Die christlichen Wurzeln des Nationalsozialismus


Millenaristische Bewegungen und das Reich Gottes - Teil 4

Nachfolge Jesu in SA-Uniform

Schon vor der nationalsozialistischen Machtergreifung hatten die Deutschen Christen die folgenden Richtlinien herausgegeben, die bei den evangelischen Kirchenwahlen am 23. Juli 1933 mit überwältigender Mehrheit angenommen wurden:

Richtlinien der Glaubensbewegung "Deutsche Christen" vom 6. Juni 1932

1  Diese Richtlinien wollen allen gläubigen deutschen Menschen Wege und Ziele zeigen, wie sie zu einer Neuordnung der Kirche kommen...

2  Wir kämpfen für einen Zusammenschluß der im "Deutschen Evangelischen Kirchenbund" zusammengefaßten 29 Kirchen zu einer evangelischen Reichskirche und marschieren (!) unter dem Ruf und Ziel:

   Nach außen eins und geistgewaltig,
   Um Christus und sein Werk geschart,
   Nach innen reich und vielgestaltig,
   Ein jeder Christ nach Ruf und Art!
   (Nach Geibel)

3  Die Liste "Deutsche Christen" will keine kirchenpolitische Partei in dem bisher üblichen Sinne sein. Sie wendet sich an alle evangelischen Christen deutscher Art. Die Zeit des Parlamentarismus hat sich überlebt (!), auch in der Kirche.
[...]

6  Wir verlangen eine Abänderung des Kirchenvertrages (politische Klausel) und Kampf gegen den religions- und volksfeindlichen Marxismus und seine christlich-sozialen Schleppenträger aller Schattierungen. Wir vermissen bei diesem Kirchenvertrag das trauende Wagnis auf Gott und die Sendung der Kirche (!). Der Weg ins Reich Gottes (!) geht durch Kampf, Kreuz und Opfer (!), nicht durch falschen Frieden.

7  Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen, für deren Erhalt zu sorgen uns Gottes Gesetz ist. Daher ist der Rassenvermischung entgegenzutreten. Die deutsche Äußere Mission ruft auf Grund ihrer Erfahrung dem Deutschen Volke seit langem (!) zu: "Halte Deine Rasse rein!" und sagt uns, daß der Christusglaube die Rasse nicht zerstört, sondern vertieft und heiligt (!).
[...]

9  In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. Sie hat neben der Äußeren Mission keine Daseinsberechtigung. Wir lehnen die Judenmission in Deutschland ab, solange die Juden das Staatsbürgerrecht besitzen (!) und damit die Gefahr der Rassenverschleierung und Bastardisierung besteht. Die Heilige Schrift weiß auch etwas zu sagen von Heiligem Zorn (!) und sich versagender Liebe. Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden (!) zu verbieten.

10  Wir wollen eine evangelische Kirche, die im Volkstum wurzelt, und lehnen den Geist eines christlichen Weltbürgertums ab. Wir wollen die aus diesem Geiste entspringenden verderblichen Erscheinungen wie Pazifismus (!), Internationale (!), Freimaurertum (!) usw. durch den Glauben an unsere von Gott befohlene völkische Sendung überwinden. Die Zugehörigkeit eines evangelischen Geistlichen zur Freimaurerloge ist nicht gestattet.
[KS110f]

Im Oktober 1933 formierte sich die evangelische "Diakoniegemeinschaft", in der die verschiedenen Diakonissen-Verbände mit insgesamt etwa 50 000 Schwestern zusammengefaßt wurden, die erstmals am 15. November 1933 eine gemeinsame Tagung veranstaltet. In einem Buch über die Geschichte der Inneren Mission heißt es 1948 über die Diakoniegemeinschaft:

"Durch das überzeugende Ethos ihres Dienstes verkörperte sie eine Macht, der gegenüber sich alle Angriffe von gegnerischer Seite als wirkungslos erwiesen."
[KS42]

Zum Zeitpunkt der Ereignisse selbst hatten die "Blätter aus dem Evangelischen Diakonieverein" über die Tagung, zu der zahlreiche prominente Nazis als geladene Ehrengäste erschienen waren, allerdings ganz anderes berichtet.

