Religion: News
"Die Religionen sind wie Leuchtwürmer: Sie bedürfen der Dunkelheit, um zu leuchten." – Arthur Schopenhauer
 16. April 2000 · Religion: "Gott mit dir, du Land der Bayern..."

Klerikaler Streit ums Volksfest

Die Bürger der Stadt Nürnberg atmen auf: Das traditionelle Frühlingsfest (Volksfest), das alljährlich auf dem Volksfestplatz am Dutzendteich - der ehemaligen Aufmarschstrasse der Nationalsozialisten - stattfindet, darf wie immer am Karsamstag beginnen.
Begründet wird dies vom Stadtrechtsdirektor Frommer wegen des so genannten "älteren Herkommens". Er führt aus, dass der Startschuß für den Nürnberger Rummel seit 1920 am Karsamstag historisch belegt ist – natürlich stets "in gutem Einvernehmen" mit den beiden Großkirchen.

In München wurde dagegen der Beginn des Volksfests wegen des massiven Protests des Kirchen auf Ostersonntag verschoben. Sowohl das erzbischöfliche Ordinariat als auch Martin Bogdahn vom Kirchenkreis München, zudem der stellvertretende bayerische Landesbischof hatten gegen den Start des Münchner Frühlingsfestes am Karsamstag (22.04.2000) protestiert.
Lärm und Rummel widersprechen dem Charakter des hohen christlichen Feiertages, teilten sie den Schaustellern und dem Kreisverwaltungsreferat mit. Zudem solle vor allem der Karsamstag - neben dem "Heiligen Abend" - nicht für Finanzgeschäfte mißbraucht werden (Dekan Helmut Ruhwandl).
Ein Satz, der die Schausteller besonders aufbringt. "Alle Geschäfte sind an diesem Tag geöffnet und Kollekten [der Kirchen] werden an dem Tag ja wohl auch gesammelt", ärgert sich ein namentlich bekannter Schausteller.
Süffisant rechnen die Münchner Schausteller vor, dass in der BRD rund 50 Frühlingsfeste am Karsamstag beginnen (siehe oben). Weiterhin wollen sie bei einer internen Auftaktversammlung darüber diskutieren, ob sie im Gegenzug symbolisch keine Kirchensteuer mehr bezahlen.

Im bayerischen Innenministerium als oberster Rechtsaufsichtsbehörde beobachtet man die hitzige Debatte ums Frühlingsfest inzwischen sehr aufmerksam: Der Münchner Streit könnte sich bayernweit als Stich ins Wespennest erweisen.

" ...deutsche Erde, Vaterland!" (H.F.)

[Quelle: Tageszeitung Nürnberger Nachrichten vom 14.04.2000 und vom 15./16.04.2000]

 11. April 2000 · Religion: Offener Brief an "Homosexuelle und Kirche"

Der Humanist veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors einen Offenen Brief von Reiner Kaesberger an den Ökumenischen Arbeitskreis "Homosexuelle und Kirche" (HuK). Darin begründet er seinen Austritt aus dem Arbeitskreis, dem er mehrere Jahre angehörte.

Aus dem Brief:

"Ich kann mir nur verwundert die Augen reiben, wenn protestantische Christen von einer "Vorreiterrolle" ihrer Kirche bei der Homosexuellenemanzipation sprechen. Die Entschärfung des § 175 StGB 1969 wurde von einer Minderheit konsequenter Sozialdemokraten (damals gab es solche noch!) gegen die Mehrheit der Bevölkerung und den Widerstand beider Kirchen durchgesetzt. Diese Gesetzesänderung war die Voraussetzung für die Emanzipationsbewegung und hat schließlich die Diskussion in die Kirchen getragen. Hätten damals die Christen Erfolg gehabt, dann würde heute auch eine Frau Jepsen den Mund halten, wenn sie hätte Bischöfin werden wollen. Bei allen Fortschritten in Sachen Humanität und Gleichberechtigung (z.B. der Frau) waren nie die Kirchen avantgardistisch, sondern sie waren immer Bremser und Nachzügler, sozusagen die geistig-moralisch Fußkranken. Scheitert das weltlich-liberale Konzept, so werden auch die Kirchen alle Fortschritte, die ihr von dieser Seite aufgezwungen wurden, wieder zurücknehmen und wieder auf die unverfälschten Positionen der Bibel pochen. Als zuverlässige Partner für Homosexuelle kann ich mir diese Kirchen auf Dauer nicht vorstellen."

Der vollständige Brief kann in unserer Rubrik Religion / Texte nachgelesen werden. (H.J.)

 1. April 2000 · Religion: Papst Johannes Paul II. gestorben

Im "Heiligen Jahr" hat der himmlische Herr seinen auserwählten Stellvertreter auf Erden zu sich gerufen. Zu einem Zeitpunkt, da niemand damit gerechnet hat, starb Papst Johannes Paul II. in den Armen seines Staatssekretäres in den späten Abendstunden des heutigen Tages. Wie erst vor wenigen Minuten vom offiziellen Pressedienst des Vatikans mitgeteilt wurde, ereilte den höchsten kirchlichen Würdenträger der Tod beim Üben des österlichen Segens „Urmeli aus dem..“ äääh "urbi et orbi".

