Kultur: News
 1. Dezember 2000 · Kultur: Horoskope sind Quatsch!

Medientipps & mehr: Update

Die Skeptiker kamen leider in den vergangenen Tagen nicht so sehr auf ihre Kosten wie angekündigt. Die Talksendung mit Hans Meiser, der "übersinnliche" Scharlatane des Betruges überführen wollte, war zum Anschauen zwar recht lustig, aber die Aufklärung ging im Chaos unter. Da sprach jemand via Medium mit seiner toten Frau, ein katholischer Pfarrer fand das gar nicht nett, eine "bekennende Hexe" - so sie selber über sich - regte sich über einen Wahrsager auf, der für seine Sitzungen 270,- DM kassierte, damit aber auf keinen Fall Geld verdienen wollte ... Passend war da der Abspann der Sendung, die eigentlich entlarven wollte: "Diese Sendung präsentierte Ihnen die Astroline von St. Claire...0190/ ... 3,63 DM/ Min."

Die angekündigte Sendung von "Quarks & Co." über Paranormales viel leider dem Rinderwahnsinn zum Opfer. Aus aktuellem BSE-Anlass wurde die Ausstrahlung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Eine kleine Entschädigung hat am Dienstag um 19.00 Uhr ARTE zu bieten. In der Wissenschaftssendung "Archimedes" wird u.a. Margherita Hack porträtiert. "Horoskope sind Quatsch! Welchen Einfluss können Sterne auf mich nehmen, die seit Millionen Jahren nicht mehr existieren?" Durch solche und andere Sprüche ist sie zum Enfant terrible unter den italienischen Wissenschaftlern geworden. Margherita Hack ist weltweit eine der angesehensten Astrophysikerinnen, gehört einem Wissenschaftskomitee "zur Kontrolle der Theorien über paranormale Phänomene" an und kämpft gegen Wunderglauben und Esoteriker. (H.J.)

 24. November 2000 · Kultur: Parawissenschaften kritisch betrachtet

Medientipps & mehr: Update

Gleich drei Sendungen befassen sich in der nächsten Woche kritisch - so hoffen wir jedenfalls - mit Parawissenschaften. Am Montag, 15.00 Uhr, geht es in der RTL-Talksendung "Hans Meiser" um "Alles Betrug - Das schnelle Geld mit dem Übersinnlichen". Laut RTL soll kritisch diskutiert werden.

Am Dienstag, 21.00 Uhr, befasst sich "Quarks & Co." (WDR) unter dem Titel "Täuschend echt - die Wissenschaft der Illusion" mit Testreihen und Zuschauerexperimenten aus dem Bereich der Parawissenschaften. Außerdem geht es um Kryptozoologie und das Blutwunder von Neapel.

Ebenfalls am Dienstag, 20.15 Uhr, läuft im Bayerischen Rundfunk in der Gesundheitsreihe "Die Sprechstunde" die Sendung "Die Heilkraft der Steine - Mythos oder Medizin?". Bei dem derzeit äußerst unkritischen Naturheil-Boom darf man gespannt sein, zu welchem Schluss die Moderatoren bei ihrer Fragestellung kommen.

Für die heute wieder von der Kirche und Esoterikern gleichermaßen hochverehrte Mystikerin Hildegard von Bingen (1098-1179) war jedenfalls klar: Die Steine helfen! Sie empfahl z.B. zum Schutz vor dem Teufel einen Diamanten im Mund zu halten. „Es gibt Menschen, die ihrem Wesen nach und auch unter teuflischem Einfluss böswillig sind und darum gerne auch schweigen. Wenn sie aber reden, haben sie einen bohrenden Blick und geraten manchmal außer sich, wie wenn sie von Wahnsinn gelenkt würden (...) Solche Leute sollen oft, oder noch besser fast dauernd, einen Diamant in den Mund nehmen. Die Wirkung dieses Steins ist so groß und kräftig, dass er Bösartigkeit und das Böse auslöscht, das im Menschen steckt." (Zit. aus MIZ 2/98) (H.J.)

