Religion: News
 31. Oktober 1999 · Religion: Die Sorgen der Catholica

Heute treffen die europäischen Bischöfe mit dem Papst im Vatikan zu ihrer regelmäßigen Synode zusammen. Diesmal herrscht Krisenstimmung wie noch nie. Nicht wegen des Abtreibungsstreites in Deutschland. Der soll auf der Synode möglichst gar nicht zur Sprache kommen. Nein, etwas anderes bedrückt die hohe Geistlichkeit: "Europa droht die Gefahr einer fortschreitenden und tief greifenden Entchristlichung und eines Rückfalls ins Heidentum."

Darüber jammern also die Kirchenfürsten auf ihrer dreiwöchigen Zusammenkunft kurz vor dem Jubeljahr, das sie doch - nach dem Fall des Kommunismus - in einem weitgehend katholisch missionierten Europa feiern wollten. So heißt das offizielle Thema der Synode auch: "Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, Quelle der Hoffnung für Europa". Aber das 100 Seiten umfassende Vorbereitungspapier spricht von "fortschreitender
Zerbröckelung des Katholizismus", von "nihilistischem Pluralismus", vom Verzicht der Menschen auf "jede Möglichkeit von Sinngebung". Es wird ein - natürlich nur für die Kirche - düsteres Bild gezeichnet: "Oft sind die
Grund-Elemente des Christentums nicht mehr bekannt ... Das alles führt zu einer tiefen Krise der europäischen kulturellen Identität." Nein, meine Herren, eine Identitätskrise wäre es, setzte man Europa mit Katholizismus und Christentum gleich. Aber wenigstens das hat die Aufklärung schon längst über Bord gespült. Und kulturell hat Europa noch mehr als nur religiöse Wurzeln zu bieten. Aber der Vatikan meint unverdrossen, viele Europäer seien als Folge der Entchristlichung "verstört, verwirrt, unsicher, fast ohne Hoffnung."

Das Gegenteil ist der Fall. Nur die Unsicheren suchen den Halt von oben. Verstört, verwirrt und ohne Hoffnung auf Besserung sind da wohl vor allem die Geistlichen. Das Gros der Europäer braucht Kirche und Religion nicht mehr als Sinngeber. (H.J.)

[Quelle: Frankfurter Neue Presse, 29.09.99]

 16. September 1999 · Kultur: Die missbrauchten Kinder

Im Kreis Coburg bescherte Weihnachten 1998 ein Gottesdienstbesucher dem Pfarrer einen Erlebnisgottesdienst der besonderen Art. Aber der Geistliche war davon nicht sehr erbaut: Er zeigte den Besucher wegen Störung der Religionsausübung an. Was war geschehen? Der Vater eines 9-jährigen Kindes beschuldigte den katholischen Priester noch vor Beginn der heiligen Messe, seinen Sohn mehrmals missbraucht zu haben. Auch andere Familien sagten daraufhin aus, der Geistliche habe ihre Kinder des öfteren auf dem Nachhauseweg vom Gottesdienst belästigt. Der Pfarrer hatte sie netterweise nach Hause gefahren.

Nun hat der Staatsanwalt Anklage wegen sexuellen Missbrauchs erhoben. 13 Fälle werden dem 58-Jährigen vorgeworfen. Die Kirche hat den Mann vom Religionsunterricht freigestellt. Er war übrigens bereits 1987 wegen eines ähnlichen Falles zu einer Geldbuße verurteilt worden. Der Pfarrer seinerseits zeigte nicht nur den betroffenen Vater, sondern auch einen Beamten aus dem Landratsamt an: Da hatte doch jemand des Priesters Geheimnisse ausgeplaudert ... [1]

Nun könnte man hier noch - mal wieder - von einem "Einzelfall" reden, der überall vorkommt. Oder ist es doch ein kirchenimmanentes Problem, hervorgerufen durch Zwang zur Keuschheit? Die jahrzehntelange Erfahrung mit bischöflichen Verdrängungsmechanismen lässt befürchten, wieder einmal werde von Hirt und Herde eingewandt, in jeder größeren Organisation gebe es schwarze Schafe, Fehlleistungen, Sünden. Also auch im Kirchenfürstentum. Müssen es aber gleich so viele, grauenvolle, strukturell bedingte, über alle Jahrhunderte nachgewiesene sein? Steht nicht auch für die Catholica geschrieben: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen"? [2]

Ein Dokumentarfilm über die 50er Jahre hat dieses Jahr Irland aufgerüttelt, er bereitet der Mär vom "Einzelfall" ein Ende. Ein Skandal erschüttert die katholische Kirche, die "Säule" der irischen Gesellschaft. Jahrelang hat der Staat einem katholischen Orden Kinder aus sogenannten "sozial schwachen" Familien anvertraut, um sie zu erziehen und ihnen Gottesfurcht beizubringen. Aber statt Fürsorge erhielten sie Gewalt, statt Liebe Missbrauch. Hier ist nicht mehr die Rede von einzelnen, nein, hunderte von Kindern haben in der Obhut der Kirche die Hölle auf Erden erlebt. Und Kirche, Orden und Staat haben ein Kartell des Schweigens aufgebaut.