Die gesamte christliche Welt trauert um ihr geistiges Oberhaupt. Sämtliche klerikalen Würdenräger haben die Regierungen ihrer Länder gebeten, die Landesflaggen auf Halbmast zu setzen.
Sie trauen um ihren Chief, der es wie kein anderer geschafft hat, Flugreisen zu seinem alltäglichen Geschäft zu machen. Er galt als Musterbeispiel für die Grossen der Reise- und Kerosinindustrie. (84 Auslandsreisen in 117 Länder, ca 1,1 Millionen Reisekilometer. Stand Okt. 1998)

Die deutsche Fluggesellschaft „Luftgänse“ lässt unverzüglich prüfen, ob die gesammelten "Miles & More-Punkte" auf das Konto des Petrus-Stuhl-Nachfolgers übertragbar seien.

Wie weiterhin aus informierten Kreisen verlautete, wird damit gerechnet, dass sein alsbald gewählter Nachfolger die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses für den Verstorbenen beantragt. Es wurden bereits riesige Aktenberge von der bayerischen Oberpfalz in den Vatikan transferiert, die unter anderem über 13 600 Gebetsanhörungen aus aller Welt dokumentieren.

Intern wird der christlich-fundamentale Bischof Dyba aus der BRD als Nachfolger in der liberaler Tradition des Papstums gehandelt. Zudem darf man gespannt sein, welche Rolle das von Papst Johannes Paul II. sehr geförderte OPUS DEI bei dem Gerangel um die Weltherrschaft spielt. Es wird gemunkelt, das auch die Scientologen mit von der Partie sein sollen.

Letztendliche Klarheit wird uns allen erst vom Heiligen Geist zukommen, dessen Wirken in den nächsten Tagen sehr gefragt sein wird.

AMEN... ääh April, April!

(H.F.)

 26. Februar 2000 · Religion: Gesunder Glaube?

Wer glaubt, lebt gesünder. Diese Meinung vertraten in den vergangenen Jahren insbesondere amerikanische Gesundheitsforscher. Wie nun das Fachblatt Social Science and Medicine aktuell berichtet, zeigen Befunde englischer Mediziner gegenteilige Ergebnisse.
In einer Langzeitstudie untersuchten die Mediziner bei 250 Patienten - die in Londoner Kliniken eingeliefert wurden - neben dem medizinischen Genesungsprozess auch deren spirituelle Einstellung. Der "Einlieferungsbefund", dass die besonders schwer Erkrankten deutlich weniger religiös eingestellt waren, bestätigte zunächst die o.g. These von Religiosität als scheinbaren medizinischem Schutzfaktor.

Allerdings zeigte sich dann im weiteren Heilungsprozess, dass die stark gläubigen Patienten insgesamt sehr viel schlechter gesundeten als die so genannten "Atheisten". Nach neun Monaten war der medizinisch feststellbare Gesundheitszustand der Nichtgläubigen fast dreifach positiver. Was jedoch noch wichtiger erscheint, ist, dass es bei den Religiösen zeitgleich deutlich häufiger zu Verschlechterungen kam. Beide Befunde sind hochsignifikant und widersprechen evident der Überzeugung, dass Religiosität allgemein gesundheitsförderlich wirke.

Über die Ursachen gibt es von den Gesundheitsforschern lediglich, hier nicht zitierte, Vermutungen.

Man kann jedoch annehmen, dass es den Gläubigen im weiteren Heilungsverlauf doch noch dämmerte, dass sie ihr Gott jämmerlich im Stich gelassen hat. Diese geistige Erkenntnis behinderte dann geradezu den Gesundungsverlauf. Der Nichtgläubige dagegen setzte von Anfang an auf die Kraft seiner selbst, auf die so genannte Selbstwirksamkeit. (H.F.)

[Psychologie Heute, Das Magazin für Leib & Seele, März 2000]

 24. Februar 2000 · Religion: Die Scharia in Nigeria

Ende Januar wurde im Bundesstaat Zamfara in Nigeria das islamischen Strafrecht eingeführt. Das strenge Strafrecht sieht u.a. die Steinigung von Prostituierten und Ehebrechern vor, die Handamputation bei Dieben und die Kreuzigung von Raubmördern. Vergangene Woche wurde in Zamfara die Scharia erstmals tatsächlich angewandt. Ein 18-Jähriger war öffentlich für vorehelichen Geschlechtsverkehr ausgepeitscht worden. Die Auspeitschung des 16-jährigen Mädchens soll erfolgen, sobald es sich von einer Krankheit erholt hat. Auch andere nigerianische Bundesstaaten diskutieren die Einführung der Scharia. [1]

Während die Deutsche Evangelische Allianz, die rund 1,3 Millionen Protestanten aus Landes- und Freikirchen repräsentiert, von der Bundesregierung stärkeren Einsatz für weltweite Religionsfreiheit fordert [2], gingen zehntausend Christen in Nirgerias gemischtreligiösem Bundesstaat Kaduna auf die Straße, um für die Beibehaltung des Laizismus zu demonstrieren - eine Forderung, die immer aufkommt, sobald Christen sich in der Minderheit fühlen, ansonsten ist Laizismus natürlich verpönt.