Surftipp: Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)

 23. November 2000 · Kultur: Doku über Tabakkonzerne erneut gestrichen

Die Sendung "die story: Das Nikotin-Kartell", die heute um 21:45 in der ARD ausgestrahlt werden sollte (siehe News), wurde nun zum zweiten Mal verschoben. Nachdem bereits am ersten Ausstrahlungstermin im WDR am 8. Oktober statt der brisanten Doku eine ältere Story über Pinochet gebracht wurde, durfte die Sendung auch heute nicht laufen - wegen Fußball. Neuer Ausstrahlungstermin ist der 25. Januar 2001. Abwarten .. (EMÖ)

 17. November 2000 · Kultur: Das Nikotin-Kartell

Medientipps & mehr: Update

Im Juli letzten Jahres berichtete die britische Anti-Tabak-Lobby Action on Smoking and Health (ASH), dass die Tabakindustrie versucht mittels bestimmter Zusatzstoffe die Abhängigkeit von Nikotin zu steigern (siehe unsere Meldung vom 15.7.99 "Neu: Rauchen macht jetzt NOCH süchtiger". Am Donnerstag, 21.45 Uhr, sendet die ARD die Dokumentation "Das Nikotin-Kartell - Ein Mann packt aus". 'Sie verfügen über milliardenschwere Ressourcen, sie sind multinational, einflussreich - und sie kennen keine Moral. Das alles zusammen macht sie stark und gefährlich'. So ein Experte über die internationale Tabakindustrie, das größte 'legale Drogenkartell', dem alle Mittel recht sind, weltweit die Märkte zu halten. Dies bewies die Weltgesundheitsorganisation WHO jetzt in Genf, als sie mit Dokumenten belegte, wie die Tabakkonzerne jahrelang Experten gekauft und in die WHO geschleust hatten, um dem Kampf gegen das Rauchen die Wirkung zu nehmen. Die Doku berichtet über einen renommierten Wissenschaftler, der eine Ungeheuerlichkeit aufdeckte: Sein Arbeitgeber, die Brown & Williamson Tobacco Company, versetzte den Tabak mit chemischen Substanzen, die das ohnehin hohe Suchtpotenzial von Nikotin weiter erhöhten. (H.J.)

 10. November 2000 · Kultur: Streicher, Luther und der Holocaust

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Am Montag, 23.15 Uhr, sendet SAT 1 die Spiegel TV Reportage "Der Judenhetzer: Julius Streicher und 'Der Stürmer'". Julius Streicher war als Herausgeber der antisemitischen Wochenschrift "Der Stürmer" verantwortlich für die schlimmste Hetzpropaganda und berüchtigt für sein korruptes und gewalttätiges Regime als Gauleiter von Franken. Den Alliierten galt er als Symbol für den nationalsozialistischen Judenhass. 1946 wurde er in Nürnberg zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Streicher berief sich in Nürnberg auf den Reformator Martin Luther, der ebenfalls in seinem Buch "Von den Juden und ihren Lügen" gegen die Juden hetzte. Daraus ein Zitat (dem heutigen Deutsch angepasst): "Erstens soll man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecken und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufen und zuschütten. Zum anderen soll man auch ihre Häuser zerbrechen und zerstören. Zum dritten soll man ihnen alle ihre Gebetbücher nehmen. Zum vierten soll man ihnen verbieten, bei uns öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren, bei Verlust des Leibes und Lebens. Fünftens soll man den Juden das freie Geleit auf der Straße ganz untersagen. Sechstens soll man ihnen den Wucher verbieten und ihnen alle Barschaft und Kleinodien in Silber und Gold nehmen. Siebtens soll man den jungen, starken Juden und Jüdinnen Flegel, Axt, Spaten, Rocken und Spindel in die Hand geben und sie ihr Brot verdienen lassen im Schweiße des Angesichts ..." [1]

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat auf ihrer Synode in Braunschweig eine Erklärung abgegeben, in der sie ihre Mitschuld am Holocaust deutlicher bekennen will als bisher. In der "Erklärung von Weißensee" vor 50 Jahren hatte die EKD formuliert, sie sei "durch Unterlassung und Schweigen" mitschuldig geworden am Leid der Juden. Mittlerweile hätten Forschungen ein anderes Bild ergeben. In der neuen Erklärung bleibt es deshalb nicht beim Eingeständnis des Schweigens. Nun heißt es, die Evangelische Kirche sei auch durch "ihre unheilvolle Tradition der Entfremdung und Feindschaft gegenüber den Juden hineinverflochten in die Vorgeschichte und Ermöglichung der systematischen Vernichtung des europäischen Judentums." Die Kirche habe, so Synodenpräses Jürgen Schmude, durch "aktives Tun" zu der Katastrophe beigetragen. [1] (H.J.)

