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Am 3. Juni 2000 hat in Belfast der Humanistische Marsch zum Jahrtausendwechsel begonnen. Er soll am 1. Januar 2001 in Jerusalem enden. Sowohl Belfast als auch Jerusalem sind Symbole des mittelalterlichen religiösen Eifers, der die Welt belastet. Traurigerweise ist er keineswegs auf diese beiden Städte begrenzt; Algerien, Afghanistan, Indien, Indonesien, Saudi-Arabien, Iran, Serbien, Kroatien; die Liste ist endlos... Durch den Marsch von einem Epizentrum religiösen Konflikts zu einem anderen soll verdeutlicht werden, dass Humanismus eine Lebensphilosophie ist, die auf menschlichen Werten, auf Vernunft, weltlicher Moral, wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und ihn als eine Lösung für die Trennungen zwischen den Menschen anbieten. Das Hauptinteresse gilt der Darstellung einer humanistischen Botschaft auf den Straßen, um sie für Nichtakademiker anziehender zu machen. Es soll gezeigt werden, dass die Botschaft des Humanismus nicht auf Unversitäten beschränkt ist. Auf diesem Weg möchten die Initiatoren mehr Mitglieder für humanistische Organisationen gewinnen: Wenn 25 Prozent der Menschen im Westen keiner Religion angehören und an keinen Gott glauben, gibt es keinen Grund, warum die Mitgliederzahl auf wenige Tausend begrenzt sein sollte. Mehr Infos zur Marschroute und zu anderen interessanten Terminen finden sich in unseren Veranstaltungstipps. (H.J.)
Im Urban Legends and Folklore Archive ist ein interessanter Artikel erschienen, der sich mit christlicher Paranoia rund um die Erfolgs-Buchserie Harry Potter befasst (englisch).
Die Kurzfassung: Seit längerem sorgen sich fundamentalistische Eltern wegen HP um das spirituelle Wohl ihrer Sprösslinge. Die Potter-Saga, in der es um die Abenteuer eines Jungen geht, der im Alter von 10 Jahren herausfindet, dass er zaubern kann, erziehe Kinder zum Satanismus, so der aberwitzige Vorwurf. (Vermutlich hat man eher Angst, die eigenen Märchen könnten an Glaubwürdigkeit verlieren.)
Geisteskranke Eltern und Pastoren sehen in der Potter-Serie den Beginn der Apokalypse. Das geniale Satiremagazin The Onion griff den Wahn auf und veröffentlichte einen bissigen Artikel, in dem mit allerlei witzigen Fake-Zitaten die Potter-Hysterie parodiert wird. So wird am Ende des Textes die Autorin J.K. Rowling "zitiert":
Ähem. Wer Christen (insbesondere in der mittelalterlich-fundamentalistischen Ausführung) nicht kennt, würde vermuten, dass selbst die in der Lage wären, an dieser Stelle eine gute Satire zu erkennen. Das Gegenteil ist der Fall: Seit kurzem kursiert im Netz ein E-Mail-Kettenbrief, der Potter als gefährliche Bedrohung skizziert und dies mit Zitaten aus der Onion-Story "belegt". Angesichts der Lebensdauer eines ähnlichen Kettenbriefs, der behauptet, der Chef des Megamultis Procter&Gamble habe sich öffentlich zum Satanismus bekannt (in verschiedenen Formen kursiert die Story schon seit über 20 Jahren, und die Firma musste seitdem rund 200.000 diesbezügliche Anfragen beantworten) kann man wohl davon ausgehen, dass der Ärger um Harry mindestens bis 2020 weitergeht.
Vorausgesetzt, der Fürst der Finsternis bereitet dem Unsinn kein frühzeitiges Ende...mwahahaha! (EMÖ)
"Ich halte es für absoluten Quatsch, gegen Kinderbücher auf der Grundlage zu protestieren, sie lockten Kinder zu Satan. Die Leute sollten uns dafür dankbar sein! Diese Bücher bringen Kinder dazu, einzusehen, dass der schwache, idiotische Sohn Gottes ein lebender Betrug ist, der gedemütigt wird und den fettigen Schwanz des Dunklen Herrn zu lutschen kriegt, sobald der Feuerregen kommt, während wir, Satans treue Untertanen, lachend und tanzend den Sieg feiern."