Eines der Opfer, der 54-jährige John Prior, kämpft für Gerechtigkeit. Als Dreijähriger holte ihn der Staat aus seiner Familie heraus und steckte ihn in ein katholisches Erziehungsheim des Ordens der "Christian Brothers". John hatte fortan keinen Namen mehr und keine Rechte: Er heißt 892 Prior. Prior klagt an: "Die schlimmsten Prügel, die ich je erhalten habe, war, als ich einer Krankenschwester erzählt habe, dass ich von einem Bruder sexuell missbraucht wurde. Ich war 9 oder 10. Sie hat mich erst geschlagen, es dann dem Bruder erzählt. Der hat mich weggebracht und dann haben mich zwei Brüder geschlagen und geschlagen und geschlagen..."

Hunderte erlebten das gleiche Schicksal wie John Prior. In den 50er Jahren lebten und arbeiteten in den "Industrial Schools" 7000 Kinder. Und die Nonnen und Brüder konnten mit ihnen machen, was sie wollten. Erst in den 70er Jahren wurden die Schulen aufgelöst. Prior erzählt von einem Bruder, mittlerweile verstorben, der in die Schlafsäle und Duschen der Jungen kam. Er zog sich aus, missbrauchte die Jungen vor den Augen der anderen. John: "Er hat mich anal vergewaltigt, hat mich über sein Bett geschmissen, mich genommen, mich aufgerissen..." John wurde sieben Jahre lang von zwei Ordensbrüdern und einem katholischen Priester sexuell missbraucht. Er erzählt auch vom Tod seines Freundes: Dieser wurde geschlagen und getreten, bis er zusammenbrach. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort starb er - angeblich an Leukämie.

Der Dokumentarfilm beweist, dass Kirche und Staat jahrzehntelang vom Missbrauch und Misshandlungen in den kirchlichen Schulen gewusst haben. Der Staat finanzierte die Unterbringung der Kinder trotzdem weiter. Prior hat Anklage gegen einen überlebenden Täter gestellt. Außerdem verklagt er Kirche und Staat auf Schadensersatz. Das ZDF-auslandsjournal bemühte sich um ein Interview mit dem Orden, aber der verwies auf seine Public-Relation-Firma. Auch die verweigert Auskünfte.

Die Tatsachen aber kann niemand mehr abstreiten, Entschuldigungen gibt es zuhauf:

Im März 1998 haben sich die Christian Brothers öffentlich für den Kindesmissbrauch in ihren Schulen entschuldigt. Sie richteten zusammen mit anderen Orden ein Hilfstelefon ein. Über 8000 Anrufe gab es, die Kirche hat 600 Opfer an Therapeuten vermittelt.

Martin Clarke, Sprecher der katholischen Bischofskonferenz Irland: "Es gibt keinen Zweifel, dass körperlicher und sexueller Missbraucht stattgefunden hat, absolut keinen Zweifel. Die irische Kirche hat das zugegeben und sich öffentlich entschuldigt." Man müsse jetzt herausfinden, warum es passiert ist. (Der Mann sollte den Pfaffenspiegel von Otto von Corvin [3] lesen.)

Der Premierminister versprach Gesetzesänderungen und entschuldigte sich für das Fehlverhalten des Staates, der diese Kinder ungeschützt ihren Peinigern überlies. Der Staat setzte eine Untersuchungskommission ein und stellte 10 Millionen Mark für die Therapie der Opfer bereit.

Es gab auch gute Nonnen und Brüder, sagt John Prior, aber die haben ihn nicht gerettet, sie haben geschwiegen. Die irische Kirche feiert nächstes Jahr das 1000-jährige Jubiläum der Christianisierung. Um Entschädigung müssen ihre Opfer noch kämpfen. [4] (H.J.)

[1] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 04.09.99
[2] Horst Herrmann, Hirtenwort und Schäferstündchen, 1992
[3] Otto von Corvin, Pfaffenspiegel, 1868. Corvin wusste schon im letzten Jahrhundert, warum die Geistlichkeit so ein "Schandleben" trieb. In seinem Essay "Sodom und Gomorrha" schreibt er: "Die schaffende und erhaltende Kraft oder Macht, die wir Gott nennen, hat allen lebenden Geschöpfen den Geschlechtstrieb gegeben. Sie machte ihn zu dem mächtigsten Triebe, weil sie damit die Fortpflanzung verband, worauf sie bei allen organischen Geschöpfen besonders vorsorglich bedacht war; ja, sie stellte es nicht in den freien Willen, dem Geschlechtstriebe zu folgen, sondern zwang dazu, ihm zu folgen, indem sie die unnatürliche Unterdrückung desselben empfindlich strafte. Der gewaltsam unterdrückte Geschlechtstrieb macht Tiere toll und Menschen zu Narren."
[4] ZDF-auslandsjournal, 02.09.99