Als drei Muslime es wagten, die Demonstranten zu stören, wurden sie von der Menge kurzerhand erschlagen. In den darauffolgenden Straßenschlachten zwischen Christen und Moslems gab es mindesten 25 Todesopfer. [1] (H.J.)

[1] Stuttgarter Zeitung online, 24.02.00
[2] idea online, 21.02.00

 23. Februar 2000 · Religion: Tödlicher Wahn

"We need to get what God has tried to teach us back in our hearts whether you're a Christian or not..." – Organisator einer Demonstration für die öffentliche Aushängung der Zehn Gebote im Interview mit der New York Times [2]

Am Dienstag vergangener Woche tötete der Familienvater Raymond Wood aus Warrensburg, USA, seine Ehefrau Tina (31), sowie die Söhne Jared (10) und Joshua (8) und die beiden Töchter Emily (7) und Hannah (5). Der Mann war in seinem Heimatort Anchorage, Alaska, bereits in psychiatrischer Behandlung gewesen. "Er stand die meiste Zeit unter Medikamenten und glaubte, er habe Gott kontaktiert. Einmal glaubte er, er wäre Gott", so Woods Bekannte Sharon Warrick.

Doch Freunden und Nachbarn fiel nichts an dem Mann auf. Er spielte oft liebevoll mit seinen Kindern und war ein sehr religiöser Mensch. Das Ehepaar wurde Mitglied einer Restaurationskirche, ein Ableger der "Reorganized Church of Jesus Christ of Latter Day Saints". Die Familie war laut Auskunft von Pastor Dale Jenkins jeden Sonntag in der Kirche, und eine Bekannte der Woods berichtete, daß die Familie jeden Abend zusammen spielte und aus der Bibel las.

Der psychisch Kranke, der regelmäßig Antidepressiva nehmen mußte, um plötzliche Stimmungsumschwünge zu kontrollieren, wurde zum Mörder an seiner Familie, die er sicherlich aufrichtig liebte. [1] Wie konnte es dazu kommen?

Offensichtlich hat Raymond Wood in seinen religiösen Aktivitäten eine gesellschaftlich anerkannte Projektion seiner psychischen Krankheit gefunden. Wer im Gottesdienst schon einmal in Ekstase ausbricht und die Bibel für das Werk eines allmächtigen Gottes hält, gilt in den USA schließlich nicht als geisteskrank, sondern als anständiger Bürger. Der Massenmord hatte vermutlich neurophysiologische Ursachen, aber die gesellschaftlich anerkannte Geisteskrankheit Religion erschwerte offenbar deren Früherkennung.

Derweil wurde im Senat von Indiana ein Gesetz verabschiedet, das es Rathäusern, Gerichten und Schulen erlaubt, die Zehn Gebote auszuhängen. Damit soll die "Werteentwicklung" bei Kindern und Erwachsenen gefördert werden. Obwohl zur rechtlichen Absicherung im Sinne der US-Verfassung die Aushängung zusammen mit anderen "weltlichen Dokumenten" notwendig sein könnte, beweist ein ähnliches Gesetz in Kentucky, was es mit der so erzielten "Trennung von Staat und Kirche" auf sich hat: Dort werden die Zehn Gebote zusammen mit einer Erklärung von Ex-Präsident Reagan zum "Jahr der Bibel" und einer Rede von Abraham Lincoln zur Bedeutsamkeit des Christentums ausgehängt, um sie zu "säkularisieren". [2]

Sollte in diesem Jahr George W. Bush, Jr., Präsident werden, könnten derartige Gesetze bundesweit durchgesetzt werden, denn seine guten Vorwahl- und Umfrage-Ergebnisse hat Bush nicht zuletzt religiösen Fundamentalisten zu verdanken, die für ihn Stimmung machen. Und Amerika wäre wieder einen großen Schritt weiter auf seinem Weg zum fundamentalistischen Gottesstaat. (EMÖ)

[1] AP, 19.2.2000
[2] American Atheist Newsletter, 8.2.2000

 15. Februar 2000 · Religion: Sexy Brotaufstrich nicht koscher

Angeschmiert ist der ultraorthodoxe israelische Religionsminister Jitzhak Cohen, denn er muss sich zu einer schlüpfrigen parlamentarischen Anfrage äußern. Das Rabbinat der Stadt Herzlia hat das für den Verkauf von Lebensmitteln in Israel unabdingbare Koscher-Zertifikat an eine als Körperaufstrich gedachte Schokocreme vergeben. Die Rabbiner dachten, es handele sich um eine ordinäre Frühstücksbeilage. Dieser Fauxpas veranlasste jetzt den weltlich eingestellten Abgeordneten Joseph Lapid dazu, nachzubohren: Die Zertifizierung dieser Körperglasur verstoße ja wohl gegen alle Glaubensregeln. "Wussten Sie denn nicht", so Lapid zu Cohen, "dass diese Milchschokolade über den ganzen Körper gestrichen wird?" Peinlich für den Oberhüter der Religion, denn gläubige Juden müssen den Verzehr von Milch und Fleisch strikt trennen.
Und wieder einmal: Liebe, aber auch Glaube gehen durch den Magen. (G.S.)

