Politik und Geld: News
"Politik ist die Kunst, die Leute daran zu hindern, sich um das zu kümmern, was sie angeht." – Paul Valèry, französischer Dichter (1871 - 1945)
 13. März 2000 · Politik: Unsere Zitatensammlung wächst weiter

"Unsere Welt wird noch so fein werden, daß es so lächerlich sein wird, einen Gott zu glauben als heutzutage Gespenster. "

Georg Christoph Lichtenberg, deutscher Physiker,
Mathematiker und Schriftsteller (1742-1799)

Dieses und viele andere Zitate finden sich in unserer umfangreichen Zitatensammlung. (H.J.)

 26. Februar 2000 · Politik: 2.000.000 Amerikaner im Gefängnis

Die Bevölkerung der USA macht 5 % der Weltbevölkerung aus und stellt 25 % aller Gefängnisinsassen. Damit ist der Anteil von Gefangenen an der Gesamtbevölkerung größer als in irgendeinem anderen Land. Einer Untersuchung des "Justice Policy Institute" zufolge gab es um den 15. Februar einen traurigen Rekord: Die Zahl der Gefangenen hat erstmals die 2-Millionen-Marke überschritten. Die "Libertarian Party" berichtete in einer Pressemitteilung:

Als ein Ergebnis des "War on Drugs", der Kampf gegen die Drogen und ihre Benutzer, hat sich in den USA eine massive Gefängnisindustrie entwickelt. Diese Milliardenindustrie beschäftigt mehr als 523.000 Menschen und ist damit der zweitgrößte Arbeitgeber in den USA nach General Motors. 5 % des Bevölkerungszuwachses in ländlichen Gebieten zwischen 1980 und 1990 waren das Ergebnis von Gefangenentransporten.

Mit einer vernünftigen Drogenpolitik ließen sich jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge sparen, aber die korrupte Regierung macht lieber Deals mit den Drogenbossen, auch um die Bevölkerung von sozialen Problemen abzulenken. Hätte man das Geld, was man in den letzten Jahrzehnten im Drogenkrieg verschwendet hat, sinnvoll investiert, wäre mittlerweile wohl jeder relevante Himmelskörper unseres Sonnensystems erforscht, es gäbe Kolonien auf dem Mars und ein gigantisches SETI-Programm, von der Beseitigung des Welthungers ganz zu schweigen. (EMÖ)

[Quellen: The Guardian (UK), Justice Policy Institute, Pressemitteilung der Libertarian Party]

 23. Februar 2000 · Politik: Die Politik der Todesstrafe

Betty Lou Beets
Betty Lou Beets (62) soll hingerichtet werden

Am 24. Februar soll die 62jährige Betty Lou Beets wegen Mordes an zweien ihrer Ehemänner hingerichtet werden. Die Frau war in ihren Ehen jahrelang verprügelt worden und schon in ihrer Kindheit das Opfer ihres alkohohlsüchtigen Vaters. Mildernde Umstände soll es dennoch nicht geben – die "Schwarze Witwe" soll sterben. [1]

Nun ist der texanische Gouverneur George W. Bush, Jr., derzeit heißester Anwärter auf den Präsidentenposten, in einer Zwickmühle, die eher strategischer als moralischer Natur ist: Was bringt ihm wohl mehr Stimmen, wenn er die Frau hinrichten läßt, oder wenn er sie im letzten Moment begnadigt? Üblicherweise sind Hinrichtungen ein gutes Mittel zum Stimmenfang – auch Bill Clinton heizte 1992 mit der Hinrichtung von Ricky Ray Rector, einem Geisteskranken, der nicht verstand, was um ihn herum passierte, seinen Wahlkampf an. Daß Beets eine alte Frau (und Urgroßmutter) ist ändert die Situation ein wenig, aber es darf bezweifelt werden, daß Bushs Verstand zu derlei Abstraktionen fähig ist. Und die Medien, die den Fall entweder ignorieren oder Beets' Morde im Detail schildern und sie in Schlagzeilen als "Schwarze Witwe" bezeichnen, machen ihm die Entscheidung gerne leichter.