 15. September 1999 · Religion: Keine Kondome für Obdachlose

Ein Obdachlosenheim in Des Moines, Iowa, könnte die finanzielle und freiwillige Unterstützung einer örtlichen katholischen Kirchengemeinde verlieren, weil es an Obdachlose Kondome verteilt, um im Rahmen eines Gesundheitsprogramms die Gefahr der Übertragung von Sexualkrankheiten einzudämmen. Priester Frank Chiodo von der Basilika des Heiligen Johannes, eine der Kirchen, die das Obdachlosenheim vor acht Jahren gründeten, hatte sich bei dessen Verwaltungsrat wegen der Kondome beschwert. Es sei nicht eine Frage der Geburtenkontrolle, er habe auch nicht das Recht, Nicht-Katholiken Geburtenkontrolle vorzuenthalten. Sein Einwand gegen Kondome bestünde darin, daß sie "das Mittel" seien, um "suchtartiges, krankhaftes Verhalten fortzuführen". (Sein eigenes Verhalten zeigt jedoch, daß das sehr gut ohne geht.)

Der Beitrag von Chiodos Kirchengemeinde zum Budget des Obdachlosenheims beläuft sich auf weniger als 10 %. (EMÖ)
[The Advocate, 24.8.99]

 5. September 1999 · Religion: Rage against the machine


„Vollständiges Erkennen seiner selbst. Den Umfang seiner Fähigkeiten umfassen können wie einen kleinen Ball. Den größten Niedergang als etwas Bekanntes hinnehmen und so darin noch elastisch bleiben."
(Franz Kafka: Tagebücher 1910-1923)


Potzblitz, welcher „Teufel“ hat den evangelischen Pfaffen Gerhard S. denn da geritten? An einem Sonntag im Juni dieses Jahres, anläßlich eines feierlichen Gottesdienstes zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand, haben die angestauten Lebenslügen den Pfaffen zum Platzen gebracht. So zog er mächtig vom Leder und schleuderte seinen Schäfchen die Wahrheit entgegen. Pfaffe S. bezeichnete die Bibel als gefährlich, schimpfte, daß die Kirche zu einer „Firma“ verkommen und die Kirchengeschichte gefälscht sei. Unglaublich? Es geht noch weiter: Pfaffe S. machte auch vor der Jungfrauen-Geburt nicht halt und verhöhnte diese als gänzlich unglaubwürdig. Tusch, Applaus, das ist kaum noch zu toppen. Aber es kommt noch besser, ein Pfaffe in Rage ist nicht zu stoppen, man kennt das: Er warf doch tatsächlich den Kirchen vor, für mehr Opfer verantwortlich zu sein, als Kommunismus und Nationalsozialismus zusammen. (Man könnte fast vermuten, daß ihm ein mitfühlender Atheist seiner Gemeinde, der den Druck im Pfaffen spürte, den kompletten Deschner geschenkt haben muß.) Zugegeben, all das läuft in atheistischen Kreisen unter dem Oberbegriff „Allgemeinbildung“. Aber weil für Christen die Wahrheit noch immer schwer zu ertragen ist, wußten sie auf diese nie erfahrene Offenheit nur eine Antwort: Sie verließen das gar nicht mehr göttliche Haus. Nicht alle, nur die Lernunwilligen.

Nach all dem klang seine Ankündigung, nie wieder das apostolische Glaubensbekenntnis zu sprechen, schon recht belanglos. Pfaffe S. ging also in den Ruhestand, hatte dort aber nicht lange seine Ruhe. Denn der Mann mit dem zornigen Abschied mußte vor seinem kirchlichen Dienstherrn zu Kreuze kriechen. „Nach mehreren Gesprächen“, wie es Karl Waldeck, Sprecher der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, bestätigte, unterzeichnete der Kurzzeitdissident eine, wie es die Frankfurter Rundschau ausdrückte, „folgenschwere“ Erkärung. Mit seiner Unterschrift verpflichtete sich Pfaffe S. „mit sofortiger Wirkung und für alle Zeit auf die Ausübung meiner Rechte des geistlichen Standes, also auf die Möglichkeit sämtlicher pfarramtlicher Tätigkeiten in unserer Kirche wie auch in anderen Kirchen inner- und außerhalb der EKD zu verzichten“.

Fragt sich nur, was „folgenschwerer“ gewesen wäre: Bei Verweigerung der Unterschrift hätte die EKD, weil sich S., laut Waldeck, in seiner Zornespredigt „massiv von der Kirche und deren Botschaft distanziert“ habe, ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dies hätte unter Umständen den vollständigen Verlust der Pension bedeuten können. So kann er sich entspannt zurücklehnen und, bei vollen Bezügen, seinen Lebensabend genießen. Sehr mutig war das nicht.

Zurück bleibt auf jeden Fall eine verstörte Gemeinde, die sich bei jedem neuen Pfaffen fragen wird: Sagt der nun die Wahrheit oder lügt der? Ein guter Anfang für das neue Jahrtausend. (C.B.)