Michael Manns MANHUNTER aus dem Jahre 1986 ist der frühe Prototyp des modernen Serienkillerfilms und aufregender und intelligenter in der Inszenierung als Jonathan Demmes oscargekrönter THE SILENCE OF THE LAMBS. Mehr...
(C.B.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 14. Juli 2000.
Am Donnerstag, den 6. Juli, beginnt ARTE um 20.45 Uhr den Themenabend "Jenseits der Pyramiden - Ägypten heute".
Mit seinen 62 Millionen Einwohnern ist Ägypten das bevölkerungsreichste Land der Region. Es verzeichnet auch den schnellsten Bevölkerungszuwachs (1 Million Menschen pro Jahr). Trotz eines jährlichen Wirtschaftswachstums von über 5 % zählt Ägypten mehr als 20 % Arbeitslose, und das Lebensniveau von fast 14 Millionen Ägyptern liegt unter der Armutsgrenze. Wie leben die Ägypter heute, und was empfinden sie in einem Land, in dem es manchmal zu gewaltsamen Auseinandersetzungen um Religion und Laizismus kommt? Wie ist ihre Befindlichkeit in einer Wirtschaft, die unter die Aufsicht des IWF gestellt wurde? Wie wird ihre Lage in der zeitgenössischen Kultur, in Literatur und Film widergespiegelt? Junge Ägypter sprechen über den Schleier und die Trennung von Religion und Staat sowie über die gegenwärtigen Konflikte zwischen Sexualität und Moral, über das Verhältnis von Familie, Islam und moderner Gesellschaft. (H.J.)
[Zit. aus: www.wdr.de]
Am 15./16. Juli veranstaltet der AStA der Universität München ein Wochenendseminar zum Thema "Ganzheitlich und ohne Sorgen in der Republik von morgen - Irrationalismus, Esoterik, Antisemitismus".
Am Samstag geht es um "Holocausterinnerung und Globalisierung" (N. Sznaider), "Braune Aura: Die esoterische Psycho-Szene" (C. Goldner), "Die Wurzeln des Antisemitismus" (H. Fink), "Die Götter des New Age: Im Schnittpunkt von 'Neuem Denken', Faschismus und Romantik" (P. Kratz), "Die okkulte Geschichte des 3. Reiches" (Film).
Am Sonntag geht es weiter mit "Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister: Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik" (P. Bierl), "Standort-Unlogik" (T. Ebermann), "Ist Aufklärung genug?" (Podiumsdiskussion).
Mehr Infos, genaue Uhrzeiten und Veranstaltungsorte zu diesem und anderen Hinweisen finden sich in unseren Veranstaltungstipps. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 30 Juni, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Mittwoch zeigt der Bayerische Rundfunk um 21.45 Uhr die französische Biografie "Eine Frauensache" nach einem authentischen Fall über eine "Engelmacherin" während der deutschen Besatzungszeit. Als Marie Latour angezeigt wurde, geriet die Verhandlung zum Schauprozess, die Staatsmacht wollte ein Exempel statuieren. Vichy-Frankreich verurteilte sie zum Tode. Am 31. Juli 1943 wurde sie hingerichtet, als eine der letzten Frauen, die unter der Guillotine starb - verurteilt als "Mörderin des Vaterlandes".
Es entstand ein kritisches Porträt des Mitläufertums, der Kollaboration im damaligen Frankreich - neben dem blasphemischen Stoßgebet der Verurteilten der Hauptgrund für einige recht heftige Proteste, die der Film in Frankreich auslöste. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 23 Juni, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Die Frankfurter Rundschau beurteilte die Fernsehberichte über den Katholikentag in Hamburg recht kritisch. Die großmundigen Titel, "Invasion der Frommen" hieß es kämpferisch in der Zusammenfassung des NDR für die ARD, "Zeit für Zoff und Zuversicht" im ZDF, wären hübsch formulierte Wunschvorstellungen, die nicht den gezeigten Bildern entsprächen.