[1] Luthers Gesammelte Werke, WA - Weimarer Ausgabe
[2] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 08.11.00

 7. November 2000 · Kultur: Mystik, Okkultismus und Faschismus

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Im rechtsextremen Lager nimmt eine pseudo-religiöse Argumentation immer mehr zu und esoterisch-religiöse Gruppen verzeichnen ein steigendes Interesse.

Sie heißen "Goden", "Armanen", "Artgemeinschaft", "Bund für Gotterkenntnis" und "Arbeitsgemeinschaft Nationaler Stämme Europas". Allein in der Bundesrepublik gibt es fast vierzig rassistisch-völkische Religionsgruppen.

Der Deutsche Freidenker-Verband Ostwürttemberg e.V. veranstaltet am 12. November in Winnenden einen Informationsabend mit Janka Kluge: "Mystik, Okkultismus und Faschismus". Anlass ist der geplante Bundesparteitag der "Republikaner" am 18./19. November 2000 in Winnenden. (H.J.)

 4. November 2000 · Kultur: Mörder und Moralapostel

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Am Sonntag, 17.30 Uhr, bringt die ARD eine Reportage über "Mörder und Moralapostel - Todesstrafe im US-Wahlkampf".

Besonders in Texas ist die Todesstrafe populär. Dort wird derzeit alle drei Wochen ein Mensch exekutiert - mit tatkräftiger Unterstützung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush, dem Gouverneur von Texas. Mehr als 70 Prozent aller Texaner, so ergab jüngst eine Umfrage, sind Anhänger der Todesstrafe - und bezeichnen sich in der Regel als Christen. Der Kirchgang gehört zum guten Ton. Und fundamentalistische Organisationen wie 'Probe', die mit Zitaten aus dem Alten Testament die texanische Hinrichtungsmaschinerie rechtfertigen, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Ein Team des Westdeutschen Rundfunks hat sich in den Tagen des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs unter texanischen Christen umgeschaut, die auf der einen Seite vehement gegen die Abtreibung Position beziehen, auf der anderen Seite das Töten im Namen des Staates bejubeln. Wenn in Huntsville, dem berüchtigten Hinrichtungsgefängnis bei Houston, wieder einmal ein Mensch sterben muss, wird ein makabres Stück in Szene gesetzt: Christen demonstrieren für die Todesstrafe.

[Quelle: www.wdr.de]

Surftipp: "Die Religion der Todesstrafe", siehe unsere TEXTE der Rubrik RELIGION. (H.J.)

 1. November 2000 · Kultur: Computer sind Waffen, Kinder sind Pornos

Wenn man nach Deutschlands Jugendschützern gehen darf, ist ein Kind, das auf die Welt kommt, bereits ein wandelnder Porno. Nur so kann ich mir erklären, dass auch FKK-Bilder auf dem Index landen mit der Begründung, Kinder und Jugendliche könnten durch den Anblick nackter Altersgenossen (allerdings nur auf dem Foto, nicht in der Realität) pädophil werden. Dieses und andere Themen wurden auf der Tagung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) am 25. und 26. Oktober in Nürnberg diskutiert.

Einen ausführlichen Bericht über die Tagung in 2 Teilen habe ich für das Online-Magazin Telepolis verfasst: Computer sind Waffen, Kinder sind Pornos. (EMÖ)

 27. Oktober 2000 · Kultur: Zwangsarbeiter der Kirchen

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Am Dienstag, 9.30 Uhr, sendet Hessische Rundfunk HR 2 eine Radiofeature über die "Späte Einsicht in eine dunkle Verstrickung - NS-Zwangsarbeiter und die Kirchen".

Jahrzehnte wurde darüber hinweg geschaut: Nicht nur Fabriken und Privathaushalte, auch kirchliche Einrichtungen hatten während der Nazizeit Zwangsarbeiter beschäftigt. Seit diesem Sommer laufen die Forschungen nach Zwangsarbeitern in der Kirche auf Hochtouren. Die Kirchen werden konfrontiert mit der Tatsache, auf ganz alltägliche Weise in Unrecht verstrickt gewesen zu sein. Das Feature fragt, inwiefern die Spezialisten für Schuld und Sühne bereit sind, sich dem Schmerz eigener Verfehlungen auszusetzen.