Mit der Todesstrafe hat Junior jedenfalls Erfahrung: Von 117 Hinrichtungsvollmachten hat er alle bis auf eine unterschrieben, wobei er nach Auskunft seiner Mitarbeiter in der Regel 15 Minuten brauchte, um seine Entscheidung zu treffen. Unter den Getöteten waren auch Geisteskranke und zur Tatzeit Jugendliche. [2] Im Zweifelsfall kann sich Bush ja immer auf die nächsthöchste Autorität nach ihm selbst berufen. Mehr dazu in unserem Text "Die Religion der Todesstrafe" (siehe Religion:Texte). (EMÖ)

[1] ABC News, 22.2.2000
[2] The Oregonian, Leserbrief von Douglas Hintz, 20.2.2000

 22. Februar 2000 · Politik: Volksbegehren in Bayern

Derzeit laufen in Bayern die Eintragungsfristen fuer ein Volksbegehren des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbandes (BLLV). Sinn und Zweck des dieses Begehrens ist, eine radikale Schulreform, geplant von der bayer. Staatsregierung, zum Scheitern zu bringen. Auf einen simplen Nenner gebracht, sollen in Bayern künftig in der vierten Hauptschulklasse die Entscheidungen getroffen werden, fuer ein weiterfuehrendes Gymnasium (ist bereits Realität) oder fuer eine weiterfuehrende Realschule. Der Notendurchschnitt entscheidet. So genannten Spätentwicklern (in der fuenften und sechsten Klasse) wird somit der Boden entzogen, der Auswahldruck vehement erhöht und in die untersten Klassen (gar in die Vorschule) getragen. Die Grund- und Hauptschule wird zum Selektionsmedium degradiert.

Die Partei, die in Bayern derzeit noch den Ministerpräsidenten stellt, die CSU, warb - unter anderem - am Dienstag den, 15.02.2000 mit einer viertelseitigen Anzeige auf der letzten Seite des Schwabacher Tagblattes:

Sagen Sie NEIN zum Volksbegehren...
Gehen Sie bitte n i c h t zum Unterschreiben!

Die Aussagen dieser Kampagne implizieren meines Erachtens, dass hier mit medialen Mitteln versucht wird, den mündigen Bürger davon abzuhalten, durch Abgabe seiner Unterschrift eine Volksabstimmung zu initiieren. Es ist evident - kann die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, wird eben versucht, sie entsprechend zu manipulieren.
Meiner Meinung nach bedarf es bei den Initiatoren dieses Inserates - mit ihrer unerträglichen politischen Berufslaiendünkelhaftigkeit - noch einiger Nachhilfe ihres demokratischen Sach- und Staatsverständnisses. Statt einbürgerungswilligen Nichtdeutschen die scheinbare Unkenntnis der heimischen Normen und Historie vorzuhalten, sehe ich hier eminenten staatsbürgerlichen Bildungsbedarf bei hiesigen politischen Entscheidungsträgern.

Laut Bayerischer Verfassung vom 2.12.1946 tut das Volk "seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kund". (BV, Art. 2,2). "Träger der Staatsgewalt ist das Volk". (BV, Art. 2,1). "Die gesetzgebende Gewalt steht ausschliesslich dem Volk und der Volksvertretung zu". (BV, Art. 5,1).

Nur unter Berücksichtigung dieser Prämissen ist Demokratie zu verstehen. Bei der persönlichen Unterschrifts-Eintragung zum derzeitigen Vorlauf zu einem Volksbegehren, handelt es sich doch lediglich um eine Willenserklärung der Bürger mit der Option, dass erst daraus ein späteres Volksbegehren entstehen kann. Das heißt, wer sich in den nächsten Tagen in die ausliegenden Listen zum geplanten Volksbegehren einträgt, ist dafür, dass in den nächsten Monaten eine Volksabstimmung stattfinden wird. Hier erst steht dann der Wille des Souveräns zur Entscheidung an. Somit geht es derzeit nicht für oder gegen "Die bessere Schulreform" des BLLV, sondern insbesondere darum, ob die Bürger wünschen, auch ausserhalb der periodischen Wahlmöglichkeiten, an der gesellschaftspolitischen Gesetzgebung mitzuwirken. Dass dies der derzeit herrschenden politischen Kaste in Bayern nicht genehm ist, versteht sich von selbst. Es geht primär um politischen Machterhalt/-ausbau und um elitäre (realschulische) Pfründe. Für den tatsächlichen Willen des breiten Volkes hat man offenkundig und einvernehmlich selten ein Gespür. Bestenfalls als Kanonenfutter und billige, nicht hochqualifizierte Arbeitskräfte soll es parat stehen.
Apropos fachliche Qualifikation. Welchem Schülervater ist schon bekannt, dass die bayer. Kultusministrin Hohlmeier nach dem Abitur lediglich eine abgeschlossene Berufsausbildung als "Hotelfachfrau" genoss und zudem ihr offizielles Ministergehalt deutlich über dem einer norddeutschen Ministerpräsidentin (Simonis) liegt? Nun ja, so handverlesen wie eine Strauss-Tochter müßte man sein...