Auch die Zusammenfassung des Bayerischen Rundfunks wirkte eher wie eine Realsatire. So würden Behauptungen wie "die mitreißende Jugend" vordergründig bleiben. Versteinerte Gesichter, wenn es ums "Feiern" geht, Händeschütteln der Prominenz aus Kirche und Politik, wenn laut Fernsehmoderator "die Zeichen der Zeit (. . .) auf Kommunikation (stehen)"! Der Beitrag wäre offenbar für kirchentreue Insider gedacht, mit frommen Sprüchen gepflastert und durch eine salbungsvolle Sprecherinnen-Stimme überhöht.
Als gute journalistische Arbeit wurde dagegen die Reportage von Tilman Jens, Carola Wittrock und Wilfried Köpke für die ARD genannt. Singen, Klatschen, Reden sei zwar auch hier im Bild, aber mit ironischer Distanz: "Überall ist hadde-wadde-duddeda." Die Frankfurter Rundschau: "Hier wurde nicht vorgemacht, was Kirche nicht mehr bedeutet, sondern sehr routiniert klar, was sie oft ist: Blubb." (H.J.)
[Quelle: Frankfurter Rundschau, 6.6.00]
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 9. Juni, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Donnerstag beschäftigt sich ARTE ab 20.45 Uhr in einem Themenabend um die ethische Sicht der fortschrittlichen Medizin: "Mensch nach Maß - Was darf die Medizin?"
Da geht es um Experimente, Eugenik, Auswahl von Embryonen, aber auch um Organspenden. Ist die Transplantation eines tierischen Organs ethisch vertretbar? Stellt das Klonen eine Lösung dar? (H.J.)
Viele Bühnen hatten sich mit dem umstrittenen Theaterstück "Corpus Christi" - wir berichteten - solidarisiert. Das Heilbronner Ensemble wurde zu einigen Gastspielen eingeladen. Die Gastspiele in Ulm (27. Juni) und Karlsruhe (14. Juli) wurden nun aufgrund christlicher Proteste aus Sicherheitsgründen wieder abgesagt.
Auch in Heilbronn hatte es Drohungen gegeben - eine Aufführung musste wegen Bombendrohung abgebrochen werden. Der Heilbronner Theaterintendant Klaus Wagner ließ sich dadurch aber nicht abschrecken, ihn ärgere aber der "feige Protest von Leuten, die sagen, sie hätten das Stück nicht gesehen und wollten es auch nicht sehen". Die Aufwallung zeige »das faschistoide Fundament unter manchem, was sich hierzulande christlich nennt«.
Die Proteste aus der fundamental-christlichen Ecke alleine hätten wahrscheinlich nicht für die Ausladungen ausgereicht. Aber auch die CDU in Baden-Württemberg machte Druck gegen die Aufführung. So teilte der Intendant des Ulmer Theaters, Ansgar Haag, mit, dass er der Forderung der CDU-Gemeinderatsfraktion gefolgt sei und das geplante Gastspiel abgesagt habe, um der Stadt eine langwierige und unerfreuliche Diskussion zu ersparen. Hier war übrigens auch Erpressung mit im Spiel: Die Ulmer CDU hatte bei einer Aufführung mit finanziellen Folgen für den Theateretat gedroht.
Noch stehen drei Gastspiele in Pforzheim (am 2. 7.), Tübingen (am 8. 7.) und Freiburg (am 18. 7.) auf dem Terminplan. Doch auch in diesen Orten machen die Unionschristen bereits Druck.