Quelle: taz (online) Nr. 6068 vom 15.2.2000

 14. Februar 2000 · Religion: Göttliche Mahlzeiten

Der Tourismus treibt doch wundersame Blüten. In zahlreichen Gotteshäusern auf der "Britischen Insel" kann der (gläubige) Tourist sehr günstig zu Mittag essen oder einen Afternoon Tea einnehmen.
Auf Anfrage wurde allerdings versichert, man werde dabei nicht missioniert. Wer`s dennoch nicht glaubt, kann einen internationalen Antwortschein an "Association of Ecclesiastical Caterers, St. Albans Abbey, GB AL1 1BY St. Albans (Herfordshire)" senden. Er erhält dann gratis die Broschüre "Eating at Cathedrals and Churches".

Die Liebe ...ääh, der Glaube geht eben auch durch den Magen! (H.F.)

[Seemeile, Zeitschrift für Nautik und Tourismus, Nr.1/2000]

 31. Januar 2000 · Religion: Die Schere, der Fisch und die große Meise

„Haar ist wichtig.
Welches Shampoo werde ich heute benutzen? Vielleicht PsycoPath, das sportliche Shampoo mit salonwertigen Mikroproteinen, verpackt in einem männlich schwarzen, spritzgeformten Motoröl-Plastikkanister. Und danach? Einen anregenden Monk-On-Fire, der Plazenta, Nektarinenkernextrakte und Vitamin-B-Komplexe enthält. Und um das alles zusammenzuhalten? First-Strike-Schaumfestiger, hergestellt von pluTONium, dem Haarpflegeinstitut in Sherman Oaks, Kalifornen. Er reguliert sich selbst durch Aloe, Kamille und Harze aus Wachteleiern. Glanz, Halt und Selbstvertrauen. Einfach toll.
Tägliche Überlegungen zu deinem Haar sind wie die Überlegungen, ob man vorschriftsmäßig genormtes Papier oder Briefbögen für den Kopierer benutzen soll. Dein Haar – das bist du, es ist dein Stamm, deine Plakette für Sauberkeit. Haar ist dein Ausweis. Was du auf dem Kopf hast, sagt, was du im Kopf hast. Tägliches Waschen? Nimm dafür ComPulsion mit Ringelblume und Bier. Hormon-Haar, das seine Struktur alle fünf Minuten ändert? Nimm MoodSwing, die belebende Tönung aus Schweden mit Walnußblättern gegen sich selbst schädigendes Haar. Ganz heiß – nuklear –, es zerstört die Nadel auf meinem Ätzmeter.“
(Douglas Coupland: Shampoo Planet)

Ja, es gibt sie tatsächlich, die „Vereinigung Christlicher Friseure“. Haarige Sache, das, aber nicht zu ändern. Rund 300 Mitglieder zählt die Vereinigung, die schon seit 100 Jahren existiert, und Erich Schuh, der Pressesprecher , formuliert das Berufsethos folgerndermaßen: „Frisuren, die ich vor Gott verantworten kann.“ Da niemand weiß, welche Meise unter dem Pony eines christlichen Coiffeurs tschilpt, kann sich folglich auch niemand etwas darunter vorstellen. Genauer nachgefragt, schnippelt Schuh sprachlich munter weiter: „Abstriche an Mode und Frisur sind zwangsläufig nötig. Wir sehen uns der Schönheit verpflichtet, die vom Schöpfer in jeden Menschen hineingelegt wurde.“ Karl Dall gehört augenscheinlich nicht zu seinem Kundenkreis. Und, wenn wir schon dabei sind, offensichtlich gehören auch die Menschen aus dem Popbusiness, die es hip finden, sich zwei kleine Teufelshörnchen frisieren zu lassen, nicht zu seiner Klientel. Wer mag diese Frisuren nur verbrochen haben? Die Figaros des Fegefeuers?

Erkennbar sind die missionierenden Scherenschwinger an den Fischsymbolen in den Schaufenstern. Die widerlichen Dinger kennt man bereits von den Autos. Wer das übersehen sollte, den sollte dann die Auswahl an Zeitschriften, die zu Unterhaltungszwecken ausgelegt werden, stutzig machen. Nix Yellow-Press, „gute Zeitungen und Traktate“, die, ’ne schnelle Mark nebenbei ist ja schließlich nicht zu verachten, auch gleich verhökert werden. „Über den Ladentisch wandern nicht nur Lippenstift und Aftershave, sondern auch manche evangelische Schrift“, beeilt sich Schuh, der mit seinem Namen bei der Vereinigung Christlicher Schuster, so es sie gibt, irgendwie besser aufgehoben wäre, zu sagen.

Ein guter Christ, der etwas auf sich hält, droht anderen gerne mit der Frohbotschaft. Das ist bei den himmlischen Haarkünstlern nicht anders. Schließlich ist die Vereinigung den Richtlinien der Evangelischen Allianz verpflichtet und will ihren Kunden „die frohe Botschaft vom Leben Jesu verkünden“. Mit einem Rasiermesser in Gesichtsnähe sollte man da besser nicht allzu viele Widerworte haben. Kennt noch jemand die alte Redewendung „jemanden über den Löffel balbieren“? Bei einem christlichen Halsabschneider, ähem, Friseur ist das praktizierte Zweideutigkeit. (C.B.)