Weiterhin halte ich es – als Selbständiger - persönlich für sehr bedenklich, wenn einseitige Stellungnahmen von m.E. "halbstaatlichen" Zwangsvereinigungen, wie die der IHK, zitiert werden. Die veröffentlichten Meinungen der IHK-Geschäftsführer stehen nicht selten in eklatantem Widerspruch zu denen der Zwangsmitglieder, die zudem mit ihren (meinen) monetären Zwangsbeiträgen für die gut dotierten Gehälter dieser Herren sorgen. Hier wird dem Leser sublim vermittelt, die Geschäftsführungen der IHK`s sprechen im mehrheitlichen Sinne der Zwangsmitglieder. Doch auch hier ist es meist wie anderswo: Man bewegt sich eben schicklich in erlauchter und industrie-politischer Nachbarschaft.

Der Rest des CSU-Inserates sind m.E. populistische oder fadenscheinige Argumente (das Gegenprojekt zur Staatsregierung sei angeblich nicht kindergerecht, nicht bildungsfreundlich, nicht elternfreundlich, sondern überfordere unsere Kinder), die z.T. auch noch widesprüchlich in ihren Aussagen sind. Zum Beispiel im sechsten Absatz: „Das bayer. Handwerk und die Industrie- und Handelskammern [...] haben sich nachdrücklich für das bewährte bayerische Schulsystem ausgesprochen“.

Nun ja – sind die Kammern wohl nun auch gegen die Schulreform der bayer. Staatsregierung, da sie ja "nachdrücklich" alles beim Bewährten lassen wollen?

In Parenthese, und höflich-heiter gefragt: Aus welchem Finanzetat wohl die CSU diese Inserate finanziert? (H.F.)

 21. Februar 2000 · Politik: Spendenskandal - Chance für Neuorientierung!

Der Spendenskandal der CDU hat zur Handlungsunfähigkeit der Partei geführt und eine Glaubwürdigkeitskrise ausgelöst, die über diese Partei hinausgeht. Selbstgefällig und fröhlich auftretende Politiker lügen und vertuschen und scheinen selbst nicht mehr wahrzunehmen, welchen Schaden sie allein mit diesem Verhalten der Demokratie und der Gesellschaft zufügen. Bemerkenswert dabei ist, daß es sich vor allem um Politiker handelt, die einer christlichen Kirche angehören, und einige führende sich sogar als tief gläubig bezeichnen.

Der Skandal ist aber nur ein äußeres Zeichen für eine bereits seit langer Zeit bestehende grundlegende Krise unserer Gesellschaft: für den Mangel an einer tragfähigen ethischen Orientierung. Es sind nicht Parteien, Gesetze oder die sie vertretenden bzw. ausführenden Menschen an sich, die mangelhaft sind. Es sind die bisher maßgebenden ethischen Orientierungen, welche die Menschen eher behindern als fördern, ganzheitlich und wahrhaftig zu denken und zu handeln. Wem bereits als Kind beigebracht wurde, Realitäten vom Gefühl abzuspalten und zu verdrängen, Unglaubhaftes für wahr zu halten und nicht infrage zu stellen. Und wer dann als Erwachsener in sonntäglichen Ritualen das Akzeptieren von Unwahrhaftigkeiten auch noch übt und mit dem Amtseid öffentlich bekundet, bei dem kann diese - im Unterbewußtsein verankerte - Gewohnheit dann auch im Alltag sehr leicht wirksam werden. Ist doch inzwischen bekannt, das selbst die sachlichsten Entscheidungen letztlich vom Gefühl bestimmt werden, das wiederum von der verinnerlichten ethischen Einstellung abhängt.

Es fehlt allgemein an einem Menschenbild, das an verantwortlicher Menschlichkeit orientiert anstatt an Sündigkeit und Erlösung von außen einerseits und materieller Fortschrittsgläubigkeit andererseits. Es wäre ein Dienst an der Gesellschaft, wenn die CDU die Krise zum Anlaß nähme, sich aufzulösen und unter einem Namen neu zu gründen, der nicht die Tendenz zu Selbsttäuschung, -überschätzung und Unwahrhaftigkeit unterstützt, sondern eher die Arbeit an sich selbst und Eigenverantwortung fördert. Auch der Zusatz zur Eidesformel "so wahr mir Gott helfe" sollte durch eine Verpflichtung zu regelmäßiger Supervision ersetzt werden. Es geht um die Substanz des Menschlichen, die bisher aus Unwissen und Bequemlichkeit zugunsten von äußerem Fortschritt sträflich vernachlässigt, ja teilweise sogar tabuisiert wurde. Jetzt wäre ein Anlaß gegeben, um sich mit diesem heiklen aber lebenswichtigen und auch höchst interessanten Thema ehrlich auseinanderzusetzen. Der Gewinn hierbei wird alle möglichen Verluste mehrfach aufwiegen; geht es doch um nachhaltige Stabilität von Mensch und Gesellschaft.