Aktuelle Infos unter www.percybrauch.de
[Quelle: junge Welt, 03.06.00]
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 9. Juni, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Der "Tatort: Rattenlinie" mit Manfred Krug und Charles Brauer letzten Sonntag bei ARD und ORF war recht amüsant, hat aber wohl nicht jedem gefallen. Ein gewisser Weihbischof Andreas Laun aus Salzburg hat sich empört bei den Sendern beschwert.
Die Verfilmung sei "eine bösartige Verdrehung der Geschichte". Schärfstens protestierte der Weihbischof gegen die Behauptung, der Vatikan "habe Naziverbrechern absichtlich zur Flucht verholfen und Pius XII. hätte eine generelle Amnestie für diese Leute gefordert". Auch die Behauptung der Kriminalisten, dass nach der Statistik jeder Dritte Klosterinsasse homosexuell sei, wäre eine "durch die Fakten nicht gedeckte Verleumdung". Schließlich wirft Laun den Tatort-Machern vor, die ewige Jungfrau am Ende des Film verhöhnt zu haben.
Zumindest mit Letzterem hat der Weihbischof vollkommen Recht. Obwohl - das "Ave Maria" der beiden singenden Kommissare in der Kapelle des Klosters war wunderschön ... und Stoevers Blick voller Frömmigkeit gen Himmel gerichtet ...
Aber ist es nicht eigentlich die Kirche, die mit ihrem Zerrbild von Maria die Mutter Jesu und den Verstand der Menschen verhöhnt? (H.J.)
[Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 1.6.00]
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 2. Juni, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Für alle Tatort-Fans: Diese Woche gibt es gleich zwei Leckerbissen. Am Sonntag (ARD, 20.15 Uhr) schlüpft Kommissar Stoever undercover in die Mönchskutte, um einen Mord aufzuklären. Hintergrund des Krimis sind die so genannte "Rattenlinie" - so heißt denn auch der Tatort - und Bischof Hudal. Der 1885 in Graz geborene Alois Hudal gilt als Hitler-Verehrer und war unter dem "schweigenden" Papst Pius XII. (1939-58) Rektor der deutschen Gemeinde in Rom. Er soll etlichen Nazi-Größen zur Flucht nach Südamerika verholfen haben. Zur endgültigen Aufdeckung der Vorgänge um diese Rattenlinie könnte das päpstliche Privatarchiv beitragen, aber es ist für die Öffentlichkeit gesperrt.
Der zweite, wirklich empfehlenswerte Tatort am Dienstag (MDR, 22.50 Uhr) ist eine Wiederholung von 1996. In "Heilig Blut" geht es wiederum um ein Kloster, diesmal ein Nonnenkloster. Eine tot aufgefundene "Braut Christi" war schwanger. Ein Unfall oder Mord? Die Geschichte, so absurd wie der Katholische Glaube, ist Religionskritik vom Feinsten. Am Ende kann der Kommissar nur noch zur Äbtissin sagen: "Mann, ist dieser Glaube krank!" Wer's noch nicht gesehen hat, unbedingt anschauen. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 26. Mai, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Sonntag berichtet der SWR um 16.30 Uhr in seiner Sendung "Zum Teufel mit der Toleranz. Wieviel Spielraum lässt die Wahrheit?" noch einmal über das Theaterstück "Corpus Christi", das jetzt übrigens auf Gastspielreise geht (siehe unsere Veranstaltungstipps).
Aber es geht nicht nur um die Intoleranz radikaler Christen - wie verharmloste der jetzt 80-jährige Papst so schön in seinem Mea Culpa: die Christen haben "bisweilen Methoden der Intoleranz zugelassen" -, es geht vor allem auch um die Intoleranz gegenüber Christen. „64.000 Christen starben 1999 wegen ihres Glaubens“ titelte die "Welt" im Januar. (H.J.)
Der Buddhismus hat sich seit einiger Zeit zur Modereligion entwickelt. Der Dalai Lama, Medienstar wie der Papst, tut mit seinen Reisen ein Übriges dazu. Dass der Buddhismus und der Dalai Lama, der bereits seine Kindheit im Kloster verbringen musste, auch seine Schattenseiten haben, darüber hält Colin Goldner (Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs, Alibri-Verlag) bei Radio Darmstadt am 24. Mai einen Vortrag.