Der stellvertretende Gauleiter von Groß-Berlin, Staatsrat Görlitzer, lobt als Vertreter von Goebbels die Diakonissen: "Eine große Freude würde es dem Reichspropagandaminister Dr. Goebbels sein, zu sehen, wie sich die Diakoniegemeinschaft zu Adolf Hitler bekennt."
Die Diakonissen-Zeitung: "D.Karow, der Bischof von Berlin, grüßte mit folgenden Worten: '... Wir haben eben so kraftvolle Worte vom Nationalsozialismus gehört. Gestatten Sie mir, die Schwestern in der Kirche mit der SA zu vergleichen.'"
Angriffe sind gar nicht nötig, da sich die Versammlung selbst als ein Teil der Bewegung begreift. Pastor Großmann, der Vorsitzende des Zehlendorfer Verbandes im Schlußwort über die evangelische Diakonie: "Als Adolf Hitler die Macht ergriff, ging ein Aufatmen durch ihre Reihen. Sie dankt unserm Führer, daß sie im neuen Staat mitarbeiten darf... Wenn die SA die politischen Soldaten des Reiches sind, so sind unsere Schwestern die Soldaten der Kirche, die Soldaten ihrer dienenden Liebe."
[KS42]

Auch in Marburg hatten die (freikirchlichen) Diakonissen 1933 das 25jährige Bestehen des Mutterhauses "Hebron" zusammen mit SA, Hitlerjugend der NS-Mädchengruppe gefeiert...
Der damalige Leiter des DGD [Deutscher Gemeinschafts-Diakonie-Verband], Pfarrer Theophil Krawielitzki, im Schlußwort der Jubiläumsfeier: "Liebe Seele, hast du schon den Anfang im Christentum, eine Bekehrung, eine Wiedergeburt erlebt? Es ist so schön, wenn man den Anfang in der SA oder SS (!) gemacht hat. Nehmt die Gelegenheit noch wahr bis zum 5. November, damit ihr nicht zu spät kommt! Mit der Nachfolge Jesu kann heute der Anfang gemacht werden..."
[KS49]

Da mochten die männlichen Diakone natürlich nicht hintanstehen.

Am 13. September 1933 wird in Hamburg der 9. Deutsche Diakonentag gefeiert. Rund tausend von 4200 Diakonen haben sich versammelt. Etliche tragen SA-Uniform.
...
Den Festvortrag auf dem Diakonentag 1933 hält der ostpreußische Pfarrer und designierte Direktor des CA [Central-Ausschuß der Inneren Mission], Horst Schirmacher. Sein Vortrag trägt den Titel: "Diakonie als Angriff." Für ihn sind alle Kämpfer ...
Ganz besonders müsse man "die Diakone nennen, welche in den letzten Jahren unter marxistischer Herrschaft [gemeint ist die Demokratie!] einen geradezu übermenschlichen Kampf haben bestehen müssen: Die Erzieher in den Fürsorgeanstalten... Wie heulte das ganze marxistische Deutschland auf, wenn einmal ein Bengel eine erfrischende Ohrfeige erhielt, oft die einzige Rettung, um krampfartige Seelenzustände zu lösen. Wie wurden diese Männer beschimpft, wenn sie straffen, militärischen Preußengeist in der Art der Erziehung der alten Kadettenkorps und Unteroffiziersschulen in ihre Erziehungsarbeit hinübernahmen."
Schirmacher weiter: "Dies alles ist evangelische Diakonie: Dienst und Kampf. Wir grüßen Euch alle als die SA Jesu Christi und die SS der Kirche, ihr wackeren Sturmabteilungen und Schutzstaffeln im Angriff gegen Not, Elend, Verzweiflung und Verwahrlosung, Sünde und Verderben."
[KS57]

Im April 1934 berichtet "Der Monatsbote aus dem Stephansstift", der sich im Untertitel als "Ein Monatsblatt für Innere Mission im Sinne der lutherischen Kirche" ausweist:
"... Das eine ist sicher: Wir sind als Wohlfahrtsschule einer evangelischen Diakonenanstalt, die ihre Schüler als echte Nationalsozialisten und gehorsame Untertanen des Dritten Reiches und zugleich als ernste evangelisch-lutherische Christen erziehen will, in der erfreulichen Lage, daß hier grundsätzlich kein Mißklang vorliegt. Luthers Glaube und Hitlers Kampf finden sich in der Erkenntnis, daß ein Volk nur bestehen kann, wenn es antiliberal und organisch handelt in den Ordnungen, die Gott uns als seine Gabe und unsere Aufgabe gegeben hat."
[KS68]

Genau das war natürlich auch die Ansicht der katholischen Hierarchie. Auszüge aus dem Katechismus:

F.:
 Was sind liberale Prinzipien?
A.:
 Die von 1789: sogenannte nationale Souveränität, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Freiheit der Lehre, universelle Moral und anderes mehr.
F.:
 Welche Konsequenzen haben sie zur Folge?
A.:
 Säkulare Schulen, unfromme und unzüchtige Zeitschriften, die Zivilehe...
F.:
 Was ist von Kommunismus, Sozialismus, Demokratie, Anarchismus, und derlei Sekten zu halten?
A.:
 Sie stehen im Widerspruch zum katholischen Glauben, aber zur Gerechtigkeit, und zur Tugend...
F.:
 Dann gibt es keine Art des Liberalismus, die gut ist?
A.:
 Keine; denn der Liberalismus ist im Wesen Todsünde und antichristlich.
[KK166f]


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Nachweise
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