Unsere Gesellschaft braucht eine Erneuerung der ethischen Grundlagen der Menschlichkeit. Sie braucht eine Orientierung, die unmittelbar eine Entwicklung der Qualität des Menschlichen anstrebt, zum Beispiel am Humanismus in einem neuen, ganzheitlichen Verständnis einer ethischen Orientierung, die für alle Menschen - gleich welcher konfessionellen oder ethnischen Zugehörigkeit - offen ist und alle integrieren kann. Hier ein visionärer Vorschlag als reale Utopie: PVM statt CDU, das heißt, Partei verantwortlicher Menschlichkeit, das Ziel ist auch der Weg. - Im Sinne der Ganzheitlichkeit darf hierbei auch die Kirche nicht vergessen werden, auf die ja die CDU ihre ethische Orientierung zurückführt, auch für sie gibt es eine Vision und Chance zu grundlegender Erneuerung: Die Wandlung von einer christlichen zur humanistischen Kirche - offen für alle Menschen guten Willens dieser Welt.

Gastbeitrag von Rudolf Kuhr, Humanistische Aktion

 13. Februar 2000 · Politik: Privilegien ohne Ende

Über Historisches und Aktuelles zum "Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland" referierte der Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch am 8. Februar 2000 bei den Freidenkern in Heidenheim. Der Politiker nahm anhand des Staatskirchenrechtes kirchliche Privilegien und finanzielle Zuschüsse unter die Lupe und fordert eine klare Trennung von Kirche und Staat.

Besonders heiter wurde es, als Uwe Hiksch durch die anschauliche Aufzählung von Beispielen aus Gesetzen und Verordnungen aus seiner bayerischen Heimat aufwartete. So dokumentierte er staatliche Finanzierungen und Baupflichten von rein kirchlichen Bauten, staatliche Selbstverpflichtungen zur Übernahme von Architekten-, Anschluss- und Wasserkosten, Einrichtung von Küchen, Bädern, sogar Spülklosetts, Fenstern, Ölöfen und -tanks, Teppichstangen, Nebengebäuden, Garagen, Brandversicherungen, Kaminkehrergebühren und vieles andere mehr.

Der Humanist berichtet. (H.J.)

 24. Januar 2000 · Politik: Demokratie?

Allerorts ist nun das parteipolitische Geschrei groß. Systematisch, über Jahre hinweg, mit erheblich krimineller Energie, haben Politiker das Wohl ihrer Partei über ihre eigenen moralischen Standards – und die geltenden Gesetze - gestellt. Nun rufen die Medien nach einer moralischen Autorität.

Die Tageszeitungen kommentieren, dass durch die Parteispendenaffäre, in welche leitende CDU-, Partei- und Staatsfunktionäre verwickelt sind, die Grundfeste der Demokratie erschüttert seien. Warum erst jetzt – nach der Aufdeckung? Sind nicht 16 Jahre lang diese Grundfeste, zwar verdeckt, doch kontinuierlich erschüttert worden? Ach was! – 16 Jahre lang. War es nicht schon immer so? Napoleon I. meinte: „Das sicherste Mittel arm zu bleiben, ist, ein ehrlicher Mann zu sein“. Diesen Aphorismus haben sich unsere Politiker offenkundig intensivst zu Herzen genommen.
Nur so ist zu erklären, dass „arme“ Ex-Minister immer noch die Dienste des Staates in Anspruch nehmen (gepanzertes Fahrzeug, Leibwächter, etc.. Herbert Ferstl im privaten Gespräch mit der ehemaligen CDU-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger [MdB] und Prof. Dr. Schulz-Hageleit [HVD] am 11.11.1998 in Nürnberg).
Stutzig machen mich zudem Aussagen von Politikern, über andere Politiker - in anderen Parteien - wenn diese über alles gelobhudelt werden: „...in unermüdlicher und erfolgreicher Arbeit unter Zurückstellung persönlicher Vorteile und Annehmlichkeiten [haben sie] nur ein Ziel verfolgt: Das Wohl ihrer Gemeinde und Bürger“ (Bürgermeister W. Kelsch, Marktgemeinde Wendelstein, im MB Seite 1, vom 18.01.2000).