Mehr Infos, genaue Uhrzeiten und Veranstaltungsorte zu diesem und anderen Hinweisen finden sich in unseren Veranstaltungstipps. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 19. Mai, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Sonntag ist im größten Bundesland, in NRW Landtagswahl. Die Medien berichten ab 17.00 Uhr darüber. Herausforderer Jürgen Rüttgers (CDU) will Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) samt seiner rotgrünen Koalition ablösen. Die FDP mit ihrem Spitzenkandidaten Jürgen W. Möllemann hofft nach fünf Jahren Abstinenz in den Düsseldorfer Landtag zurückzukehren.
Während der letzten Regierungszeit plante die evangelische Kirche in NRW das "Besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe" einzuführen. Über diesen Umweg wollten sie auch vom Verdienst des anders- bzw. nicht-religiösen Partners partizipieren. Der Ministerpräsident Clement (SPD) mochte den Kirchen gerne den Wunsch erfüllen - er soll sogar sein Wort gegeben haben -, aber die Grünen lehnten auf Druck einiger Parteimitglieder das Ansinnen einer entsprechenden Gesetzesänderung ab. Einfache Begründung: Es steht nicht im Koalitionsvertrag. Somit war das Kirchgeld vorerst gescheitert. Aber am Sonntag fallen alle Würfel neu.
Über die Vorgänge um das Kirchgeld in NRW berichtet der Artikel "Kirchgeldinitiative in NRW vorerst [!] gescheitert". (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 12. Mai, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Seit 40 Jahren können - soweit sie dürfen - Frauen mit der Pille die Empfängnis verhüten. Zu diesem Anlass bringt der Bayerische Rundfunk am Montag um 21.20 Uhr die Sendung "Sicher verhüten? Aber natürlich!"
Hierzu eine kleine Geschichte über Verhütung auf katholisch:
Seit den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens hat die katholische Kirche jegliche Verhütung, auch die sogenannte natürliche durch Ausnutzung der sicheren Tage, strengstens verboten. Geschlechtsverkehr hatte niemals der Lust, sondern nur der Pflicht der Kindererzeugung dienen. Alles andere ist Ehebruch - genau, Ehebruch mit der eigenen Frau.
Auch noch der jetzige Papst Johannes Paul II. sprach am 8. Oktober 1980 in Rom immer noch vom "Ehebruch mit der eigenen Frau", wenn Verheiratete es mit Lust an der Sache und vor allem mit Verhütung treiben. Aber gegen alle katholische Tradition bezog sich der Papst nur auf die "unnatürlichen" Methoden. Während der große Kirchenvater Augustinus (gest. 430) die natürliche Methode eine "Zuhältermethode" nannte, meinte Joh. Paul II. in einem Schreiben 1981 dazu: "Die Entscheidung für die natürlichen Rhythmen beinhaltet eine Annahme der Zeiten der Person, der Frau, und damit auch ein Annehmen des Dialogs, der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Verantwortung." Die Methode bedeute, "die personale Liebe in ihrem Treueanspruch zu leben". Alle anderen Methoden erniedrigen und manipulieren lt. JPII. die menschliche Sexualität.
Da dem Papst selbst keine vernünftige Erklärung einfiel, bat er die Theologen in dem o.g. Schreiben, "den anthropologischen und gleichzeitig moralischen Unterschied zu erarbeiten und zu vertiefen, der zwischen der Empfängnisverhütung und dem Rückgriff auf die Zeitwahl besteht". Franz Böckle, Deutschlands bekanntester katholischer Moraltheologe, meinte dazu: "Man muß sich nicht wundern, wenn die geplagten Seelsorger und erst recht die angeforderten Laien den metaphysischen Unterschied zwischen den 'natürlichen' und den 'widernatürlichen' Methoden nicht begreifen können."