[Quelle: Frankfurter Rundschau, 31.08.1999]

 27. August 1999 · Religion: Nur zur Erinnerung

Unsere Publikationsrechte an dem Kapitel "DIE UMTAUFE" aus dem Buch "Ganz unten" von Günter Wallraff laufen in einer Woche aus.

Zwei Jahre lang war Wallraff als Türke Ali Levent unterwegs. U.a. als bekehrungs- und integrationswilliger Moslem bei Pfarrern und Bhagwanjüngern. Aber die wollten ihre Gemeinden türkenfrei halten. Ali wurde abgewiesen, weitergeschickt, rausgeschmissen.

Dies ist kein Roman, sondern real erlebte Relgion. Verpasst nicht die Chance, Alis Erfahrungen zu lesen.

 26. August 1999 · Religion: Unsere Zitatensammlung wächst weiter

Die Bereicherung unseres Zitatenschatzes ist Atheismus online, der Homepage von Frank Welker, entnommen. Da gibt es Aussprüche von Bloch, Browning, Deschner, Feuerbach, Goethe, Marx, Nietzsche, Russell, Schiller, Schopenhauer, Shaw, Twain und Voltaire. Anzuschauen unter NEUE ZITATE. (H.J.)

 23. August 1999 · Religion: Vorsicht Sekte!

Die Idee an sich ist gut. Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth stellte in der Aussprache des Deutschen Bundestages zum Holocaust-Mahnmal die Frage: "Wie haltet ihr es mit den anderen Opfern?"
Auf Grund dessen fordert nun eine Würzburger Initiative, ein Mahnmal für die Millionen Opfer der Kirche zu errichten. Auf ihrer Internetseite www.kirchenopfer.de hat die Initiative eindrucksvoll die Millionen von Hexen, Ketzern, Andersgläubigen und viele mehr, die Opfer des religiösen Wahns wurden, aufgeführt. Eines fällt allerdings bei der Aufzählung der Opfer auf. Nicht dass die Zahlen falsch wären - die Fakten sind unumstößlich. Es werden aber ausdrücklich nur die beiden großen Sekten, die "Amtskirchen", als Täter genannt. Die Opfer der vielen kleinen, oft fanatisch religiösen Gruppierungen, die durch Verführung unzählige Leben zerstört haben, bleiben ungenannt.

Dies hat seinen Grund. Sprecher der Würzburger Initiative für ein Mahnmal der Kirchenopfer ist Ralf Speis. Speis ist außerdem seit Februar 1992 Vorstandsmitglied des "Universellen Lebens e.V." mit Sitz ebenfalls in Würzburg, eine Neuoffenbarungssekte, die sich auf ihrer Homepage www.universelles-leben.org auf das Urchristentum bezieht. Doch während die Initiative für das Mahnmal fleißig Karlheinz Deschners Kirchengeschichte zitiert, vergisst Ralf Speis dabei ganz, dass Deschner in seinen Werken auch dem Urchristentum jeglichen historisch legitimierten Boden unter den Füßen entzieht und mit seiner Bibelkritik das Christentum als Ganzes ad absurdum führt. Da ist keine Nische mehr für ein "Urchristentum", wie es das "Universelle Leben" heroisiert.

"Universelles Leben", bis 1985 "Heimholungswerk Jesu Christi", ist mit antisemitischen und verschwörungstheorethischen Publikationen ("Dämonenstaat und seine Helfershelfer") an die Öffentlichkeit getreten. Die Sekte wurde von der selbsternannten "Prophetin" Gabriele Wittek begründet. Die Offenbarungen der Wittek stehen den biblischen Aussagen entgegen und werden mit hinduistischen Elementen vermischt. Die Anhänger unterwerfen sich okkulten Schulungen und hartem Meditationstraining. Als endzeitliches Ziel wird die Errichtung eines "Christusstaates" angestrebt.

Schade! "www.kirchenopfer.de" - so eine schöne de.-Adresse an eine Sekte verschleudert! (H.J.)

[Quellen: www.kirchenopfer.de, 20.08.99; Mailingliste des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten e.V., 19.-21.08.99; "Kompaktlexikon Religionen", Rüdiger Hauth (Hrsg.)]

 16. August 1999 · Religion: Vatikan stimmt "Schein"lösung zu

Jetzt verärgerte Dyba mit seiner strikten Haltung gegen die katholische Schwangerenkonfliktberatung sogar den Vatikan. Beschimpfte der Militärbischof doch kürzlich den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Lehmann, der gefundene Kompromiss sei ein "Etikettenschwindel" und laufe der Absicht des Papstes "diametral entgegen". Lehmanns Gewissen sei "unter den mephistophelischen [= teuflisch, voll boshafter List] Ratschlägen seiner Haus- und Hofjuristen zerbröselt." [1]