[Quelle: Frankfurter Rundschau, 27.01.2000]

 26. Januar 2000 · Religion: 2000 Jahre Christentumskritik

„Wenn die christlichen Kirchen gegenwärtig ihr Millennium feiern, so darf nicht vergessen werden, dass es auch 2000 Jahre Kritik am Christentum gibt." Diese These vertrat Dr. Wolfgang Proske, Sozialwissenschaftler und Bildungsreferent des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern, der vom bfg Kulmbach eingeladen worden war, um über die frühesten bekannten Christentumskritiker zu sprechen.

Über diesen Vortrag berichtichtet Der Humanist ist seiner REPORTAGE. (H.J.)

 7. Januar 2000 · Religion: Gläubige sind hilfsbereiter und leben gesünder!?

Aus aktuellem Anlass stelle ich anbei eine meiner Begründungen für eine humanistische Ethik zur Diskussion. Geschrieben wurde diese Replik zu einem Artikel in der Regionalzeitung „Schwabacher Tagblatt“: „Gläubige sind hilfsbereiter und leben gesünder“, vom 05.01.2000:

„Der christliche Glaube fördere und schütze das Leben“ ist ein fiktives Statement von Oberkirchenrat Dr. Karl-Heinz Röhlin, dass genauso viel Gültigkeit hat wie das Gegenteil – die Historie spricht für sich. „Gott mit uns“ stand auf dem Koppelschloss der deutschen Soldaten im WK I., sowie WK II..
Soldaten und deren Waffen werden selbst heute noch von Feldpfaffen und Militärbischöfen geweiht, direkt unter den Schutz des christlichen Gottes gestellt (Falkland / Somalia / Bosnien / Kosovo / Ost-Timor, etc.).
Die zahllos Dahingemetzelten - auf Basis der christlichen Moral geführten Kriege - setzen wir hier nicht ins Verhältnis zu den Toten des staatlich verordneten Zwangsatheistismus`, respektive deren (Religions-)Kriege. Von den etwa 8 Milliarden Menschen, die - historisch verifizierbar - in den vergangenen 8.000 Jahren starben, verlor etwa die Hälfte ihr Leben gewaltsam; zuhauf meist durch Glaubens-/Religionskriege.

Soziale Verantwortung und altruistisches Handeln ist unabhängig von Religiosität. Der religiöse Mensch ist nicht hilfsbereiter, als der atheistische oder andersgläubige. Auch lebt der religiöse Mensch nicht gesünder als der nicht religiöse oder nicht christliche (wie Dr. Röhlin ausführt), da insbesondere diese Personengruppe den nachweislich effektiveren vegetarischen Lebensstil bevorzugt (Stichworte: Buddhismus, Hinduismus).
Sein Hinweis auf die geringere Drogenabhängigkeit von Christen läßt sich eindeutig widerlegen, indem man die Konfession der über 1.730 Drogentoten (im Jahr 1999) in der BRD betrachtet. Die Majorität gehörte einer der beiden christlichen Großkirchen an.

Das Statement des Oberkirchenrates: „Wer glaubt hat mehr vom Leben“ ist eine individuelle und subjektiv erfahrbare Erkenntis, der keine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit zukommt, respektive zugrunde liegt. Wenn das seine eigenen Lebenserfahrungen sind, sind sie für die Allgemeinheit defizitär.
Entgegen dieser tendenziösen Behauptung kommen in gegenteiligen, wissenschaftlichen Untersuchungen die Fachleute zu folgendem Ergebnis: Dezidierte „Atheisten sind statistisch signifikant weniger depressiv als Religiöse“. („Sind Christen glücklichere Menschen?“ Prof. Franz Buggle, Karl Uhmann, Gisela Nohe, MIZ 4/98).
Zudem haben die „Werte“ des Grundgesetzes der BRD ursächlich nichts mit denen des Christentums gemein. Dass Freiheit dort ende, wo die des anderen eingeschränkt werde, ist bereits bei den vorchristlichen Denkern und Philosophen nachzulesen; unsere Verfassung ist darauf aufgebaut.
Schulische Bildung steht in keinerlei Zusammenhang mit Religion und Christentum. Humanistische Werte werden seit jeher von Eltern an ihre Kinder weitergeben – auch ohne Religion. „Du sollst nicht töten“ wurde von den Gläubigen nicht evidenter umgesetzt als von Religionslosen.

Weitere Untersuchungen weisen auf den direkt proportionalen Zusammenhang von hoher Bildung / Schulabschlüsse und daraus resultierender „Gottlosigkeit“ hin. Der Anteil der Religiösen sinkt mit dem Grad der Ausbildung. Je geringer der Bildungsgrad, desto mehr herrscht bei Religiösen ein personales Gottesbild vor; (Magazin: bild der wissenschaft, Ausgabe 12/1999, American Atheists News vom 15.12.1999).