„Ehrlich währt am längsten“ – war die Botschaft des Schwabacher Pastors Gudbrod in seinen „Betrachtungen zum Sonntag“ im Schwabacher Tagblatt (ST) vom 22./23.01.2000. Gudbrod warnte be-züglich der Parteispendenaffäre mit den jesuanischen Worten: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“. Nun denn, selbst zu Zeiten der historischen „Gottesstaaten“ in Europa hat sich kaum ein Mensch (und wohl kaum ein Christ) an diese Worte gehalten. Doch in einem säkularen Staat empfinde ich diese klerikale Forderung als Affront. Als Rechtsstaat wurde die BRD durch den Souverän, via verfassungskonformer Legislative verpflichtet, für eine entprechende Judikative zu sorgen. Deutsche Kanzler schwören einen Eid auf die Gesetze. Göttliche Gesetzesgewalt ist im Strafgesetzbuch nicht vorgesehen.
Doch im christlichen Hauptnachschlagewerk steht geschrieben: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deine Nächsten". Was wurde gelogen, verschleiert, die Wahrheit verschwiegen, die Halbwahrheit verbreitet. Um die Wahrheit zu verschleiern, dem Schimpf und der Schande zu entgehen, gibt es die ersten Suizide. Und, der Sumpf, er ist noch nicht ausgelotet. Der Judas, der Waffenhändler Schreiber, will seine Haut retten. Wie pikant, wie originell, aus Waffengeschäften stammendes Geld der Kollekte zu spenden (Internet: Mailingliste HUMANISMUS).

Ist die Gudbrod`sche Forderung aber vielleicht lediglich ein Versuch, den Konservativen – stets den Kirchen nahestehend – ein milderes moralisches Urteil in Sachen Parteispendenaffäre zukommen zu lassen? Und hätte die Gutbrod`sche Forderung auch Bestand gegenüber Freigeistigen, Humanisten, Kommunisten, Linksliberalen, etc.?
Gerade wurden bei uns in Bayern wieder einige Anträge zu (mehr) Volksbegehren mit m.E. fadenscheinigen Begründungen abgelehnt, respektive der Justiz zur Entscheidung vorgelegt („richtet nicht!“). Wo bleibt hier die entsprechende Entrüstung?

Ich entgegne dem vorgenannten Zitat von Pastor Gudbrod mit Tacitus: "Nichts hält die Gesetze so wirksam wie ihre Anwendung gegen hochgestellte Personen". Wenn überhaupt diese Option bestünde, dann wäre gerade dies eine gesetzeskonforme Forderung, deren Erfüllung auch durchwegs von der Majorität der Wähler akzeptiert würde – ja einen geradezu idealisierenden Effekt hätte.

„Man sieht einem Menschen viel Schwächen der Moralität nach und handhabt dabei ein grobes Sieb, vorausgesetzt, dass er sich immer zur strengsten Theorie der Moral bekennt! Dagegen hat man das Leben der freigeistigen Moralisten immer unter das Mikroskop gestellt: mit dem Hintergedanken, dass ein Fehltritt des Lebens das sicherste Argument gegen eine unwillkommene Erkenntnis sei“ (Nietzsche).
Hatten nicht insbesondere ehedem die Konservativen bei ihrer Machtübernahme Anfang der Achtziger eine „geistig moralischen Wende“ versprochen und von allen gefordert? Wie wahr!
Die Doppelzüngigkeit der Kohl`schen Mannen hat ihr Ziel jedoch nicht erreicht, sondern etwas anders, viel Wertvolleres. Für einen kurzen Augenblick sorgt die korrupte politische Kaste dafür, dass die wirklichen Grundlagen unseres, aber auch fast aller Regierungssysteme, zutagetreten; sich somit die Nebel der Illusion einmal kurz lichten. Bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass mancher deutsche Politiker das Los von Bettino Craxi, ehemaliger italienischer Ministerpräsident, zu teilen hat, und seinen Lebensabend – zwar weit ab von der deutschen Justiz, aber nicht auf Staatskosten – im Exil verbringen muss. Vielleicht ist dies der Grund, warum von unserem „Bruder Johannes“, dem Bundespräsidenten, so wenig Resonanz in Sachen „Korruption“ zu hören ist? Die West-LB lässt grüssen...

Aber, hat nicht jeder Mensch „Dreck am Stecken“?
Menschen, die z.B. als Politiker zum Wohle anderer, als deren gewählten Repräsentanten tätig sind, unterstehen einem sittlichen Auftrag (siehe Vereidigung auf die Verfassung). Das für diese Personen eigentlich daraus resultierende sittliche Erkenntnisvermögen bezeichnet man als Gewissen. Es urteilt über die Handlungen eines jeden Menschen nach gleichen Massstab. Demgegenüber steht das Gewissen als „innerer Gesetzgeber“ und Richter nur für den einzelnen. „Mein Gewissen klagt mich an“, nicht aber einen Hitler oder Stalin... (wird auch oft als Stimme Gottes aufgefasst).
"Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht." Wie oft hat Helmut Kohl als Bundeskanzler und alle seine Exminister Kanther, Schäuble und wie sie alle heißen, die Floskel: "So wahr mir Gott helfe" nach dem Amtseid gesprochen?