Mir fällt da nur eine logische Erklärung ein, warum Sex, der nur dem Lustgewinn und nicht dem Nachwuchs dient, ausgerechnet mit der "natürlichen" Verhütung katholischerseits ausnahmsweise genehmigt wird, alle anderen Methoden aber weiterhin strengstens verboten sind: Es ist die Methode, die am unsichersten ist und somit den Betroffenen die meiste Angst und die wenigste Lust bereitet. Und Menschen mit Angst ließen sich schon immer gut beherrschen. - Wie gut, dass in Sachen Empfängnisverhütung hierzulande kaum noch jemand auf den alten Herrn in Rom hört. (H.J.)
Quelle: Uta Ranke-Heinemann, Eunuchen für das Himmelreich, 1989
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 21. April, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Nachdem die ARD kürzlich mit ihrer Doku-Reihe "2000 Jahre Christentum" mehr schlecht als recht eine Aufarbeitung der Geschichte versucht hat - die Beschreibung der Schönheit der christlichen Kunst wechselte sich ab mit der Beschreibung der christlichen Verbrechen; alles im gleichen Tonfall -, stellt nun das ZDF in ihrer 7-teiligen Missionsreihe "Glut unter der Asche" ab Sonntag die Frage nach Gott.
So heißt es beim ZDF in den Texten zur Reihe:
"Wie kann man in unserer Zeit an Gott glauben? Ist der Mensch des 21. Jahrhunderts nicht längst religionsmündig geworden? Die Selbstverständlichkeit, mit der die monotheistischen Religionen über Gott und Offenbarung reden, ist verloren gegangen. Dennoch bleibt die Gottesfrage als Sehnsucht des Menschen nach einem tragenden Grund bestehen."
und schließlich:
"Aufklärung und Religionskritik haben die Frage nach Gott nicht zum Verstummen gebracht. Das Christentum wird sich daran messen lassen müssen, ob es die Geschichte von Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit fortsetzen kann."
Daran kann man schon ermessen, was auf die Zuschauer zukommt. Also eher keine Empfehlung.
In eigener Sache: Die nächsten Medientipps gibt es urlaubsbedingt erst wieder am 5. Mai. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 14. April, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Donnerstag geht es bei einem Themenabend bei ARTE (20.45 Uhr) um die "Lust auf Sex". Nach den Umfragen sind die Deutschen mit ihrem Sexualleben relativ zufrieden. Aber Experten wissen: Tabus, Scham und Ängste belasten das Geschlechtsleben vieler Paare.
Der Themenabend geht in zwei Dokumentationen u.a. den Fragen nach, ob Männer und Frauen tatsächlich für die geschlechtliche Partnerschaft geschaffen sind und ob das herkömmliche Partnerschaftsmodell nach dem Motto 'bis dass der Tod Euch scheidet' nicht grundsätzlich unseren Wünschen und Trieben widerspricht. (H.J.)
Immer noch beschäftigt das Theaterstück "Corpus Christi" in Heilbronn, eine sehr moderne Erzählung über das Leben des Zimmermannsohns, strenggläubige Christen und Moslems in Deutschland. Für Samstag hat die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) zu einer Demonstration vor dem Stadttheater Heilbronn aufgerufen.
Aus dem Aufruf: "... In der Aufführung wird auf gemeine Art und Weise die Wahrheit verdreht und nach unserem Verständnis Geschichtsfälschung betrieben.
Das läßt sich leicht durch das Lesen der Bibel belegen. Durch dieses gotteslästerliche 'Schmierentheaterstück' wie es in den Medien bezeichnet wurde, werden grob und mutwillig die Glaubensinhalte von Millionen von Christen weltweit verunglimpft, verletzt und beleidigt. Das trifft nicht nur auf 'sogenannte Fundamentalisten' zu.
Das Stück verletzt nach Grundgesetz Artikel 5, Absatz 2 '...das Recht auf persönliche Ehre.' Nach StGB §166 verletzt es religiöse Gefühle und stört den öffentlichen Frieden. ...
