten nun in einer zwölfjährigen Langzeitstudie fest, dass sich die besagten Herzattacken in den Winterferien dramatisch häufen, während sie sonst das ganze Jahr über gleichmässig verteilt sind.
Ein Drittel mehr Herzanfälle wurden in den Wintermonaten Dezember und Januar diagnostiziert. Insbesondere war ein drastischer Anstieg um das amerikanische "Thanksgiving", sowie in der Weihnachtszeit und zum Jahresanfang festzustellen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Völlerei an den "Feiertagen" – zu fettes Essen, zuviel Salz, sowie Alkohol und Stress – den Menschen ans Herz geht.

Wie wir bereits feststellen mußten: Der Glaube geht durch..., nein schlägt auf den Magen - von wegen, Gläubige leben gesünder. Schon ´mal was von stressfreien atheistischen Weihnachten gehört? (H.F.)

[Psychologie Heute, Das Magazin für Leib & Seele, März 2000]

 20. Januar 2000 · Wissenschaft: Pornographie und Jugend

Am 13. November 1999 hielt unser Mitarbeiter Erik Möller auf der Tagung der Humanistischen Union "Pornografie und Jugendschutz heute" in Mainz einen Vortrag mit dem Thema: "Wirkung von Pornographie auf Jugendliche".

Eine häufig geäußerte Hypothese lautet, Pornographie verursache Vergewaltigungen und Sexualstraftäter seien durch Pornographie beeinflusst. Diese Annahme ist von entscheidender Bedeutung für das Verbot von Pornographie für Jugendliche. Erik Möller widerlegt die Hypothese anhand verschiedener Forschungen und Studien. (H.J.)

 19. Januar 2000 · Wissenschaft: Sehhilfe für Blinde

Forschern des Dobelle-Institituts ist es nach einer Mitteilung vom Dienstag gelungen, mittels eines im Sehzentrum des Gehirn implantierten Arrays von 68 Platin-Elektroden vollständig erblindeten Patienten eine Art Tunnelblick zu ermöglichen. In einem Blickfeld von einer Größe von ca. 20 * 5 cm in ca. 50 cm Entfernung können sie so z.B. 5 cm hohe Buchstaben in 1,5 m Entfernung lesen. Die optischen Signale werden dabei von einer auf einer Brille befestigten Kamera in einen Mini-Computer übertragen, dort verarbeitet und schließlich direkt ins Gehirn gesendet. Auch Fernsehen und die Bedienung von Computern soll den Patienten mit einigem Training möglich sein. Durch die Erhöhung der Zahl der Elektroden ist die Auflösung verbesserbar. [1]

Das Elektroden-System funktioniert in beide Richtungen: Mit ähnlicher Technik gelang es bereits im letzten Jahr, das Sichtfeld einer Katze auf einem Bildschirm zu zeigen. Dabei wurde ebenfalls ein Array von Elektroden in 177 Zellen des Thalamus implantiert, mit dem die elektrischen Signale des Gehirns gemessen und sichtbar gemacht werden konnten. So wurden aus den Wahrnehmungen der Katze Filmszenen generiert, in denen man diffus Gesichter oder einen Wald erkennen konnte. [2]

Die Dobelle-Forschungen sind ein großer Schritt nach vorn, und im Bereich der direkten Gehirnstimulation und des neuralen Interfacing stehen uns mit Sicherheit noch einige weitere sensationelle Entwicklungen bevor. (EMÖ)

[1] Pressemitteilung des Dobelle-Instituts
[2] Wired News 7.10.1999. Einige der "Gehirnfotos" sowie die dazu korrespondierenden Realbilder finden sich im Internet unter http://deas.harvard.edu/~gstanley/research/vision/reconfigure2.html.