Aber der Fuldaer Bischof irrte mit seiner Meinung, der Papst stünde auf seiner Seite. Wie sich jetzt herausstellte, gab es einen vertraulichen Briefwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius und Karl Lehmann. Darin wurde die Kompromissformel "Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden." als Zusatz ausdrücklich angeregt. Die Idee zu dem "Etikettenschwindel" - Dyba hat mit der Bezeichnung ja gar nicht so unrecht - kam also direkt aus der römischen Kurie. [2]

Diese Taktik - moralische Bedenken aufbauen, teilweise Verbote aussprechen, aber auch wieder nicht so ganz, und trotzdem im Geschäft bleiben - hat übrigens bei der Geistlichkeit Tradition. Man erinnere nur an die Einführung des Zölibats. Als in Folge die Hurerei und die Konkubinen unter den Pfaffen überhand nahmen und der geistliche Stand sich durch Sittenlosigkeit beim Volk lächerlich machte, wurden immer wieder von Synoden - natürlich ohne Erfolg - Verbote ausgesprochen. Die sollten aber auch gar nicht unbedingt befolgt werden, denn die Sünder konnten sich freikaufen. Schließlich verboten auch die Päpste strikt das Konkubinat, und da Verbote bekanntlich genau das Gegenteil bewirken, wurde gleich für alle Pfaffen, ob sie nun hurten oder nicht, der Hurenzins eingeführt. So wurde aus der Moral auch gleich ein einträgliches Geschäft. - Soweit der kurze Rückblick ins Mittelalter. [3]

Was macht aber nun Dyba, wenn er mit seiner ungelegenen Konsequenz jetzt auch noch den Papst vergrault? Falls er Probleme mit seiner Karriere bekommt, kann er ja zur Truppe in das Kosovo gehen. Der evangelische Militärgeneraldekan Knauer berichtete von Personalknappheit bei den Militärpfarrern. Sie würden zur Zeit fünf bis sechs Gottesdienste pro Woche abhalten, aber die Soldaten wünschten noch mehr geistliche Begleitung. [4]

Da hat Dyba als gelernter Militärbischof doch die besten Voraussetzungen, diesen Job zu übernehmen. (H.J.)

[1] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 09.08.99
[2] Frankfurter Neue Presse, 16.08.99
[3] Otto von Corvin, Pfaffenspiegel
[4] idea, 19.07.99

 15. August 1999 · Religion: Wie wird man eine Heilige?

Mutter Teresa, von vielen schon zu Lebzeiten zur Heiligen verklärt, soll jetzt auch offiziell selig- und heiliggesprochen werden. In Kalkutta, ihrer alten Wirkungstätte, wurde in diesen Tagen der dazugehörige Prozess eingeleitet. Hierbei wird allen Ernstes untersucht werden, ob die Kanditin ein tugendhaftes Leben geführt und mindestens zwei Wunder vollbracht hat. Eines ist auf alle Fälle verwunderlich, die unkritische Verehrung, die ihr immer noch entgegengebracht wird. Zumal nicht nur der Vatikan sich für ihr Lebenswerk zwecks Heiligung interessiert, sondern auch schon mehrere Journalisten dunkle Flecken auf ihrem weißen Sari vorgefunden haben. Besonders markant und für Christen gewiß nicht untypisch ist die doppelte Moral, mit der die katholische Scheinheilige die Welt bewertet hat. So sprach sich Mutter Teresa bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen Ehescheidungen aus. Sofern es die breite Masse betraf. Im November 1995 mischte sie sich in einen Volksentscheid in Irland ein, bei dem die Iren über das Recht auf Ehescheidung abstimmen sollten. Teresa, die nicht aus Irland sondern aus Albanien stammte, hatte dazu aufgerufen, mit Nein zu stimmen. Aber trotz des klerikal-konservatieven Störfeuers hielt in Irland die Zivilisation und europäisches Recht Einzug, wenn auch das Ergebnis äußerst knapp war und nur 50,3 Prozent der Iren für ein Scheidungsrecht plädierten. Aber sie zeigte manchmal doch eine recht erstaunliche Flexiblität in ihren Ansichten und nur wenige Monate nach dem irischen Volksentscheid gab sie der amerikanischen Zeitschrift Ladies Home Journal ein Interview, wo sie sich zur bevorstehenden Scheidung von Prinz Charles und Lady Diana zu Wort meldete. Die konservative Katholikin, die mit Lady Di befreundet war, war voller Verständnis für die desolate Situation und sagte: „Es ist gut, wenn es vorbei ist. Keiner von beiden war wirklich glücklich.“

Auch zur Abtreibung fand sie deutliche Worte, so sagte sie, daß sie nie akzeptieren würde,  „Eltern, die abgetrieben haben, ein Kind zur Adoption anzuvertrauen“. Bei der Entgegennahme des Nobelpreises 1979 bezeichnetete sie den Schwangerschaftsabbruch als „die größte Bedrohung des Weltfriedens“. Mit diesen Ansichten gewann die katholische Nonne schnell das Vertrauen ihres obersten Chefs, Johannes Paul II. Dieser erkannte schnell die beiden innewohnende Seelenverwandtschaft und schätzte natürlich besonders das von Teresa ausgelebte und propagierte mittelalterliche Frauenbild.