Wir schämen uns für unser 'Christliches Abendland'. Muslime, die in unserem Land leben, beschämen uns und zeigen uns, wie wir mit 'Heiligem' umgehen sollten!"
Die PBC-Anhänger gehören zu der verschwindend geringen Gruppe von Christen, die die Bibel tatsächlich - entgegen aller wissenschaftlichen Forschung - als Geschichtsbuch und immer noch völlig wörtlich nehmen. In dem Aufruf verurteilt der Vorstand der PBC jede Gewaltanwendung gegen das Theater - um dann doch zum Schluss Moslems als Vorbilder zu nennen, die doch gegen den Autor von "Corpus Christi", Terrence McNally, die Fatwa verhängt haben.
Mehr Infos, genaue Uhrzeiten und Veranstaltungsorte zu diesem und anderen Hinweisen finden sich in unseren Veranstaltungstipps. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 7. April, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Sonntag beschäftigt sich die ARD (17.30 Uhr) mit dem Thema Abtreibung. Der Titel zeigt schon, in welche Richtung die Sendung geht: "Ich musste abtreiben". Es geht vor allem um die Probleme nach der Abtreibung, die dann durch Therapeuten und Seelsorger verarbeitet werden müssen.
Maja Langsdorff schreibt dazu in ihrem Buch "Kleiner Eingriff - großes Trauma?" (Fischer-Verlag):
Können Abtreibungen seelisch krankmachen? Immer wieder hört und liest man, dass Frauen, die ihre unerwünschte Schwangerschaft abbrechen lassen, schwere seelische Folgen drohen. Das Risiko einer gefühlsmäßigen Irritation besteht tatsächlich, doch es ist nicht schicksalsbedingt. Meist werden die seelischen Schwierigkeiten, die die Frauen "danach" beklagen, durch eine Vielzahl von Faktoren provoziert. Depressionen, Schuldgefühle und das Absinken der Selbstachtung wären vermeidbar, würden Mutterschaft einerseits und das Nein zum Kind andererseits nicht unter ideologischen und moralischen Aspekten zu Weltanschauungsfragen hochstilisiert. Entgegen anderslautenden Gerüchten haben nur wenige Frauen nach einer Abtreibung - vorübergehend - seelische Beschwerden. Den meisten bleibt die Zeit "davor" viel frischer und grausamer im Gedächtnis haften - die Zeit der Angst, der Konflikte, des Zeitdrucks, des Entscheidungszwangs, der Organisation.
Neben den Ursachen, Hintergründen und Auswirkungen problematischer Verarbeitung geht es in diesem Buch auch um Fragen, die größere Zusammenhänge aufzeigen: etwa nach dem Schicksal unerwünschter Kinder oder nach der Alternative Adoption statt Abtreibung. Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Familienplanung macht deutlich, warum die Abtreibung als Selbstbestimmungsrecht der Frau so schwer durchsetzbar ist. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 31. März, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
Am Mittwoch um 17.05 Uhr heißt das Thema bei HR 2 Radio: "Bilder aus dem Jenseits? - Neues aus der Nahtod-Forschung". Schon lange beschäftigen sich Mediziner und Psychologen mit den sogenannten "Nahtod-Erfahrungen". Viele der Patienten berichten über das Gefühl außerhalb ihres Körpers zu stehen.
Ein europaweites Forschungsprojekt hat kürzlich überraschende Ergebnisse zu Tage gefördert: Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen erleben durchaus verschiedene Todesnähe-Erfahrungen. Die Bilder und Erlebnisse sind kulturell beeinflusst. Was heißt das aber für die Frage, was nach diesem irdischen Leben kommt. Können Nahtod-Erlebnisse überhaupt ein Hinweis auf das Jenseits sein? Oder verarbeitet das Gehirn, das bei Nahtod-Erfahrungen eben noch nicht tot ist, nur den kulturellen und religiösen Input.