Die katholische Kirche in Deutschland stellt fünf Millionen Mark für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern bereit, die in katholischen Einrichtungen arbeiten mussten. Mit weiteren fünf Millionen will sie die Versöhnungsarbeit kirchlicher Organisationen fördern. Am Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft und des Staats beteiligen sich die Katholiken nicht. Was im Gesetzentwurf zur Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" stehe, treffe "die Situation der Fremdarbeiter in katholischen Einrichtungen keineswegs", so Bischof Lehmann. Da heißt es: "Sklaven- und Zwangsarbeit bedeutete nicht nur das Vorenthalten des gerechten Lohnes. Sie bedeutete Verschleppung, Entrechtung, die brutale Missachtung der Menschenwürde." Recherchen im katholischen Bereich zeigten aber, dass Zwangsarbeiter dort "in den meisten Fällen ordnungsgemäß nach Tarif entlohnt" worden seien, dass sie Kost und Unterkunft erhalten hätten und seelsorgerlich betreut worden seien. "Fälle von Ausbeutung oder zwangsweise zu leistender Schwer- oder Schwerstarbeit sind bisher nicht belegt", sagte Lehmann. Man ist überzeugt, die Arbeiter wären durchweg gut behandelt worden. [1]

Sätze aus einem Bericht über ein gemeinschaftlich betriebenes kirchliches Zwangsarbeiter-Lager in Berlin, deren Insassen für 26 evangelische und zwei katholische Friedhöfe tätig sein mussten, lässt anderes vermuten. Dort heißt es am 19. März 1945:

"Die nachstehend genannten fünf Ostarbeiter sind infolge ihres körperlichen Zustands für die zu verrichtenden Arbeiten auf Friedhöfen nicht mehr verwendbar." Sie haben Knochenbrüche, allgemeine Schwäche, Herzerweiterung. "Wir bitten daher um Zuweisung der Genannten an eine entsprechende Sammelstelle, da diese nur im Lager liegen und die Plätze für arbeitsfähige Männer wegnehmen." Es grüßt mit "Heil Hitler" der Lagerführer Gustav Wenger. [2]

Auf diese Weise Ausgemusterte kamen üblicherweise ins Vernichtungslager - die "entsprechende Sammelstelle".

[1] Frankfurter Rundschau, 30.08.00
[2] Süddeutsche Zeitung, 14.07.00

 20. Oktober 2000 · Kultur: Dokumentation "Holokaust"

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Wöchentlich jeden Dienstag, 20.15 Uhr, zeigt das ZDF eine neue Dokumentationsreihe üben den "Holokaust" im Dritten Reich. Die Reihe steht unter dem Patronat von Simon Wiesenthal, Gründer des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien. Er misst dem Projekt höchste Bedeutung bei: "Diese Dokumentation ist das Vermächtnis von Millionen Opfern."

Ein älterer Herr schrieb mir kürzlich aus seinen Erinnerungen an die damalige Zeit:

"Im März 1933, anlässlich meiner Konfirmation predigt der Pfarrer von der Kanzel: 'Wir danken Gott, dass wieder gottesfürchtige Männer an der Regierung sind!' " (H.J.)

 12. Oktober 2000 · Kultur: Nicht zu glauben ist normal

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"Was glauben junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren?" fragten die Interviewer der Shell-Studie "Jugend 2000". Die Antworten sind für die christlichen Kirchen erschreckend: Nur noch eine Minderheit gehört einer Kirche an, noch weniger sehen ihr Glaubensbild im christlichen Glauben wiedergegeben.

Der NDR 3 fragt am Sonntag, 8.40 Uhr, in der Radiosendung "Nicht zu glauben ist normal -Wie junge Menschen es mit der Religion halten": Ist das derAnfang vom Ende einer christlich geprägten Gesellschaft?

In der Präambel der gerade neu verfassten EU-Grundrechtecharta ist übrigens, trotz aller weltanschaulicher Pluralität und über zweihundert Jahre nach der Zeit der Aufklärung, vom "geistig-religiösen Erbe" die Rede. Auf diese Formulierungsänderung - in der ursprünglichen, französischen Fassung war nur von "spirituel" die Rede - haben die deutschen, christlichen Parteien gedrungen. Einen Gottesbezug wie im deutschen Grundgesetz haben sie allerdings nicht durchsetzen können. (H.J.)

 6. Oktober 2000 · Kultur: Ethik der Gentechnik

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Vor einigen Tagen wurde in den USA ein Kind geboren, das als Embryo gentechnisch ausgewählt wurde, um seiner erbkranken Schwester als Knochenmarkspender das Leben zu retten. (WAZ, 05.10.00)

Greenpeace berichtete gestern über die Implantierung menschlicher Zellkerne in Eizellen von Schweinen durch australische und amerikanische Gentechniker. Dieses Verfahren wurde bereits im Oktober 1998 in den USA zum Patent angemeldet.