 21. Dezember 1999 · Wissenschaft: Sezieren verboten

Patricia Schlesinger
Moderatorin Patricia Schlesinger

"Seriöser Journalismus, das war es, was Patricia Schlesinger schon im Studium als Berufsziel vor Augen hatte." So die Website der ARD-Sendung Panorama. Und so begann Patricia Schlesinger den Panorama-Bericht am letzten Donnerstag [1], der schon im Vorfeld für Aufsehen gesorgt hatte: "Wenn ein Kind stirbt, ist das für die Eltern wohl das Schlimmste, was passieren kann. Wenn diese dann aber noch erfahren müssen, dass man ihr totes Baby wie ein Stück Vieh ausgenommen, dass man Gehirn, Herz und Leber herausoperiert hat, weil man die Organe für Forschungszwecke brauchte, das ist für viele Trauernde weder zu fassen noch zu verkraften."

Es geht um Forschungen, die an Organen von Kindern durchgeführt wurden, die dem mysteriösen plötzlichen Kindstod zum Opfer fielen. Allein 1998 starben daran 602 Kinder, ein Phänomen, das bislang völlig unerklärt ist. Das Bundesministerium für Forschung förderte (Panorama: verantwortete) deshalb endlich eine großangelegte Studie mit 7 Millionen Mark.

Doch Leichen sind für die Wissenschaft (nicht für Journalisten, die sie gerne auch mal auf Seite 1 präsentieren) tabu. Nachdem ein ähnlicher Fall in Großbritannien viel Aufregung verursacht hatte, witterte man offenbar bei Panorama eine heiße Story.

Unter dem Vorwand des Elternschutzes wurde in der Sendung über die Ärzte hergezogen, die toten Kindern Organe zur Untersuchung entnommen hatten – teils ohne das Wissen der Eltern. Tatsache ist aber, daß die Ärzte bei der derzeitigen Gesetzeslage gezwungen sind, so vorzugehen, wenn sie nicht die entsprechende Forschung ganz unterlassen wollen. Welcher Vater oder welche Mutter will schon nach dem Tod des Kindes gefragt werden, was mit den Organen geschehen soll und stimmt dann auch noch freiwillig der Verwendung für Forschungszwecke zu? Unterläßt man aber die entsprechende Forschung, ist nicht der Gesundheitszustand von Leichen, sondern der von richtigen Menschen in Gefahr.

Aus diesem Grunde war es bislang journalistischer Konsens, über die Thematik nicht zu berichten. Denn nicht durch die eigentliche Entnahme der Organe, sondern durch den Bericht darüber wurden die Eltern ja jetzt teilweise in die emotionale Krise gestürzt. Und natürlich wurden als Reaktion auf den reißerischen Bericht sogleich die Richtlinien für die Organentnahme verschärft. Man achtet ja auf die "öffentliche Meinung". Daß dadurch Forschung zur Verhinderung eines sinnlos verfrühten Todes von Kindern be- oder verhindert wird, ist nebensächlich. Schließlich hat jeder Staatsbürger das Recht, nach seinem Ableben alle einstmals lebenswichtigen Organe im eigenen Körper verwesen und verfaulen zu lassen.

Entsprechend emotional ist der Ton der Berichterstattung, die gezielt darauf ausgelegt ist, Ekel und Abscheu beim Zuschauer hervorzurufen. Einige Zitate: "Von ihrem Kind haben sie, ohne es zu wissen, nur die Hülle, den leeren kleinen Körper beerdigt." – "Leiter der Studie ist Professor Bernd Brinkmann. Von Melinda bekam er folgendes:" (Merke: Auch Leichen sind stets mit dem Vornamen anzusprechen.) – "... zumal ihm die Kinder oft wie leere Hüllen vorkommen" – " Auch aus seinem kleinen Körper wurden Organteile entnommen" – "Die Vorstellung, daß Teile von Timo zu wissenschaftlichen Zwecken benutzt wurden, ist der Mutter unerträglich." – "Melinda, Timo und Natalie stehen für viele: Kinder, denen Teile ihres Körpers weggenommen wurden." Dazu stets Einblendungen von Kinderbildern: Ähnlich wird bei der Berichterstattung über Sexualmörder gearbeitet.