Doch das Wirken der alten Dame, die mit bürgerlichen Namen Agnes Gonxha Bojaxhio hieß, beschränkte sich nicht nur auf moralinsäuerliche Ratschläge.  Nein, sie errichtete in Indien eine Reihe von Hospitälern. Die Armut lag ihr schließlich sehr am Herzen, sie hielt sie für gottgegeben. Die medizinische Versorgung dort war denn auch eher dürftig. Amerikanische und britische Ärzte haben darauf hingewiesen, daß es dort keine schmerzstillenden Mittel gibt, die Ernährung der Patienten katastrophal sei und medizinisches Besteck nur mit kaltem Wasser gereinigt werde. Es ist doch immer wieder schön für den Herrn zu leiden.... Und so verwundert es nicht, daß sie einmal sagte: „Es ist etwas sehr Schönes, wenn man sieht, wie die Armen ihr Kreuz tragen. Wie die Passion Christi, ist ihr Leid ein großes Geschenk für die Welt.“ Auch der Tod vieler Patienten wird in den von ihr gegründteten Einrichtugen mit fatalistischen Gleichmut hingenommem und in einer von ihr betreuten Leichenhalle kann man die Inschrift „Heute komme ich in den Himmel“ bewundern.

Der britische Schriftsteller Christopher Hitchens untersuchte das Leben ihrer Heiligkeit und stellte in seinem leider nicht auf Deutsch erschienen Buch The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Praxis heraus, daß es Mutter Teresa vorrangig darum gegangen sei, „einen Kult zu begründen, der sich auf Tod, Leiden und Unterwerfung stützte.“ Der Autor verweist darauf, daß Betschwester Teresa sogar die Lepra als Geschenk des Herrn ansah und kommt zu dem Schluß, daß es sich bei ihr um keine Wohltäterin der Benachteiligten und Bedrängten handelte, sondern um eine besondere Geißel Gottes.

Für ihre Betätigung nahm sie was sie kriegen konnte und es störte sie nicht, wenn das Geld aus eher zweifelhaften Quellen stammte. 1,25 Millionen Dollar erhielt sie vom Betrüger Charles Keating, der die US-amerikanischen Sparkassen um 252 Millionen Doller beschwindelt hatte. Die Leidtragenden waren zumeist Kleinsparer. Im Prozess sagte sie zugunsten Keatings aus, den sie als engagierten Christen und Kämpfer gegen die Pornografie kennen- und schätzengelernt hatte. Einer Bitte der Staatsanwaltschaft, die aus dem Betrug stammende Spende doch zurückzugeben, mochte sie reinen Gewissens nicht nachkommen. Schließlich unterhielt Mutter Teresa nicht nur Hospitäler, sondern konnte mit Stolz darauf verweisen, daß sie über 500 Klöster gegründet hatte. Der Unterhalt dieser gottgefälligen Werke läßt sich ja auch nicht aus dem Nichts bestreiten.

Auch dem haitianischen Diktator Jean-Claude Duvalier fühlte sie sich verbunden und so reiste sie 1981 nach Haiti, um dort die höchste Auszeichnung des Landes entgegenzunehmen. Sie bedankte sich artig mit einer netten Rede, in der sie behauptete, Duvalier und seine Frau Michèle „würden“ die Armen lieben und diese würden ihn deshalb so „verehren“. Natürlich gab es auch hier eine kleine Geldspende, die sie dankbar annahm. Bei diesen gesellschaftlichen Kontakten ist es nicht erstaunlich, daß sie die „Theologie der Befreiung“ stehts mit Argwohn betrachtete und sich auch hier auf die Seite des Papstes stellte, der diese ablehnt und verdammt.

Alles in allem, sie hat sich ihren katholischen Heiligenschein redlich verdient und einer Vergöttlichung der alten Frau sollte nichts mehr im Wege stehen. Halleluja! (T.S.)

Quellen:
[Frankfurter Rundschau 06.08.1999]
[TAZ Nr. 5325 Seite 3 vom 08.09.1997]
[TAZ Nr. 5620 Seite 20 vom 28.08.1998]
[Le Monde diplomatique Nr. 5079 Seite 2 vom 15.11.1996]

 15. August 1999 · Religion: Tatütata, die Seele brennt, die Öler sind alarmiert!

Über die Missionierungspraktiken eifriger Pfaffen, die sich ihre Opfer neuerdings auch bei Verkehrsunfällen suchen, berichtete Norbert Dethof (1942 – 1999) in einem Rundfunkbeitrag, den wir jetzt für diese Seite überarbeitet haben. Dem Text vorangestellt ist ein Nachruf, der das verdienstvolle Leben und Wirken dieses Streiters gegen klerikale Verdummung und Ungerechtigkeit würdigt. (T.S.)