Am Dienstag, 22.15 Uhr, sendet ARTE einen Themenabend zur Gentechnik: "them@ 2: Die GenRevolution zwischen Markt, Mystik und Forschung". (H.J.)

 2. Oktober 2000 · Kultur: Erste Erwin-Fischer-Preis-Verleihung

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Am 14. Oktober, 20.15 Uhr, wird im Jugendhof Bessunger Forst in Roßdorf (Nähe Darmstadt) erstmals der Erwin-Fischer-Preis vergeben. Mit dem Preis will der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) besondere Verdienste oder herausragenden Einsatz für die Trennung von Staat und Kirche, von Politik und Religion auszeichnen.

Die ersten Preisträger sind die Psychologin Ursula Neumann und der Kirchenjurist Prof. Dr. Johannes Neumann, die den Erwin-Fischer-Preis für ihre Lebensleistung und das Engagement gegen den Zwangsethikunterricht als "Ersatz"fach für konfessionellen Religionsunterricht erhalten. Zusammen mit ihrem Sohn sind sie im Land Baden-Württemberg den gerichtlichen Weg gegen die Teilnahmepflicht am Ersatzfach Ethik gegangen.

In diesem Verfahren ging es um folgende Fragen:

1.) Darf der Staat einen konfessionslosen Schüler zur Teilnahme an einem "Ersatzfach" für den Religionsunterricht verpflichten?

2.) Darf der Staat dieses "Ersatzfach" so gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler, die daran teilnehmen (müssen) gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Religionsunterricht benachteiligt werden?

3.) Darf der Staat unter Verletzung des Gebots zur weltanschaulichen Neutralität ein Schulfach einrichten, mit dem teils ausdrücklich erklärten, teils offensichtlichen Ziel, die Teilnehmerzahlen am Religionsunterricht zu stabilisieren?

Die Begründung ihrer Klage haben die Neumanns in einem lesenswerten Brief schriftlich festgehalten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, jedoch die diskriminierende Praxis des Ethikunterrichts bemängelt und den Landesbehörden konkrete Verbesserungen vorgegeben. Die grundrechtlichen Fragen sind weiterhin unentschieden, da das Bundesverfassungsgericht die dort angestrengte Verfassungsklage aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Der Preis ist benannt nach dem Anwalt Erwin Fischer (1904-1996), der als erster Jurist die enge Verflechtung von Staat und Kirche in der Bundesrepublik auf der rechtlichen Ebene kritisierte und die Interessen von Konfessionslosen vor Gericht vertrat. So brachte er 1959 die Verfassungsbeschwerde eines im so genannten Rentenkonkubinat lebenden Paares vor das Bundesverfassungsgericht. 1965 erreichte er einen BVerfG-Beschluss, wonach die gesetzlichen Bestimmungen, welche die Kirchensteuer eines Angehörigen einer steuerberechtigten Religionsgesellschaft unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten bemessen und diesen für die Bezahlung in Anspruch nehmen, auch wenn dieser kein Mitglied der betreffenden Kirche ist, als verfassungswidrig einzustufen sind.

Mit seinem Buch "Trennung von Staat und Kirche", das 1964 erstmals erschien, formulierte er präzise seine Zielvorstellung einer modernen Gesellschaft, in der es keine Privilegien für bestimmte Religionsgemeinschaften mehr geben sollte. Damit wurde er zu einem der Vordenker für eine Reform des so genannten Staatskirchenrechts - die bis heute nicht erfüllt ist. (H.J.)

 29. September 2000 · Kultur: Politiker und ihr Glaube

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Aus Amerika kennen wir es schon länger: Politiker aller Richtungen bekennen, mehr oder weniger heuchlerisch, aber immer publikumswirksam, ihren persönlichen Gottesglauben. So sagte der Dramatiker Arthur Miller in einem Interview mit dem Hamburger Magazin Stern, in Amerika seien Politik und Religion niemals getrennt gewesen. Neu sei "allerdings der nackte Missbrauch der Religion durch Politiker". "Es gab den Konsens, dass es sich einfach nicht gehört, den eigenen Glauben im Wahlkampf zur Schau zu stellen. Jetzt ist auch diese Schamgrenze gefallen", meinte Miller. "Statt die eigenen Kinder vor die Kameras zu zerren, zeigt man neuerdings sein Gebetbuch her." [1]