Angesichts dieses Tenors fühlt man sich stark an vergangene Zeiten erinnert. "Anatomie, Chirurgie, das Sezieren von Leichen wie das Erkennen von Krankheitsherden [galten] bis ins 18. Jahrhundert hinein als Sünde, ja als todeswürdig." [2]

Das gleiche Dilemma gibt es übrigens bei der Frage der Organspende. Dort ist die Lage so schlimm, daß man zunehmend versucht, Tierorgane zu transplantieren. Die Gefahr, daß hierdurch eine Brücke für die Übertragung von Tierseuchen auf den Menschen geschaffen wird, ist immens – doch (Menschen-)Leichen sind tabu. Die Lösung des Dilemmas wäre einfach: Der gehirntote Körper geht in den Besitz des Staates über, der auf einzelne Organe Forschungs- und Spendeansprüche geltend machen kann, ohne daß Eltern kleiner Kinder hierbei mit Details belästigt werden. Für sie macht es keinen Unterschied, ob sie eine Leiche mit oder ohne Herz, Hirn und Leber beerdigen – wenn nicht irgendwelche Möchtegern-Journalisten glauben, daß da eine geile Geschichte drinsteckt.

1993 wurde ein ähnlicher "Skandal" nicht vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, sondern von der Bild-Zeitung "aufgeklärt", von der man so etwas wohl erwarten muß. Damals ging es um in Heidelberg durchgeführte Unfalltests, bei denen mit Kinderleichen gearbeitet wurde. Wegen des proportional größeren Gewichtes eines Kinderkopfes werden die Halswirbel von Kindern bei einem Frontalunfall wesentlich stärker belastet als die von Erwachsenen. Etliche Kinder sind deshalb in Unfällen regelrecht geköpft worden. Doch um bessere Kindersitze zu entwickeln, ist Leichenforschung essentiell. Nach dem Bild-Bericht war diese nicht mehr möglich. Kinderleichen zu Testzwecken eingesetzt? Dann doch lieber mehr tote Kinder. Denn Leichen, das sollte inzwischen klar sein, sind tabu. Der Spiegel zitierte damals einen Heidelberger Experten:

"Völlig lächerlich" findet der Berliner Rechtsmediziner Helmut Maxeiner die Aufregung um die fahrenden Leichen von Heidelberg. Bei einer Obduktion oder einer Organtransplantation, so Maxeiner, würden die leblosen Körper schließlich nicht minder gräßlich verunstaltet. "Und bislang hat ja wohl noch keiner gefordert, das Sezieren von Leichen zu verbieten." [3]

Noch nicht. Wenn sich aber die bisherige Entwicklung fortsetzt, werden viele Kinder und Erwachsene sterben, weil lebenswichtige Studien oder Transplantationen nicht durchgeführt werden können. Somit steuern wir auch im Bereich der Medizin langsam aber sicher auf ein postmodernes Mittelalter zu. (EMÖ)

[1] Panorama, ARD, 16.12.1999. WWW: http://www.ndrtv.de/panorama
[2] Hans-Jürgen Wolf: Sünden der Kirche, Hamburg 1998, S. 404.
[3] Alle Informationen über den Heidelberger Fall aus: Der Spiegel 48/1993, S. 210-211: "Rammbock in die Flanke"

 10. Oktober 1999 · Wissenschaft: Neuer Artikel zur Gewaltursachenforschung online

Wichtige Ergebnisse im Bereich der Gewaltursachenforschung wurden in den 70er Jahren erschlossen. Darunter waren die Arbeiten des Neuropsychologen James W. Prescott, die seit Juni 1998 im Internet sind (das entsprechende Archiv ist nun Teil von "Der Humanist"). Es gab aber auch noch andere interessante Experimente wie die von Harry Harlow, Robert G. Heath und Albert Bandura. Eine Zusammenfassung des damaligen Stands der Forschung bietet der Artikel "New Clues to the Causes of Violence" (nur auf Englisch verfügbar), der seit heute, natürlich mit Erlaubnis des Autors und der Zeitschrift FORTUNE, dauerhaft im Internet konserviert ist. Lesen Sie diesen und weitere Artikel über die Ursachen von Gewalttätigkeit im Archiv der bestbesuchten Humanist-Site The Origins of Violence. (EMÖ)

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