Im November 1998 beschäftigte sich "Quarks & Co" vom WDR mit dem Thema "Wie wir sterben?". Auch die Nahtod-Erfahrungen wurden in der interessanten Sendung wissenschaftlich erklärt. Der Text der Sendung ist im Internet nachlesbar. (H.J.)
Kürzlich wollte die Regionalbeauftragte von Niedersachsen des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA), Irene Nickel, der "Öffentlichen Bücherei Braunschweig" mit einer Buchspende etwas Gutes tun. Sie hatte vor, der Bibliothek ein Exemplar von Prof. Dr. Franz Buggles "Denn sie wissen nicht, was sie glauben" zu spendieren - natürlich nur, wenn das Buch auch den Nutzern der Bücherei zur üblichen Ausleihe angeboten wird.
Aber die Bücherei war nicht an dem Buch des Psychologen und Philosophen, das sich kritisch mit Bibel und Christentum beschäftigt und durch Zitate demonstriert, "dass die Bibel ein zutiefst gewalttätig inhumanes Buch ist" (Prof. Dr. Buggle), interessiert. "Nein, danke", meinte die Bücherei Braunschweig, und lehnte das Buch mit der Begründung ab, so etwas würde nicht gelesen, es sei "zu wissenschaftlich". Das Gleiche gelte auch für Hans Küngs "Christ sein", mit dem sich Buggle in seinem Buch ausführlich auseinandersetzt.
Diese Begründung ist allerdings merkwürdig, denn zum Bestand der Öffentlichen Bücherei gehört u.a. Franz Buggeles Werk "Die Entwicklungspsychologie Jean Piagets", ein Buch, das sich an ein Publikum wendet, das sich von wissenschaftlicher Sprache und Methodik und von wissenschaftstheoretischen Ausführungen nicht abschrecken lässt.
Ist etwa die Abneigung gegen wissenschaftliche Sprache und Methodik im Bereich der Religion größer als in anderen Bereichen? Und vor allem: Darf der an Theologie interessierte Nutzer der Bibliothek über seinen Bedarf an wissenschaftlichen Abhandlungen nicht selbst entscheiden? Wozu also diese Vorauswahl in Braunschweig? Eine Öffentliche Bücherei hat einen Bildungsauftrag und sollte den auch zu erfüllen trachten. An zu hohen Kosten kann es in diesem Fall nicht gelegen haben. (H.J.)
Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 24. März, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.
In Berlin läuft die Debatte um den Religions- und jetzt auch Islamunterricht immer noch auf Hochtouren. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern ist Religion in der Hauptstadt ein freiwilliges Fach ohne Benotung. Das aber will die CDU ändern, und auch aus Kreisen der SPD gab es nach der Wahl plötzlich vereinzelt Eingeständnisse in Richtung Kirchen.
Über diese Diskussion berichtet am Samstag,19.00 Uhr, der SFB in seinem Sender B1: "Schüler, Lehrer, Religionen. Die Debatte um ein Schulfach."
Kürzlich fand zu dem Thema ein Talk in der Katholischen Akademie in Berlin statt. Der Theologe Josef Goebel vom Berliner "Aktionsbündnis gegen Wahlpflichtfach Religion/Ethik" forderte kirchliches Umdenken - für ihn ist Religion Bildungsgut und muss nicht mehr bekenntnishaft vermittelt werden. Eingeladen war auch die CDU-Kultusministerin von Baden-Württemberg, Annette Schavan. "Ich bin leidenschaftlich für Religionsunterricht", sagte die einstige Theologiestudentin, die vor anderthalb Jahren bekannt wurde, weil sie eine junge Lehrerin am Unterrichten hinderte, da diese ein Kopftuch trug. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundes-CDU und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Katholiken entgegnete dem Vertreter des Aktionsbündnisses, dass eine Entfernung von Gott nicht ohne Schaden am Intellekt einhergehen kann. [taz, 01.03.00]
Welchen (schadhaften?) Intellekt gesteht Frau Schavan da wohl unseren französischen Nachbarn zu, an deren Schulen schon lange kein Religionsunterricht mehr stattfindet? (H.J.)