Auch nach Deutschland schwappt diese Unsitte jetzt mehr und mehr herüber - und das nicht nur bei Parteigängern der CDU/CSU, von denen wir nichts anderes gewöhnt sind. Der PDS-Politiker Gysi bezeichnet sich mittlerweile als "Noch-Nicht-Christ" und hält schon mal Predigten in Kirchen. Der Bundespräsident Rau hält an der Gottesformel im Grundgesetz fest und meint, damit könnten sich alle Deutschen angesprochen fühlen - nämlich Christen, Juden und Muslime. Und auch der Bundestagspräsident Thierse kann Politiker-Amt und ehemaliges Pfarreramt nicht trennen. Mit Beiträgen einiger SPD-Politiker und Theologen gibt er das Buch "Religion ist keine Privatsache" heraus. - Trennung von Politik und Kirche ist auch in Deutschland Fehlanzeige.

Am 3. Oktober, 8.40 Uhr, berichtet der Radiosender NDR 3 über den Glauben der Politiker: "So wahr mir Gott helfe - Politiker geben Auskunft über ihr Verhältnis zur Religion". Dies taten sie auf dem vergangenen Katholikentag in Hamburg im Rahmen der Diskussion: "Mut zur Religion ist Mut zur Freiheit". (H.J.)

[1] ots, 2.3.00

 22. September 2000 · Kultur: Selbstbestimmtes Leben - selbstbestimmter Tod?

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Gleich drei Beiträge dieser Woche handeln vom selbstbestimmten Lebensende:

Am Sonntag, 21.00 Uhr, sendet der WDR die Doku "Tod auf Bestellung - Über Lebensmüde und Lebensmutige". Darum geht es um eine 80-Jährige, die sich das Leben nehmen will, weil sie fürchtet irgendwann zum Pflegefall zu werden. Andererseits wird eine weitere Frau vorgestellt, die seit 30 Jahren ein Pflegefall ist, aber mit Hilfe eines Computers ein Buch darüber geschrieben hat, warum sie ihr Leben lebenswert findet.

Anders dargestellt wird das Thema am Dienstag, 22.25 Uhr, in 3 SAT. Die japanische Satire "Tanz am Abgrund" des Regisseurs Itami handelt von einem Filmregisseur, der an Krebs erkrankt. Er ist hilflos, will sich umbringen. Doch nach einer unerfreulichen Begegnung mit seinen Ahnen im Jenseits kehrt er ins Hier und Jetzt zurück. Der sinnenfrohe Patient nutzt nun die letzten Tage, um dem Klinikchef Arroganz auszutreiben und sich noch mal mit ganzer Kraft einem Filmprojekt zu widmen. - Die Satire von Juzo Itami setzt sich auf schrille Weise mit dem Tabuthema humanes Sterben auseinander. Itami: "Der Tod muss nicht kläglich sein. Er kann zum wundervollen Finale werden, nachdem man im Leben das getan hat, was man tun wollte." 1997 sprang er selbst von einem Hochhaus in den Tod.

Am Donnerstag, 22.25 Uhr, widmet sich 3 SAT in dem Magazin Recht brisant der Sterbehilfe und erläutert die aktuelle Rechtslage in Deutschland. Das Thema 'Sterbehilfe' hat in den letzten Jahren außergewöhnliche Publizität erlangt. Die Diskussion um das 'Recht auf einen würdigen Tod' ist erneut heftig entbrannt, seit in den Niederlanden und damit erstmals in Europa ein eigenes Euthanasiegesetz in Kraft getreten ist. Wie ist die Rechtslage hier in Deutschland? Wo hört die erlaubte Hilfe beim Sterben auf und wo beginnt die strafbare Tötung auf Verlangen?

Surftipps:

Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben
www.patientenverfuegung.de

(H.J.)