„Gewissenlosigkeit ist nicht Mangel des Gewissens, sondern der Hang, sich an dessen Urteil nicht zu kehren“. (Kant)

„Wir sind auf Spenden für unsere Arbeit angewiesen“, betont der Ex-Religionslehrer und bayerischer Minister Freller im ST vom 22./23.01.2000. Weiter heißt es, „ohne dieses Geld sei ein Wahlkampf nicht zu führen“. Nun denn, wissen Politiker überhaupt, dass das Volk gar keinen Wahlkampf will, ihn gar nicht braucht? Bedingt durch die Nachrichten- und Medienberichterstattung wissen die Bürger bestens über die Absichten der schillernden und facettenreichen Politiker Bescheid. Dem Souverän zu unterstellen, er „wisse ja sonst nicht, was er wählen soll“ (CSU-Wahlzettelverteiler [Name bekannt] im Gespräch mit Herbert Ferstl), ist der impertinente Versuch, ihn für dumm zu verkaufen. Die bayerische Ministerin Barbara Stamm formulierte dies in einem an mich gerichteten, persönlichen Brief (vom 08.09.1996), ich sei „ein Opfer der undifferenzierten Medienberichterstattung“ (zum § 218, Schwangerenberatungsgesetz). Ein Schlag ins Gesicht der – wenigen unabhängigen – Medien.

„Sein Gewissen war rein. Er benutzte es nie“. (Lec).
Gilt selbstverständlich nicht für Kohl. Doch warum bricht er nicht sein bockiges Schweigen? Mit sei-nem Eid auf die Verfassung (und Bibel) stellte er persönliche Ansprüche in den Hintergrund? Zählt nun sein Ehrenwort gegenüber den „Spendern“ mehr, als sein Eid? Gibt es vielleicht keine Spender-Namen? Stammen die vermaledeiten Millionen gar aus Drogengeldern und Geldwäsche? Gar findet sich zuletzt hier das verschwundene Vermögen der SED?
Law-and-order-Parolen, verbreitet nicht nur durch Kanther, desweiteren Krokodilstränen über einen sogenannten Werteverfall erscheinen im richtigen Licht – im Zwielicht. Die Medien werden viel zu tun haben, nicht nur bei der „rückhaltlosen Aufklärung“ des so genannten Skandals, sondern mehr noch am Ende bei der Wiedererweckung der verlorenen Illusionen (Tageszeitung „junge Welt“ vom 22.01.2000).

Meines Erachtens sollte die Parteienfinanzierung ausschliesslich über die Parteimitglieder stattfinden. Konzerne, Unternehmer, todbringende Waffenhändler, etc. hätten nur noch eine stark reduzierte Option und untergeordnete Rolle zur Beeinflussung von Wahlkämpfen und Politikern. Die Parteien müßten sich zudem mit aller Kraft um das Wohlwollen der Basis bemühen, um neue Mitglieder zu gewinnen, respektive, um keine zu verlieren. Parteien könnten darüber hinaus effektiv an ihre Wahlversprechen erinnert (und gemessen) werden, da ihnen sonst durch Parteiaustritte der finanzielle Boden entzogen würde. In den achtziger Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die Legislative aufgerufen, durch entsprechende Gesetze die Parteienfinanzierung neu zu regeln. Nur unter ersichtlichen Unmut der Betroffenen geschah dies. Was letztlich dabei herauskam, breiten gera-de die Medien genüßlich aus, sie stellen Öffentlichkeit her. Die Staatsanwaltschaft ermittelt - wer das Recht gebrochen hat, wird hoffentlich bestraft... doch Pinochet läßt grüßen!

Zur guten, also besonders gern geglaubten Lüge gehört immer der Selbstbetrug. Somit also auch das Gefühl, man lüge gar nicht, denn wer so ein anständiger Mensch sei, wie man selbst, wer so sehr im Dienst einer guten Sache – der Partei – stehe, könne im Grunde doch nichts Falsches tun (Süddeut-sche Zeitung vom 17.01.2000).

