Diakone, Pfarrer und Bischöfe im KZ
Bereits im Laufe des Jahres 1933 wurden überall im Tausendjährigen Reich Konzentrationslager errichtet, anfangs oft einfach umfunktionierte Wohn- und Gewerbegebäude, Baracken, provisorische Sammelstellen. Die hierhin verschleppten Häftlinge gehörten zumeist demjenigen Personenkreis an, der von den Kirchen und Oberhirten bis dahin ohnedies bekämpft worden war.
Auf der Hundertjahrfeier des Rauhen Hauses [dem Hamburger Stammsitz der von Johann Hinrich Wichern begründeten Inneren Mission, die heute Diakonie heißt] im September 1933 hatte der Präsident des CA der Inneren Mission gefordert: "Diakonie in die Arbeitslager." Die Ricklinger Anstalten im Kreis Segeberg waren zu diesem Zeitpunkt schon einen Schritt weitergegangen: Sie betreiben 1933 ein eigenes kleines KZ.
Wie alle anderen weinte auch der Vorsteher der Ricklinger Diakone, Pastor Carl Barharn, dem Weimarer Staat keine Träne nach: Vierzehn Jahre lang, hatte er im Juni 1933 geschrieben, habe die Diakonie "unter fremdem Geist in babylonischer Gefangenschaft" gelebt. So gesehen, atme man nun "die Luft der Freiheit." Befreit erklärte er seinen Diakonen, nun sei Schluß mit allem Parlamentarismus."
[KS61]1933 sehen sich auch die katholischen Bischöfe veranlaßt, eine Stellungnahme zu den Konzentrationslagern zu erarbeiten, und treffen sich auf einer Tagung im Sommer 1933 in Fulda.
Im Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz, die vom 29. bis 31. August 1933 tagt, heißt es: "Der Einrichtung von Gottesdiensten in Konzentrationslagern stehen Schwierigkeiten von Seiten der Lagerleitung angeblich nicht entgegen, die Einrichtung muß nach Bedarf von kirchlichen Stellen beantragt werden."
Diese "Seelsorge"-Haltung werden die Bischöfe auch später beibehalten. In einer Denkschrift an Hitler vom 20. August 1935 werden am Rande auch die Konzentrationslager erwähnt. Die Bischöfe klagen: "In Konzentrationslagern wird seit etwa dreiviertel Jahren den Gefangenen der Empfang des Bußsakramentes verweigert."
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Drei Jahre später bemüht sich der Breslauer Kardinal Adolf Bertram noch einmal um eine Lösung. Am 22. Juli 1938 bittet er namens des deutschen Episkopates das Geheime Staatspolizeiamt ergebenst, "anzuordnen, daß in den Konzentrationslagern für die katholischen Schutzhäftlinge regelmäßiger Gottesdienst sowie seelsorgerliche Besuche der Kranken und gegebenenfalls Spendung der Sterbesakramente (!) zugelassen werden." [...]
Es gibt einen Bischof, der den nationalsozialistischen Lagern einen Besuch abstatten durfte: Staatsrat und Bischof Dr. Berning. Am 26. Juli 1936 berichtet die Ems-Zeitung (mit Fotos), wie Dr. Berning, Domkapitular Dr. Lange (Osnabrück), der Bischöfliche Kaplan Jäger, Strafanstaltspfarrer Buchholz aus Essen und Lagerpfarrer (!) Heidkamp die Emsland-Lager besichtigen.
Die Besichtigungstour beginnt mittags um zwei Uhr und endet abends im Lager II, Aschendorfer Moor. In der Vortragsbaracke zelebriert Berning eine Messe. Den Häftlingen des NS-Regimes erklärt er in einer Ansprache, Gott möge Volk, Vaterland und das Aufbauwerk des neuen Reiches segnen.
Berning trägt sich ins goldene Buch des Lagers ein und bewirtet anschließend die Wachmänner in der Kantine. Im Laufe des Abends hält er auch hier eine Ansprache. An den Herrn Kommandanten und "meine lieben SA-Männer!" gewandt, sagt Berning:
"Ich selber bin Emsländer und muß gestehen, daß ich meine Heimat erst jetzt in ihrer schönsten Form kennengelernt habe... Ich danke Ihnen, daß Sie mir die Heimat gezeigt haben in der Form, die das Dritte Reich daraus gemacht. Lange lag das Emsland im Dornröschenschlaf, bis der Prinz kam und es weckte; dieser Prinz ist unser Führer Adolf Hitler... Alles, was geschehen ist, entspringt der Initiative und dem Weitblick unseres Führers Adolf Hitler. Unserm Vaterland, unserer Heimat und unserem Führer ein dreifaches Sieg-Heil!"
Berning verabschiedet sich spätabends gegen 23 Uhr, von seinen lieben SA-Männern.
[KS108f]Stünden derartige Äußerungen von deutschen Oberhirten nicht in Zusammenhang mit Greueln, die zu den ungeheuerlichsten der Weltgeschichte zählen, könnte man fast schon darüber lachen.
Ist es aber nicht eine Tatsache, daß gerade die Kirchen in einer unheilvollen Tradition auch mit anderen Greueltaten der Menschheitsgeschichte in Verbindung stehen? Ist es nicht ebenso eine Tatsache, daß auch in anderen Ländern unter der Herrschaft eines katholischen Diktators Konzentrationslager errichtet wurden, gegen die kein Bischof protestierte? Stellvertretend für viele seien hier wenigstens die Diktatur Francos in Spanien genannt sowie die kroatische Diktatur des Ante Paveliç, und auch nach dem zweiten Weltkrieg das Regime des demokratisch kaum legitimierten katholischen Präsidenten Ngo Dinh Diem in Südvietnam, sowie in Chile die Junta Pinochet (hier insbesondere in einer unheilvollen deutschen Tradition die von dem früheren Geistlichen Paul Schäfer gegründete Colonia Dignidad, die nicht nur reichsdeutsche Traditionen fortleben ließ, sondern auch der chilenischen Gestapo DINA, dem Geheimdienst des Augusto Pinochet, als Folterzentrum diente).
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