 15. September 2000 · Kultur: Homosexualität

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Zu Beginn der Olympiade werfen auch wir einen Blick auf Sydney. Die Hauptstadt Australiens ist nach San Francisco die größte Schwulen-Gemeinde der Welt. Von den vier Millionen Einwohnern ist jeder zehnte Homosexuell. In der Olympiastadt hat Toleranz keine lange Tradition. Bis 1975 wurde die Homosexualität mit Elektroschock-Therapien bekämpft, erst 1984 konnten die einschlägigen Paragraphen im Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen werden. Dennoch bleiben in Sydney Homosexuelle Opfer alltäglicher Aggressionen, junge Banden dringen in die Viertel der Schwulen ein, um ihnen die 'Fresse zu polieren'. Über Gegenmaßnahmen berichtet ARTE am Mittwoch, 20.15 Uhr, in der Doku "Die Love-Polizei". Die Stadtverwaltung von Sydney hat eine Spezialeinheit der Polizei gegründet, die sich Tag und Nacht um den Schutz der Homo-Gemeinde kümmert, die meisten der 150 Beamten verkehren selbst in homosexuellen Kreisen. Aber auch in den Schulen wird durch Pädagogen der Einheit erfolgreich Aufklärungsarbeit geleistet.

Ebenfalls mit dem Thema Homosexualität beschäftigt sich die Talksendung des SWR "Streit im Schloss" nächste Woche Freitag um 21.45 Uhr. Hier geht es um "Die 'Homo-Ehe' - Angriff auf die bürgerliche Familie".

Mehr zum Thema:

Aktion Ja-Wort
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
Aktion Nein-Wort

(H.J.)

 12. September 2000 · Kultur: Kein Religionsunterricht an staatlichen Schulen

Veranstaltungstipps: Update

Am 28. September, 20.00 Uhr, veranstaltet die Humanistische Union im Saal des Lyceumsclubs München, Maximilianstr. 6, eine Diskussionsveranstaltung zum Islamischen Religionsunterricht unter dem Titel:

"Kein islamischer Religionsunterricht an staatlichen Schulen in Deutschland - Islam für alle, Christentum für alle, Humanismus für alle".

Alle drei Landtagsfraktionen in Bayern haben die Einführung des Islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in Bayern gefordert und die Staatsregierung um Prüfung der Möglichkeiten gebeten. Die Humanistische Union, die sich u.a. für die strikte Trennung von Staat und Kirchen einsetzt, hält auch den Islamischen Religionsunterricht für den falschen Weg. Er würde eine weitere Aufsplitterung und falsche Gruppenbildung in der Schule fördern. Ihr Vorschlag lautet anders: ein Fach Religions- und Weltanschauungskunde für alle, ein Fach ohne konfessionellen Charakter.

Die Humanistische Union hat daher das Kultusministerium eingeladen, die unterschiedlichen Positionen im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung zu diskutieren. Dabei wird die humanistische Position von dem Philosophen Dr. Dr. Joachim Kahl aus Marburg ("Es gibt keinen Gott") vertreten, der Name des Vertreters des Kultusministeriums ist noch offen. (H.J.)

 8. September 2000 · Kultur: Margaret Sanger: Moderne Geburtenkontrolle

Medientipps & mehr: Update

Nächste Woche Freitag, 23.45 Uhr, gedenkt der WDR in einer kurzen geschichtlichen Rückblende Margaret Sanger. 1879 geboren, kannte sie das Elend kinderreicher Familien, weil sie selbst aus einer solchen stammte. Sie arbeitete als Hebamme in einem New Yorker Armenviertel und sah dort Frauen, deren Leben zwischen zahllosen Kindern, Krankheit, harter Arbeit und verpfuschten Abtreibungen verrann. Margaret Sanger trat konsequent für Familienplanung ein, wollte Aufklärung über Empfängnisverhütung und prägte 1914 den Begriff "Geburtenkontrolle". 1916 eröffnete sie die erste Familienberatungsstelle. Das war verboten - Margaret Sanger wurde eingesperrt. Erst in den 20er Jahren wurde ihre Arbeit in den USA anerkannt, Familienberatungsstellen eröffneten in der ganzen Welt.

Zwei unterschiedliche Ansichten zum Thema:


(H.J.)

 1. September 2000 · Kultur: Die Seligsprechung des Antisemiten

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Am Sonntag spricht der Papst mal wieder selig - diesmal sind zwei seiner Vorgänger an der Reihe, und deshalb ist es natürlich auch ein Medienereignis. Offenbar geht der Vatikan dabei nach dem Motto vor: Schlechte Presse ist besser als keine Presse, und wählt ausgerechnet im Heiligen Jahr der katholischen Bußfertigkeit neben Papst Johannes XXIII. den Antisemiten Papst Pius IX. aus. Mit der Seligsprechung erlaubt Papst Johannes Paul II. die kirchliche Verehrung. Außerdem regiert der selig Gesprochene nach katholischem Verständnis mit Christus im Himmel.