„...daraus ergibt sich die bekannte Praxis des Politikers, welcher denkt: „Gebt mir nur den Erfolg; mit ihm habe ich auch alle ehrlichen Seelen auf meine Seite gebracht - und mich vor mir selber ehrlich gemacht.““. (Nietzsche)

Das vorhandene System der "repräsentativen Demokratie" fordert es geradezu heraus, durch Korruption und geldwerte Vorteilnahme Machteinflüsse geltend zu machen und auszuüben. Erst wenn der "Repräsentant" anteilig selbst haftet, für großzügige Wahlversprechen, verschuldete Steuerverschwendung, etc., respektive wenn der Souverän nicht nur alle paar Jährchen zur Abgabe seiner "Stimme" aufgerufen wird, wenn er in das tages- und kommunalpolitische Geschehen involviert wird (durch kontinuierliches Feedback, Bürgerentscheide, Volksabstimmungen), habe ich die Hoffnung, dass grundlegende (auch gesellschaftliche) Änderungen möglich wären. Aber wer ist schon daran interessiert? In einer Welt in der das Vermögen der 200 Reichsten ausreichte, den Lebensunterhalt der 2.700.000.000 (2,7 Milliarden) Ärmsten für mindestens ein Jahr zu bestreiten, muss sich unbedingt was ändern. Ansonsten gilt beinahe unverändert seit einigen Jahrtausenden: "same procedure as every (last) year", oder, um den Historiker K. Deschner zu bemühen: "Demokratie ist die Kunst, dem Volk im Namen des Volkes feierlich das Fell über die Ohren zu ziehn".

(H.F.)

 12. Januar 2000 · Politik: Mit der Abrüstung ernst machen

Am 4./5. Dezember 1999 fand in Kassel - noch ganz unter dem Eindruck des Jugoslawienkrieges - der 6. Friedenspolitische Ratschlag unter dem Motto "Was folgt nach dem Jahrhundert der Kriege? - Alternativen der Friedensbewegung" statt.

Der Humanist veröffentlicht den Beitrag von Lühr Henken vom Hamburger Forum: "Mit der Abrüstung ernst machen".

 17. Dezember 1999 · Geld: Kirchenaustrittsgebühren: eine willkürliche Erschwernis

Egal, ob in einem Bundesland das Amtsgericht den Kirchenaustritt gebührenfrei beurkundet, oder in einem anderen das Standesamt dafür eine Gebühr von den Austretenden erhebt, in jedem Fall werden staatliche Behörden benötigt, um eine Angelegenheit der Mitgliederverwaltung der Kirchen zu organisieren.

Dies wird notwendig, weil aufgrund des staatlichen Kirchensteuereinzuges der Staat insgesamt mit der Mitgliederverwaltung der Kirche befasst ist. Für den Einzug behält der Staat jedoch von der Kirchensteuer eine (nie als tatsächliche Kosten ermittelte) Gebühr von je nach Bundesland 1-4% ein. Die evangelischen Kirchen haben 1996 einmal bekundet, eine kircheninterne Kirchensteuerverwaltung würde 20% des Kirchensteueraufkommens verschlingen. Insofern liegt - neben anderen Vorteilen für die Kirche - auch im staatlichen Einzug - eine indirekte Subventionierung der Kirchen.

Nach der Logik des Systems müsste der Verwaltungskostenaufwand des Kirchenaustrittes eigentlich von den Behörden nicht bei den Austretenden erhoben, sondern dem Staat von den Kirchen erstattet werden.

Dem ist aber nicht so. Recht willkürlich setzten die einzelnen Länder die Gebühren fest. In Bayern wurde in diesem Jahr die Gebühr von 42,- DM auf stolze 62,- DM erhöht. Für Schüler und Studenten gibt es keine Ermäßigungen. Selbst Sozialhilfeempfänger müssen noch die Hälfte bezahlen - falls der Amtsleiter diesen Nachlass genehmigt.

Humanist-Mitarbeiter Herbert Ferstl wollte es genauer wissen, wie es um die grundgesetzlich verbriefte Religionsfreiheit in Bayern bestellt ist. Seine Erfahrungen beim Nürnberger Standesamt und weitere Informationen über den Kirchenaustritt und seine Gebühren kann man im Text "Kirchenaustrittsgebühren: Wie einige Bundesländer den Austritt erschweren" nachlesen. (H.J.)

 15. Dezember 1999 · Politik: US-Bürgerrechtler Jesse Jackson festgenommen

Mitte November 1999 ist im Streit um den Ausschluss einer Gruppe schwarzer Schüler der US-Bürgerrechtler Jesse Jackson festgenommen worden. Die Festnahme erfolgte auf dem Gelände der Eisenhower-Schule in Decatur im US-Bundesstaat Illinois.
Jackson hatte versucht, die ausgeschlossenen Jugendlichen in die Schule zu geleiten, und dabei bewusst seine Festnahme riskiert. Die sechs Schüler waren wegen einer Prügelei bei einem Football-Spiel fuer zwei Jahre des Unterrichts verwiesen worden.