Wir sind nicht davon überzeugt, dass eine Debatte zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen ein nützlicher Weg ist, um das tiefste Fundament der Ethik zu erforschen. Ist der Gläubige wirklich sicher, dass er glaubt? Ist der Nichtgläubige sicher, dass er nicht glaubt?
Dazwischen liegen unendlich viele Variationen. Grenzen sind fliessend. Wenn man als Theist einen Nichtgläubigen (wie uns) auffordert, seine ethischen Gewissheiten zu formulieren und zu rechtfertigen, ohne von sich selbst zu verlangen, das Verhältnis zwischen seinem Glauben und seinen eigenen Gewissheiten zu rechtfertigen, läuft man Gefahr, sich mit einem Sprung über die menschliche Geschichte hinwegzusetzen und präjudizierend eine Hierarchie zu errichten, die das ganze Diskussionsvorhaben zunichte machen kann.
Unsere Begründung einer nichtabsoluten, atheistischen Ethikvorstellung? Oder vereinfacht gefragt: Was glaubt einer, der nicht glaubt? Uns scheint, dass Gläubige durch einige Wortspielereien es als selbstverständlich erscheinen lassen, dass die einzige Art zu glauben die Ihrige sei. Dabei geht es nicht um Theismus und Atheismus und deren Ethikvariationen, sondern um die Art zu glauben und die Art, nicht zu glauben. Hierzu ist aber etwas erforderlich, das einerseits über den religiösen Glauben und andererseits über einen entwickelten Humanismus/Rationalismus hinausgeht. Man kann nicht über Ethik sprechen, wenn man das „Böse“ nicht sieht und sich nicht in ihm. Die Quelle des „Bösen“ liegt in der Art, wie man sich selbst verhält, wie wir uns selbst und unser Verhältnis zur Welt organisieren. Man denke nur z.B. an die apokalyptischen Reiter des ethischen Hasses. Nationalismus fällt nicht vom Himmel, er ist kein Schicksal, sondern Menschenwerk und ist somit jederzeit aufzuhalten. Die Identität einer (staatlichen) Gemeinschaft entsteht, wie die eines Individuums, durch Unterscheidung. In dieser Unterscheidung liegt die Kernfrage der Ethik. Ist sie Zusammenleben und gemeinsame Suche, oder ist sie statt dessen Negation des anderen?
Für viele Gläubige scheint das Problem gelöst, Sie bedürfen offenbar keiner Rechtfertigungen. Die Mehrzahl ist eben der (anerzogenen?) Meinung, dass Atheismus apriori vernunftlos sein muß.

Selbstredend stehen wir nach unserem Tod in keiner (metaphysischen) Verantwortung einem Gott gegenüber. Reziprok zur Majorität der Christen transzentieren wir nicht „gut und böse“ und die daraus resultierende Verantwortung auf die Zeit nach unseren Tod. Hier und jetzt sind wir verantwortlich für ein Leben, das sich orientiert an den Bedürfnissen unserer Mitmenschen. Wir, nicht Götter, sind für unser Schicksal verantwortlich. Dementsprechend müssen wir selber unser ethisches Universum erschaffen. Menschenrechte sind ohne normative katholische Ethik möglich, ja gerade gegen den Widerstand der Religionen - des Christentums und ihrer Kirchen - wurden die Menschenrechte seit der Aufklärung entwickelt und postuliert um letztendlich in der UN-Charta verankert zu werden. Nebenbei erwähnt hat der Vatikanstaat die UN-Charta der Menschenrechte bis zum heutigen Tag nicht unterzeichnet. Begründung: Gottesrechte stehen über denen der Menschen.
Zum evidenten Beweis der Humanität hätte die christliche Religion aber etwa 2.000 Jahre Zeit gehabt. In der Retrospektive erkennen wir nur das Gegenteil. An einen Gott zu glauben ist keine Garantie fuer moralische Tugend, denn es hat unzählige Menschen gegeben, die sich zu einem religiösen Glauben bekannt haben und trotzdem unmoralisch gelebt haben. Die Geschichte ist voll von ihren Grausamkeiten.
Der religiösen Argumentation der von Dr. Karl-Heinz Röhlin fixierten Moralnormen nahe gelegt, könnte man fragen: „Wenn Gott tot ist, oder wenn jemand den Glauben an einen göttlichen Schöpfer verwirft, darf man dann alles machen – ist dann alles erlaubt? Würde ohne Religion und Glauben die menschliche Moral obsolet sein? Ist ohne Glauben an einen Gott alles verloren, würde Sünde – die wir persönlich negieren - uns ereilen? Sind diejenigen, die Theismus ablehnen, böse, und ohne jegliche moralischen Tugenden? – Nein.
Dr. Röhlin setzt mit seiner Religion implizit eine Reihe moralischer Werte voraus, die er dann durch die Bezugnahme auf eine transzendente Quelle zu rechtfertigen sucht. Als Theist leugnet er die Möglichkeit von Moral ohne Gott. Er ist der Überzeugung, dass seine normativen Moralvorstellungen göttlich inspiriert und daher nicht veränderbar sind. Es gibt aber keinen Beweis dafür, dass Moses die zehn Gebote von oben erhielt. „Du sollst nicht stehlen“, „du sollst nicht töten“ schreibt er einem Gott zu. Doch alle ethischen Systeme sind aus den Materialien menschlichen Verlangens und menschlicher Zwecke geknüpft. Röhlin`s Argumentation erscheint uns zudem wie die des Priesters in einer Geschichte von Richard Robinson, der zwei moralisch untadeligen Atheisten entgegenhält: „Ich verstehe euch Burschen nicht; wenn ich nicht an Gott glaubte, würde ich mir ein tolles Leben machen.“