Zur Erinnerung: Papst Pius IX., 1846-1878, der sich selbst und seinesgleichen für unfehlbar erklärte, errichtete im Kirchenstaat das jüdische Ghetto wieder, verfolgte die Juden, wobei es zu Kinderraub und Zwangstaufen kam.

1864 veröffentlichte er den "Syllabus errorum", ein Verzeichnis von 80 "hauptsächlichsten Irrtümern unserer Zeit" wie Rationalismus und Sozialismus. Er verdammte die Meinungs-, Presse-, Religionsfreiheit. Bezeichnete als "Wahnsinn" alles, was zu den Grundzügen einer Demokratie gehört. Das kann man nicht etwa mit dem damaligen Zeitgeist entschuldigen. Schon zu seiner Zeit wurde der "Syllabus" von vielen Theologen und Laien als schroffe Absage an freiheitliche Errungenschaften vergangener Jahrhunderte kritisiert.

Katholische Kirchenhistoriker haben sich übrigens auf einer Tagung einstimmig gegen die Seligsprechung Papst Pius IX. ausgesprochen. Sein Verhalten offenbare einen Mangel an der für das Papstamt gravierenden Tugend der Klugkeit. Wie steht es da mit der Klugheit dessen, der diesen Papst jetzt selig spricht?

Menschen, was braucht ihr noch, um zu erkennen, dass diese Kirche nicht reformfähig ist? (H.J.)

 25. August 2000 · Kultur: Sklavenfreikauf im Sudan

Medientipps & mehr: Update

Am Mittwoch sendet die ARD um 23.00 Uhr die Dokumentation "Sklavenmarkt - Menschenhandel im Sudan" In den vergangenen fünf Jahren hat die christliche Organisation "Christian Solidarity" etwa 25.000 Sudanesen aus der Sklaverei freigekauft - sagen sie. Unter anderem das ZDF berichtete lobend darüber. 50 US-Dollar werden pro Person an die arabischen Händler gezahlt, die die versklavten Schwarzen im arabischen Norden aufkaufen. Das Geld stammt aus westlichen Spenden, eingesammelt zum Teil in Kirchengemeinden. Andere Hilfsorganisationen - u.a. die Unicef - kritisieren diese Aktivitäten allerdings scharf. Sie werfen der Organisation vor, dass sie sich durch die Freikäufe am Sklavenhandel beteiligt und ihn begünstigt. Außerdem glauben sie, dass dieses Engagement nur der Korruption weiteren Vorschub leiste und dass die meisten Freigekauften nie Sklaven gewesen seien. Von Journalisten wird der Verdacht geäußert, dass durch die in Europa gesammelten Gelder für den Freikauf teilweise christliche Bürgerkriegskämpfer finanziert werden. Der Spiegel berichtete darüber in seiner Ausgabe vom 24. Juli 2000. (H.J.)

 18. August 2000 · Kultur: Medientipps & mehr: Update

Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 25. August, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.

Am Mittwoch sendet 3 SAT um 16.15 Uhr einen Beitrag über "Dietrich Bonhoeffers Weg in den Widerstand". Bonhoeffer ist für die evangelische Kirche der Vorzeigewiderstandskämpfer gegen die Naziherrschaft schlechthin. Gefragt werden muss allerdings, ob die Kirche ihn nicht ungerechtfertigt für sich vereinnahmt. Zur Sendung heißt es:

"Der Theologe, der aus einem liberalen und großbürgerlichen Berliner Elternhaus kam, hat sich bereits 1933 entschlossen gegen den Nationalsozialismus gestellt. Er organisierte zunächst in der 'Bekennenden Kirche' die Opposition gegen die so genannte 'Glaubensbewegung der Deutschen Christen', die in Adolf Hitler den 'Pfingstgeist' wirken sah und für eine Germanisierung des Christentums in einer Reichskirche eintrat. Seit 1938 jedoch sah Bonhoeffer keinen anderen Weg als den des politischen Widerstandes aus dem Untergrund. Weltweit bekannt wurden Bonhoeffers Briefe aus dem Militärgefängnis in Tegel, wo er vom April 1943 bis zum Januar 1945 inhaftiert war. In einer bis heute noch verblüffenden Radikalität forderte der Theologe die Kirche auf, in 'der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben zu lernen' und auf die 'Arbeitshypothese Gott' zu verzichten." [Zit. aus: www.wdr.de] (H.J.)

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