 13. August 1999 · Religion: Noch ein Glaubenskrieger

Am Dienstag schoß der 37jährige Buford Furrow aus Los Angeles in einem jüdischen Gemeindezentrum auf fünf Menschen, darunter drei kleine Kinder. Eines von ihnen befindet sich nach wie vor in kritischem Zustand. Am Mittwoch stellte er sich dem FBI, er glaubte, die Kinder getötet zu haben. "Ihr sucht mich, ich habe die Kinder in Los Angeles umgebracht." Seine Tat sei ein "Weckruf an alle Amerikaner, Juden umzubringen." Furrow wird auch des Mordes an einem Postboten verdächtigt.

Der Rabbiner Marvin Hier vom Simon-Wiesenthal-Zentrum erkläre, in Furrows Fluchtwagen sei ein Buch einer amerikanischen Nazi-Gruppe gefunden worden, und zwar ein Buch von Richard Kelly Hoskins, Chefideologe der gewalttätigen Sekte "Christian Identity" ("Christliche Identität"), deren Mitglieder, ausschließlich Weiße, sich für das "wahre Volk Gottes" halten. Michael Reynolds vom Southern Poverty Law Center in Montgomery, Alabama, das rassistische Grupperiungen überwacht und eine Datei über Furrow wartet, sagte, Furrow sei offenbar ein Anhänger der "Priesterschaft des Phineas" gewesen, eine christlich-faschistische Gruppierung, die auch für Anschläge auf Abtreibungskliniken verantwortlich ist. Ihr Name entstammt dem Alten Testament, 4. Buch Mose (Numeri) 25. Dort wird beschrieben, wie ein Israelit eine ungesetzliche, weil nicht reinrassige Beziehung mit einer Frau von einem anderen Stamm hat, einer Midianitierin. Der Priester Pinhas (Phineas) durchbohrt beide mit einem Speer. Wörtlich heißt es in dem hoffentlich bald auf dem Index für jugendgefährdende Schriften landenden Buch:

25/1 Und Israel blieb in Schittim. Und das Volk fing an Unzucht zu treiben mit den Töchtern Moabs; 25/2 und diese luden das Volk zu den Opfern ihrer Götter ein, und das Volk aß und warf sich nieder vor ihren Göttern. 25/3 Und Israel hängte sich an den Baal-Peor. Da entbrannte der Zorn des HERRN gegen Israel. 25/4 Und der HERR sprach zu Mose: Nimm alle Häupter des Volkes und hänge sie dem HERRN auf vor der Sonne, damit die Glut des Zornes des HERRN sich von Israel abwende. 25/5 Und Mose sagte zu den Richtern Israels: Erschlagt [sie], jeder seine Leute, die sich an den Baal-Peor gehängt haben!

25/6 Und siehe, ein Mann von den Söhnen Israel kam und brachte eine Midianiterin zu seinen Brüdern vor den Augen Moses und vor den Augen der ganzen Gemeinde der Söhne Israel, als diese am Eingang des Zeltes der Begegnung weinten. 25/7 Und als der Priester Pinhas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, das sah, stand er aus der Mitte der Gemeinde auf und nahm einen Speer in seine Hand; 25/8 und er ging dem israelitischen Mann nach in das Innere [des Zeltes] und durchbohrte die beiden, den israelitischen Mann und die Frau, durch ihren Unterleib. Da wurde die Plage von den Söhnen Israel zurückgehalten. 25/9 Und die [Zahl der] an der Plage Gestorbenen war 24 000.

25/10 Und der HERR redete zu Mose und sprach: 25/11 Der Priester Pinhas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, hat meinen Zorn von den Söhnen Israel abgewendet, indem er in meinem Eifer mitten unter ihnen geeifert hat. So habe ich die Söhne Israel in meinem Eifer nicht vernichtet. 25/12 Darum sprich: Siehe, ich gebe ihm meinen Bund des Friedens. 25/13 Und ihm und seinen Nachkommen nach ihm wird ein Bund ewigen Priestertums zuteil werden, weil er für seinen Gott geeifert und für die Söhne Israel Sühnung erwirkt hat. - 25/14 Und der Name des getöteten israelitischen Mannes, der mit der Midianiterin getötet wurde, war Simri, Sohn des Salu, der Fürst eines Vaterhauses der Simeoniter; 25/15 und der Name der getöteten midianitischen Frau war Kosbi, Tochter des Zur; er war Stammhaupt eines Vaterhauses unter den Midianitern.

(Hervorhebungen natürlich nicht im Original.) Die Handlungen der Priesterschaft und damit auch das jüngste Attentat stehen also in langer biblischer Tradition. Daß sich christliche und faschistische Bewegungen so gut miteinander verstehen ist kein Zufall. Näheres hierzu im Text Die christlichen Wurzeln des Nationalsozialismus auf unserer Site. (EMÖ)

[Quellen: AP 11.8.99, Informationsseiten des Los Angeles County Sheriff Emergency Information Bureau über die Priesterschaft des Phineas, Die Bibel, revidierte Elberfelder Übersetzung (muß man nicht kennen).]