Dennoch gab es unzählige Menschen, die die Illusion theistischer Religionen beiseite legten und trotzdem ein ethisches Leben geführt haben. Sie wurden von humanistischen Idealen und moralischen Werten inspiriert. Unter Gebrauch ihres Wissens um „gut und böse“ haben sie eine tiefgehende Wertschätzung fuer ein anständiges Leben kultiviert, einschließlich eines Gefühls von Gemeinschaft mit anderen Menschen, und sie haben sich sozialen Diensten, der Wohlfahrt und der Gerechtigkeit hingegeben. Der Genius der Technologie und Wissenschaft, der Philosophie und Poesie, weiterhin die Künste der Zivilisation und Hochkultur sind durch menschliche Erfindungsgabe und Anstrengung geschaffen worden. Generationen säkularer Erdenbewohner haben entdeckt, dass das Leben reich an unzähligen Möglichkeiten (Zirkularität, Heinz von Foerster) und daher sinnvoll ist. Obgleich nichtreligiös, haben diese Menschen nicht aufgehört, sich um das Wohlergehen anderer zu sorgen, und haben auch nicht moralische Werte und ethische Prinzipien im Alltag ihres Lebens verleugnet. Es gibt eine hohe humanistische Motivation für ethisches Verhalten. Humanistische Ethik basiert primär auf des Menschen eigener Vorstellung von „gut und böse“ und ist, wie die theistische Moral, so alt wie die westliche Zivilisation selber. Sie ist das Bemühen, eine rationale Grundlage für ethisches Verhalten zu geben, das ständig kritischer Untersuchungen ausgesetzt ist (Sokrates). Diese Humanistische Ethik findet ihre ursprünglichen Anregungen in z.T. vorchristlichen, griechisch-römischen Texten, besonders in der Philosophie der Sophisten, Platons, Aristoteles`, Epikurs und Epiktetos.
Moralabsolutisten, die sich wie Dr. Röhlin dezidiert auf die Bibel, Koran oder andere „heilige“ Texte beziehen, um ihren egoistischen Glauben an ein Sammelsurium von Geboten oder ethische Prinzipien zu rechtfertigen, betrügen sich selbst. Theistische Religionen entspringen der menschlichen Einbildungskraft; sie haben keine selbständige Realität. Sie sind Mythen der Tröstung und des Wunders, die uns in die Lage versetzen, der Endgültigkeit menschlicher Zustände zu entkommen, der Sterblichkeit des Lebens und der Endgültigkeit des Todes. Ihre Hilfsmittel sind Gebete, Opfer und Danksagungen, sowie Zwiesprache mit Gott. Nichts als ein Placeboeffekt. Wir sprechen den Religionen diesen Effekt ja gar nicht ab. Doch wieso sollten wir uns unnötigerweise mit metaphysischen Krücken durchs Leben bewegen, wenn wir erkannt haben, dass es ohne diese zuversichtlicher und besser geht?
Um mit den Worten des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki zu replizieren: „Gott ist eine rein literarische Figur wie Odysseus oder Faust oder Hamlet. Geschaffen wurde diese Figur nach einem Vorbild, und das Vorbild ist der Mensch.“ [...] „Gott hat in meinem Leben nie auch nur eine Sekunde existiert“. Ein historischer Schuft, Napoleon I., meinte: „Religion ist das, was die Armen davon abhält, die Reichen umzubringen“.

Das in der Bayerischen Verfassung für alle Bürger geforderte Bildungsziel: „Ehrfurcht vor Gott“ ist somit völlig irrelevant. Zumindest für die zunehmende Zahl der nichtchristlichen Einwohner, die keiner der beiden Großkirchen angehören. Ebenso irrelevant für jene christdemokratischen und christsozialen Politiker, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereicher(te)n. Hauptsache das Volk bleibt regierbar durch die vermeintlich althergebrachten christlichen „Tugenden“ und „Werte“. Zum Beispiel durch die eines Bundespräsidenten, der christliche (WestLB)-Werte in seiner Neujahrsansprache huldigt.