Dabei ist evident, dass mangelhafte Schulbildung die Jugendlichen unweigerlich in die Kriminalität treibt.
Teilnahme an Schulbildung ist ein Recht, welches keinem Menschen genommen werden, und schon gar nicht als Zucht und Strafmittel benutzt werden darf. Selbst Schwerverbrechern sollte das Recht auf schulische Bildung nicht als Strafmassnahme entzogen werden - auch nicht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. (H.F.)

[Quelle: AFP vom 16.11.1999, und Peter Stoll]

 1. Dezember 1999 · Politik: Welt-Aids-Tag

Aids = Acquired Immune Deficiency Syndrom
HIV = Human Immunedeficiency Virus

1998 geschahen 70% der HIV-Neuinfektionen (bei den Kindern sogar 90%) in Afrika. Mehr als 2 Mio. der 2,5 Mio. AIDS-Toten des Jahres 1998 waren Afrikaner/innen - 5500 Tote pro Tag. Insgesamt sind 83% der bisher an den Folgen von AIDS Verstorbenen und mindestens 95% der AIDS-Waisen hier zu verzeichnen.

Doch das religiöse Verhütungsmittelverbot der katholischen Kirche baut lieber auf die dogmatischen Moralvorstellungen der zweijahrtausende alten Bibel als auf Wissen und verhindert Schutzmöglichkeiten vor dem HI-Virus. In der "Ecclesia In Africa" (1995) schreibt Papst Johannes Paul II. u.a.: "Die Söhne und Töchter Afrikas brauchen verständnisvolle Präsenz und pastorale Sorge." Ich meine das dies wenig zur Entwicklung in Afrika beitragen wird. Ebenso schreibet er: "Die Geißel AIDS 116. Vor diesem Hintergrund allgemeiner Armut und unzulänglicher Gesundheitsdienste befaßte sich die Synode mit AIDS, jener tragischen Geißel, die in zahlreichen Zonen Afrikas Schmerz und Tod sät. Die Synode stellte fest, welche Rolle unverantwortliches sexuelles Verhalten bei der Verbreitung jener Krankheit spielt, und formulierte folgende entschlossene Empfehlung: "Das Gefühl, die Freude, das Glück und der Friede, wie sie die christliche Ehe und die Treue erzeugen, sowie die von der Keuschheit gewährte Sicherheit müssen den Gläubigen, vor allem den Jugendlichen, ständig vor Augen geführt werden".
Der Kampf gegen AIDS muß von allen aufgenommen werden..."

Wenn der Papst von den afrikanischen Menschen verantwortliches sexuelles Verhalten im Sinne christlicher Keuschheit fordert und damit den Kampf gegen AIDS aufnehmen will, dann ist das wirlich einen Lacher wert, wie ich finde.

Die Welt (15. 2. 96) berichtete von einer französischen Bischofskonferrenz, bei der die Bischöfe zu folgender Studie gelangten: "Viele kompetente Ärzte sehen das Präservativ als einzig wirksame Vorbeugemaßnahme an. In diesem Zusammenhang ist es notwendig." Und das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt (4.10. 91) berichtete: New York. Nach einer vom Jesuiten-Magazin America veröffentlichten Umfrage läßt die vom Vatikan verordnete Sittenlehre die meisten US-Katholiken kalt. Nur 7 % der Befragten sind der Meinung, Abtreibung solle grundsätzlich verboten werden, Verhütung sei sündhaft und Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe immer falsch. Die zwischen 1985 und 1990 durchgeführte Befragung zeigte, daß die konservativen Katholiken älter sind und eine schlechtere Ausbildung haben als die liberalen.

Das es auch erhebliche Probleme bei den protestantischen Kirchen im Umgang mit AIDS gibt, zeigt fogende Seite der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik in der Ev.-luth. Landeskirche Hannover:

AIDS. Was muß die evangelische Kirche tun?

Die Übertragungswege und damit die Risiken einer Ansteckung mit dem HI-Virus haben sich nicht geändert. Mit dem richtigen Wissen kann sich daher jeder selbst schützen. Dieses wird durch die umfassende Aufklärungs- und Informationsarbeit der Aids-Hilfen vermittelt, z. B.:
Deutsche AIDSHilfe
(G. S.)

[Quellen: www.aidshilfe.de; www.aidshilfe.at; http://www.nrw.de/aktuell/presse/pm99/385_990603.htm (Pressearchiv der nordrhein-westfälischen Landesregierung); das Neue Groschenblatt, September 1998 (30 Jahre "Humanae vitae"); DIE WELT, Donnerstag, 15. Februar 1996; ECCLESIA IN AFRICA von Papst Johannes Paul II. (14. September 1995), Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstraße 163, 53113 Bonn; Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 4.10.91]

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