 12. August 1999 · Religion: Wie klerikalisiert man einen Staat?


"Toto, I have a feeling we're not in Kansas anymore." – Dorothy, Wizard of Oz

Wieder sind die USA dem Gottesstaat einen Schritt näher gerückt. Trotz gegenteiliger Empfehlungen eines 27-köpfigen Komitees aus Lehrern und Wissenschaftlern wurden gestern im US-Bundesstaat Kansas neue Schulrichtlinien verabschiedet, die es den 302 Schulbezirken des Landes erlauben, anstelle der Evolutionstheorie den Kreationismus zu unterrichten. Auch andere Bundesstaaten haben aufgrund des Drucks religiös-fundamentalistischer Pressure-Gruppen bereits vergleichbare Gesetze verabschiedet, so z.B. Alabama, wo Schulbücher mit der Evolutionslehre den Vermerk tragen müssen, daß es sich dabei "nur um eine Theorie" handle und es "andere ebenso zwingende Berichte" gebe (welche "Berichte" damit gemeint sind, kann jeder im Buch Genesis der Bibel nachlesen). Mark Looy von der Gruppe "Answers in Genesis" sieht in der Evolutionstheorie dann auch die Ursache für Mord- und Totschlag: "Sie erzeugt ein Gefühl von Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, welches, denke ich, zu Dingen wie Schmerz, Mord und Selbstmord führt."

Wer sich näher über den Kampf um die Schöpfung informieren will, sollte einmal bei Ute's Own oder dem Archiv der Newsgroup talk.origins vorbeischauen.

Die Fundamentalisten in den USA sind milliardenschwer und exzellent organisiert. Sie sind sich darüber im klaren, welche Strategie wo funktioniert und welche nicht. In kleinen Schritten bemühen sie sich, das Schulsystem zu zersetzen, die Medien und die Politik zu infiltrieren sowie die Wissenschaft und progressive Gruppen zu diskreditieren. Ereignisse wie die Schulmassaker werden eingesetzt, um die eigenen Interessen zu rechtfertigen. Bei bestimmten Themenbereichen wie dem sexuellen Mißbrauch oder dem Kampf gegen Pornographie wird gezielt auf die Unterstüzgung "progressiver" Kreise wie z.B. radikale Feministinnen gesetzt. Auf diese Weise läßt sich bspw. die Dämonisierung von Sexualität auch außerhalb des konservativen Milieus realisieren. Extremistische Abtreibungsgegner bilden den terroristischen Arm und schrecken auch vor Bombenanschlägen und Todeslisten nicht zurück. Solche Gruppen können ohne weiteres dazu mobilisiert werden, Bibliotheken anzuzünden und Universitäten zu stürmen. Eine solche Entwicklung mag man auf die USA bezogen kaum für möglich halten, aber wenn man an die letzten Gesetzesveränderungen denkt, was Schulgebete, körperliche Bestrafung von Schulkindern, die Aushängung der Zehn Gebote und eben auch die Evolutionstheorie angeht (und das ist längst nicht alles), dann muß man eine solche Perspektive langfristig für möglich halten.

Sie scheint leider nicht nur möglich, sondern unausweichlich. Der Kurs ist festgelegt. Bis jetzt gibt es niemanden, der effektiv gegensteuert, und das obwohl Amerika derzeit den liberalsten Präsident hat, der zur Verfügung steht: Vize Al Gore verspricht die geistig-moralische Wende, und der Gegenkandidat ist ein gottesfürchtiger Republikaner, Georgie Bush Jr. Wissenschaftliche Gruppen wie das National Center for Science Education finden kein Gehör. Trotz vieler progressiver Medien (man denke an The Nation, Mother Jones, New York Times, Wired etc.) sind die etwa 40 Millionen Fundamentalisten des Landes und ihre Führer laut genug, um Gesetze zu verändern.

Angesichts dieser düsteren Perspektive bleibt nur zu hoffen, daß Europa vom Fundamentalismus verschont bleibt. Klar ist: Bereits mit Millionenbeträgen aus dem Ausland könnten Gruppen wie die Christliche Mitte oder die Partei Bibeltreuer Christen auch in Deutschland aktiver werden. Man würde eine Gruppe suchen, die bereit ist, sich ein etwas moderateres Image zu geben und sie mit entsprechender finanzieller Unterstützung ausstatten. Dann kämen zunächst die Broschüren an die Schulen, die Pressemitteilungen an die Medien, dann die gezielte Finanzierung von Pseudowissenschaftlern und "Experten", die persönliche Betreuung bestimmter Politiker ... schon nach wenigen Monaten würden sich erste Erfolge einstellen. Und wenn nicht Millionen, sondern Milliarden investiert würden, könnte es tatsächlich schon in wenigen Jahren ein "Deutschland nach Gottes Geboten" geben, wie die CM es sich wünscht. (EMÖ)
[Quelle: American Atheists Newsletter, 12.8.99]

News-Archiv
2 | 1

Copyright © 1999, Der Humanist