Aus dieser Erkenntnis resultierend darf die Schule keinesfalls zur Missionsstation der Kirchen werden. Im Gegenteil. Kruzifixe haben in Schulen so wenig zu suchen wie der weltanschauliche Religionsunterricht. In anderen (Bundes-)Ländern ist man da schon weiter (siehe LER in Berlin/Brandenburg, in der Trägerschaft des HVD, Humanistischer Verband Deutschland). Die so genannte Sonntagsschule in den USA zeigt, wie man praktikabel religiöse Weltanschauung vermitteln kann. Jeder eben wie er will – ohne staatlich verordneten Zwang. Den Staat jedoch hierzu durch die Großkirchen in Anspruch und in die Pflicht zu nehmen, ist nicht recht und nicht billig und entspricht z.T. nicht den Vorgaben des säkularen Grundgesetzes. Dies führt dazu, dass der christliche Glaube im abendländischen Europa mehr als Doktrin, denn als Glaube auftritt. Bereits meist im Kindergarten (oft kirchliche Trägerschaft) startet das mentale, metaphysische Gehirntraining - die christliche Sozialisierung - von der man sagt, dass anschliessend die Jugendlichen - mit Vollendung des 14.Lebensjahres (Religionsmündigkeit) - selbst entscheiden könnten, welcher individuellen Religion sie zukünftig angehören wollen (oder auch nicht). Diese Konditionierung im Kindergarten / Schule / Religions-, Konfirmanten-, Kommunions-Unterricht wirkt evident bis ins hohe Alter.
Eine lebendige Schule braucht selbstverständlich intensiven, kontinuierlichen Kontakt zu den Eltern. Eine liberale, tolerante und kritikfähige Schule hat aber auch die Weltanschauung der Schülereltern zu akzeptieren, ja zu respektieren. Dieses Verhältnis hat jedoch absolut nichts mit christlichem Werteerhalt zu tun, der „nicht preisgegeben werden darf“. Wo ist bei dieser Geisteshaltung die christliche Toleranz gegenüber Andersdenkenden? Oder geht es letztlich um verdecktes Missionieren und um klerikalen Machterhalt? (H.F.)

 4. Januar 2000 · Religion: Katholische Kirche boykottiert Gastronomen

Während dieser Tage das ganze Ausmaß der katholischen Beteiligung am Völkermord in Ruanda vor einigen Jahren ans Tageslicht kommt – siehe hierzu Spiegel 1/2000, Artikel „Mit Weihrauch und Machete“ auf Seite 122 – geht es in der Schweiz doch noch recht moderat ab. Dort brennen keine Scheiterhaufen für unliebsame Zeitgenossen. Nein, dort mitten im zivilisierten Europa bedient man sich subtilerer Methoden und versucht den vermeintlichen Gegner wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. So geschehen in Basel, wo bekannt wurde, daß die katholische Pfaffenschar sich mit einer Boykottaufforderung an einem aus der Kirche ausgetretenen Gastwirt rächen will.

Im Oktober 1999 erklärten der Gastronom Hans-Peter Fröhlicher und seine Frau ihren Kirchenaustritt.  Herr Fröhlicher schickte seine Austritterklärung an die katholische Volksekte und seine Gemahlin an den evangelisch-reformierten Ableger.  Die Reaktionen waren unterschiedlich: Beim evangelischen Verein gab man sich moderat und nahm den Austritt mit Bedauern zur Kenntnis. Die Vasallen Roms dagegen waren tief beleidigt und sandten ein Rundschreiben an sämtliche Pfarreien, Kirchenräte, kirchennahe Organisationen und wichtige Personen des öffentlichen Lebens. In dem Schreiben wurde klar und deutlich aufgefordert, den Hotel- und Restaurationsbetrieb der Familie zu boykottieren. Durch ein Versehen gelangte das Schriftstück in Fröhlichers Hände, der die Sache gleich publik machte. Der diskrimierte Gastronom: „Plötzlich fühlte ich, wie es den jüdischen Geschäftsleuten in Nazi-Deutschland ergangen sein musste.“ Auch seitens des Schweizer Wirteverbandes wurde gegen das Verhalten der Kirche protestiert.

Der auf frischer Tat ertappte Dieb dagegen gab sich uneinsichtig und erklärte: „Eine öffentliche Diskriminierung liegt nicht vor, da das Austrittsschreiben mit dem internen Vermerk lediglich an verschiedene, zur Geheimhaltung verpflichtete Abteilungen unseres Hauses weitergeleitet wurde.“ Ein dummer Patzer eben, durch unglückliche Umstände ans Licht gekommen. Kirchenverwalter Robert Weller weiter: „Die katholische Kirche ist eine vom Staat unabhängige öffentlich-rechtliche Körperschaft, mit dem Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Man berücksichtige bei Arbeitsvergebungen „vorzugsweise römisch-katholische Partner“, das sei nicht intolerant, sondern konsequent.“ Und dann dreht der konsequente Gottesknecht den Spieß um: „Schliesslich bedeute jeder Kirchenaustritt für die Kirche auch eine wirtschaftliche Sanktion.“

Bei Hans-Peter Fröhlicher geben sich derweil die Fernsehteams die Klinke in die Hand und vor lauter Interviews kommt er kaum noch zum Arbeiten. Und was die Glaubensfreiheit in der Schweiz bedeutet, an die glaubt er nicht mehr, da ist er zwischenzeitlich eines Besseren belehrt.

Und wir glauben: Ein weiterer Grund, um die Kirche wirtschaftlichen Sanktionen in Form von Austritten auszusetzten. Jedenfalls können es die noch tun, die es noch nicht getan haben. Egal, ob in der Schweiz, Deutschland oder sonstwo.

T.S.

[Quelle: www.netzpress.ch, 04.01.00]

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